RS Vfgh 1996/6/20 B2817/95

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 20.06.1996
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

RAO §1a
RAO §5
RAO §21c Z7, Z8
RL-BA 1977 §24

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Abweisung eines Antrags auf Eintragung einer Rechtsanwaltsgesellschaft mangels Vorliegen eines Kanzleisitzes wenigstens eines Gesellschafters am Sitz der Gesellschaft

Rechtssatz

Wenn kein Rechtsanwaltsgesellschafter bei einer vorgesehenen Rechtsanwaltsgesellschaft bereit ist, seinen Kanzleisitz an jener Stelle zu haben, an der der Kanzleisitz der Gesellschaft sein soll, fehlt es an den gesetzlichen Voraussetzungen nach §21c RAO, da nach dieser Gesetzesstelle "jederzeit folgende Erfordernisse erfüllt sein" müssen, worunter auch die Voraussetzung nach Z7 (Kanzleisitz) fällt.

§21c Z7 RAO verwendet für Gesellschaften ebenfalls das Wort "Kanzleisitz" wie §5 RAO, es handelt sich daher um den gleichen Begriffsinhalt.

Der sachliche Grund dafür, daß jedenfalls einer der Gesellschafter seinen Kanzleisitz am Sitz der Gesellschaft haben muß, ist ähnlich dem, der seinerzeit dem Gedanken des Filialverbotes zugrundelag, nämlich der, daß es der Absicht des Gesetzgebers entspricht, "mehrere Kanzleisitze" zu verhindern, um eine ordnungsgemäße Ausübung der Tätigkeit des Rechtsanwaltes sicherzustellen und um die Beachtung der Würde des Berufes und der Unvereinbarkeiten zu gewährleisten (vgl. VfGH 29.09.94, B1886/92, S 9). Diese Systementscheidung des Gesetzgebers, wonach jedenfalls ein Rechtsanwalt seinen Kanzleisitz dort haben muß, wo die Rechtsanwaltsgesellschaft ihren Sitz hat, entspricht der Auffassung des Gesetzgebers, wonach "die Ausübung des Anwaltsberufes von der unmittelbaren persönlichen Beziehung und dem hierauf beruhenden Vertrauen zwischen Anwalt und Klient geprägt ist" (B1886/92, wie oben, S 8). Allerdings mag es auch Argumente dafür geben, wonach ein Festhalten an der derzeitigen Rechtslage nicht mehr erforderlich ist; der heutige Stand des Verkehrs- und Fernmeldewesens mag es durchaus ermöglichen, den Kontakt zu den Gerichten und den Mandanten in geeigneter Weise sicherzustellen.

Das Vertretungsrecht eines Rechtsanwaltes, welches sich auf alle Gerichte und Behörden der Republik Österreich erstreckt, und die Befugnis zur berufsmäßigen Parteienvertretung in allen gerichtlichen und außergerichtlichen, in allen öffentlichen und privaten Angelegenheiten (§8 Abs1 RAO) einschließt, steht in keinem rechtlichen Zusammenhang damit, wo der Rechtsanwalt (die Rechtsanwaltsgesellschaft) seinen (ihren) Kanzleisitz hat bzw. haben muß.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Rechtsanwälte, Berufsrecht Rechtsanwälte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:B2817.1995

Dokumentnummer

JFR_10039380_95B02817_2_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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