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50 GewerberechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine unsachliche Privilegierung bestimmter Gastgärten durch die in der Gewerbeordnung normierte Betriebszeitengarantie aufgrund flankierender Strafbestimmungen für Übertretung der gesetzlichen Einschränkungen und der Möglichkeit der auch nachträglichen Vorschreibung von Auflagen im Interesse des Nachbarschutzes; kein Verstoß gegen das BVG Umweltschutz mangels Gesundheitsgefährdung der Nachbarn; jedoch Gleichheitsverletzung durch die sachlich nicht gerechtfertigte Erweiterung dieser Regelung für alle bereits bestehenden sonstigen Gastgärten ungeachtet ihrer Lärmimmissionen; keine Verletzung des Vertrauensschutzes aufgrund Schlechterstellung der Gastgewerbetreibenden durch die frühere RechtslageRechtssatz
Keine unsachliche Privilegierung bestimmter Gastgärten (beschränkt auf solche, in denen ausschließlich Speisen und Getränke konsumiert werden) durch die in §148 Abs1 erster Satz GewO 1994 normierte Betriebszeitengarantie (von 8 bis 22 bzw 23 Uhr).
Daß vom Gesetzgeber, wie in der Regierungsvorlage zur Gewerbeordnungsnovelle 1992 (635 BlgNR 18. GP, 95) ausgeführt wird, der "Betrieb von Gastgärten, die sich allgemeiner Beliebtheit erfreuen, ... mit einer Betriebsgarantie in zeitlicher Hinsicht ausgestattet" wurde, in die "nicht durch betriebsanlagenrechtliche Vorschreibungen eingegriffen werden kann", findet seine sachliche Begründung in den besonderen, - restriktiven - Tatbestandsmerkmalen, die er als Voraussetzungen für eine derartige Betriebszeitengarantie anordnete; Voraussetzungen, denen zufolge zumindest bei der vom Standpunkt des Gleichheitssatzes aus zulässigen Durchschnittsbetrachtung ein Zustand geschaffen wird, welcher einer möglicherweise unter entsprechenden Auflagen erteilten betriebsanlagenrechtlichen Genehmigung sonstiger Teile eines Gastgewerbebetriebes, aber vor allem auch eines nicht dem §148 Abs1 erster Satz GewO 1994 unterliegenden Gastgartens gemäß §77 GewO 1994 gleichkommt.
Die Übertretung der gewerberechtlichen Gebote zur Untersagung lärmender Betätigungen sowie zur Anbringung entsprechender Anschläge läßt den Gastgewerbetreibenden nach §368 Z14 GewO 1994 straffällig werden, und diesem droht bei Vernachlässigung seiner Verpflichtungen im Extrem sogar die Entziehung der Gewerbeberechtigung gemäß §87 Abs1 Z3 (uU in Verbindung mit Abs3 und Abs6) GewO 1994 als administrative Maßnahme. Ganz besondere Bedeutung kommt schließlich als Element der tatbestandlichen Begrenzung der Betriebszeitengarantie für Gastgärten deren räumlicher Situierung zu:
Für "Gastgärten, die sich auf öffentlichem Grund befinden oder an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen," durfte der Gesetzgeber bei der ihm obliegenden Durchschnittsbetrachtung mit Fug davon ausgehen, daß der angesichts der Nutzungsbeschränkung des Gastgartens zu erwartende Immissionsstandard die für Betriebsanlagengenehmigungen kraft §77 Abs2 GewO 1994 vorgesehene Zumutbarkeitsgrenze, die sich an den "tatsächlichen örtlichen Verhältnisse(n)" orientiert, im Normalfall nicht überschreitet.
Vorschreibung auch nachträglicher Auflagen möglich (s §77 Abs1, §79 GewO 1994).
Bei der zukünftigen Erlassung von Verordnungen und Bescheiden betr Sperrstunden iSd §152 Abs8 GewO 1994 wird auch §148 Abs1 erster Satz GewO 1994 entsprechend zu beachten sein.
Kein Verstoß der Regelung der Betriebszeiten bestimmter Gastgärten in §148 Abs1 erster Satz GewO 1994 gegen das BVG Umweltschutz.
Die Vorschrift des §148 Abs1 erster Satz GewO 1994 läßt eine Gesundheitsgefährdung der Nachbarn keineswegs zu.
Der Gesetzgeber hat angesichts der Einschränkungen für den Gastgartenbetrieb nach §148 Abs1 erster Satz GewO 1994 einen sinnvollen Ausgleich zwischen den durch das BVG über den umfassenden Umweltschutz verfassungsrechtlich geschützten Interessen des durch die Lärmerregung von Gastgärten beeinträchtigten Personenkreises einerseits mit der ebenfalls verfassungsgesetzlich geschützten Erwerbsfreiheit der Gastgewerbetreibenden und den allgemeinen Interessen der Bevölkerung am Betrieb von Gastgärten andererseits (vgl die oben zitierte Regierungsvorlage) angestrebt.
Aufhebung des §148 Abs1 zweiter Satz GewO 1994 wegen Verletzung des Gleichheitssatzes.
Mag der Gesetzgeber von der Sache her durchaus begründet zwar auf oder an öffentlichen Grund- oder Verkehrsflächen befindlichen oder angrenzenden Gastgärten eine von vornherein allgemein geltende Betriebszeit bis 22 bzw 23 Uhr gestatten, so ist gleichwohl nicht einzusehen, daß Gastgewerbetreibenden, die ihre Gastgärten unter räumlichen Bedingungen betreiben, die nicht von vornherein ein gewisses Maß an Lärmimmissionen zumutbar erscheinen lassen, die gleiche Betriebszeitenregelung zugute kommen soll.
Umgekehrt ist es auch sachlich nicht gerechtfertigt, "neue Gastgärten auf privatem Grund selbst dann von der Begünstigung auszuschließen, wenn die sonstigen Umstände, vor allem die Immissionslage, denen einer Altanlage vergleichbar sind". Die Regelung des §148 Abs1 zweiter Satz GewO 1994 ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes aus Gründen des Gleichheitssatzes zu rechtfertigen, weil durch die Neuregelung das Vertrauen der Gastgewerbetreibenden in die vordem bestandene Rechtslage, die ja für sie schlechter war, von vornherein nicht enttäuscht werden konnte.
Jedenfalls bildet allein die auch "bereits bestehenden sonstigen Gastgärten" auferlegte Beschränkung des Verwendungszwecks - also die bloße Nutzung zur Verabreichung von Speisen und zum Ausschank von Getränken - keinen hinreichenden sachlichen Grund, "alte" im Vergleich zu "neuen" Gastgärten zu bevorzugen, wenn diese dem gleichen eingeschränkten Verwendungszweck dienen: zumal die Betriebszeiten derartiger Gastgärten, die sich nicht auf öffentlichem Grund befinden oder an öffentlichen Verkehrsflächen angrenzen, individuell gemäß §77 GewO 1994 unter Umständen unter Ausschluß der Abendstunden oder möglicherweise - nach Überprüfung der Voraussetzungen gemäß §77 GewO 1994 - ohnedies bis 22 bzw 23 Uhr festgelegt werden können.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Gewerberecht, Gastgewerbe, Gastgärten, Sperrzeiten (Gastgärten), Betriebsanlage, Umweltschutz, Vertrauensschutz, NachbarrechteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1996:G211.1994Dokumentnummer
JFR_10039373_94G00211_01