Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art26Leitsatz
Teilweise Stattgabe der Anfechtung der Nationalratswahl 1995 durch die FPÖ hinsichtlich Rechtswidrigkeiten in den Gemeinden Donnerskirchen (Burgenland) und Reutte (Tirol); Zurückweisung ua der Anträge auf Neuverteilung der Mandate, Anordnung von Neuwahlen und Zuerkennung der Kosten sowie nachträglicher Anträge in ergänzenden Schriftsätzen; im übrigen Abweisung der Anfechtung hinsichtlich der Bewertung verschiedener Stimmzettel als ungültig, hinsichtlich der Stimmabgabe mit Hilfe von Geleitpersonen und in Heimen, der Zulassung zur Wahl, der Zusammensetzung von Wahlbehörden, der Ausstellung von Wahlkarten an Auslandsösterreicher; Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens jedoch durch irrtümliche Verwendung amtlicher Stimmzettel in einem anderen Regionalwahlkreis und durch die Zulassung einer Person zur Wahl an einem Ort, in dessen Wählerverzeichnis sie nicht eingetragen war sowie durch Ungültigerklärung eines Stimmzettels in einem Fall; Einfluß dieser Rechtswidrigkeiten auf das Wahlergebnis zumindest möglich; Aufhebung aller diesbezüglichen ErmittlungsverfahrenRechtssatz
Auf ergänzende Antragsvorbringen ist seitens des Verfassungsgerichtshofes nicht einzugehen, weil er im Wahlanfechtungsverfahren ausschließlich zu prüfen hat, "ob die i n d e r A n f e c h t u n g s e l b s t geltend gemachten Rechtswidrigkeiten zutreffen" (VfSlg. 11256/1987, unter Hinweis auf VfSlg. 9093/1981, 10226/1984 ua.). Dabei geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, daß im Wahlanfechtungsverfahren gemäß Art141 Abs1 B-VG die Anfechtungsbefugnis mit der Einbringung der Anfechtungsschrift verbraucht und deren Erweiterung, u.zw. auch innerhalb der oben bezeichneten Anfechtungsfrist, daher nicht in Betracht kommt (vgl. dazu mit ähnlichem Ergebnis für das Verfahren gemäß Art144 B-VG VfSlg. 11696/1988, 11871/1988 mit Hinweis auf VwGH 26.02.81, 81/08/0020, sowie 26.11.81, 81/16/0201; ferner etwa VfGH 27.02.90, B1278/89, sowie VfGH 23.06.93, B 1348-1350/92).
Die hier vorliegende Anfechtungsschrift entspricht dem §67 Abs1 zweiter Satz VfGG insoferne, als in den - handschriftlich eingefügten - Punkten 2 und 3 der Antragsformel begehrt wird, das Wahlverfahren, soweit von Rechtswidrigkeit betroffen, von der Stimmabgabe an - in eventu: vom ersten Ermittlungsverfahren an -, als nichtig zu erklären. Die zur Begründung dieses Antrages vorgebrachten Behauptungen sind - jedenfalls überwiegend - hinreichend substantiiert, um dem Verfassungsgerichtshof die Prüfung (bestimmter Teile) des Wahlverfahrens zu ermöglichen. Insoferne unterscheidet sich die hier vorliegende Anfechtungsschrift - anders als die Bundeswahlbehörde meint - von jener, über die mit VfSlg. 9650/1983 - zurückweisend - entschieden wurde. Aber auch der Umstand, daß der Antrag - letztlich undifferenziert - auf das gesamte Verfahren der Nationalratswahl abzielt und daher insoferne - ausgehend von den zu seiner Begründung ins Treffen geführten Behauptungen - "überschießend" ist, macht ihn nicht unzulässig. Es liegt vielmehr am Verfassungsgerichtshof, ihn insoweit, als er sich nach entsprechender Prüfung als unbegründet erweist, abzuweisen.
Zurückweisung der Anträge auf Zuerkennung und Aberkennung von Stimmen, auf Anordnung von Neuwahlen, Abänderung der Mandatsverteilung und Zuerkennung von Kosten.
Diese Anträge gehen über den Gegenstand des hier allein in Betracht kommenden Verfahrens gemäß Art141 Abs1 lita B-VG iVm §67 ff VfGG hinaus. Gemäß §27 Abs1 VfGG findet der Ersatz der Kosten nur statt, wenn er in diesem Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Für das Verfahren bei Anfechtung von Wahlen trifft dies jedoch nicht zu.
Einer Wahlanfechtung ist - wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung darlegt - nicht schon dann stattzugeben, wenn die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens erwiesen wurde; sie muß darüber hinaus auch auf das Wahlergebnis von Einfluß gewesen sein (Art141 Abs1 dritter Satz B-VG, §70 Abs1 VfGG): Dazu sprach der Verfassungsgerichtshof wiederholt aus, daß diese (zweite) Voraussetzung bereits erfüllt ist, wenn die Rechtswidrigkeit auf das Wahlergebnis von Einfluß sein konnte (vgl. VfSlg. 6424/1971 und die dort zitierte Vorjudikatur, sowie VfSlg. 7392/1974, 7784/1976, 7850/1976, 8853/1980, 10906/1986, 11167/1986, 11255/1987).
Aufgrund der Berechnung des Gesamtergebnisses der Nationalratswahl vom 17.12.95 ergibt sich, daß die dreiundfünfzigste Teilzahl (also 25.858,43) der auf die ÖVP entfallenden Parteistimmensumme nur ganz geringfügig von der einundvierzigsten Teilzahl (25.857,93) der auf die FPÖ entfallenden Parteistimmensumme differiert. Daraus folgt aber, daß schon geringfügige Veränderungen im Verhältnis der Parteistimmensummen der vorgenannten Parteien zu einer Veränderung der Mandatsverteilung führen können. Die nachfolgende, vom Verfassungsgerichtshof vorzunehmende Prüfung der von den Anfechtungswerberinnen behaupteten Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens hat also jeweils vor dem Hintergrund der Frage zu geschehen, ob diese Rechtswidrigkeiten, soweit sie erwiesen sind, - sei es für sich allein genommen oder in ihrem Zusammenwirken - eine derartige Veränderung des Stimmenverhältnisses dieser beiden Parteien möglich erscheinen lassen.
Teilweise Stattgabe der Anfechtung der Nationalratswahl 1995.
In dem in der Gemeinde Donnerskirchen eingerichteten Wahlsprengel, der zum Regionalwahlkreis 1 A (Burgenland Nord) gehört, wurden 107 Wählern vom Wahlleiter - offenbar irrtümlich - amtliche Stimmzettel übergeben, die für die Stimmabgabe im Regionalwahlkreis 1 B (Burgenland Süd) bestimmt waren. Diese Wähler haben ihre Stimme mittels dieser Stimmzettel abgegeben. Die Wahlbehörde hat diese Stimmzettel - wenn sie nicht aus anderen Gründen ungültig waren - als gültige Stimmen für die jeweilige Partei gewertet, allfällige - auf Regionalbewerber aus dem anderen Regionalwahlkreis lautende - Vorzugsstimmen jedoch unberücksichtigt gelassen.
Für den Verfassungsgerichtshof liegt darin - auf Grund der nachstehenden Erwägungen und unter Zugrundelegung seiner ständigen Rechtsprechung, derzufolge die Wahlbehörden durch die Formalvorschriften der Wahlordnungen streng gebunden sind (VfSlg. 1904/1950, 2157/1951, 5861/1968) - eine Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens (siehe hiezu §68 NRWO 1992 - Übergabe des amtlichen Stimmzettels).
Die Bedeutung, die die NRWO 1992 dem Umstand beimißt, daß ein Wähler keinesfalls den amtlichen Stimmzettel eines anderen Regionalwahlkreises (als den, in dem er wahlberechtigt ist) verwendet, erhellt auch aus §68 Abs1 siebter Satz NRWO 1992.
Die erwiesene Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens konnte im vorliegenden Fall sehr wohl von Einfluß auf das Wahlergebnis gewesen sein: Ein solcher Einfluß ist nämlich schon dann anzunehmen, wenn die Zahl der von dieser Rechtswidrigkeit betroffenen Wähler eine Größe erreicht, die unter Bedachtnahme auf das notwendig unbekannte Wählerverhalten Auswirkungen auf die Mandatsverteilung nicht mehr auszuschließen erlaubt (vgl. VfSlg. 8590/1979).
Es ist dabei auch nicht die Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes,
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notwendigerweise: spekulative - Erwägungen darüber anzustellen, ob es bei Verwendung der - hinsichtlich der zur Wahl stehenden Parteien identischen und nur hinsichtlich der Regionalbewerber differierenden
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richtigen amtlichen Stimmzettel tatsächlich zu einem geänderten Wählerverhalten gekommen wäre. Ferner ist auch zu berücksichtigen, daß es erkennbar im Wesen des bundesverfassungsgesetzlich vorgesehenen Instituts des Regionalwahlkreises liegt, zu einer gewissen "Personalisierung" des Wahlrechts beizutragen, was den wahlwerbenden Parteien insbesondere ermöglichen soll, im Wege der Kandidatur für die Wähler besonders attraktiver Regionalbewerber die Parteienpräferenz der Wähler zu beeinflussen; ein Effekt, der durch das Fehlen des "Stimmensplitting" und die Regelung des §78 Abs2 letzter Tatbestand NRWO 1992 (eine Stimme ist für eine wahlwerbende Partei auch dann gültig, wenn zwar nicht diese, wohl aber mindestens ein Bewerber einer Parteiliste, wozu auch die Regionalparteiliste zählt, bezeichnet ist) noch verstärkt wird.
Ein Wähler, dem - wie im vorliegenden Fall - ein amtlicher Stimmzettel eines anderen Wahlkreises zur Stimmabgabe übergeben wird, hat aber demnach keinen Behelf zur Orientierung über die Namen dieser Wahlwerber zur Verfügung; ihm jedoch noch in der Abgeschiedenheit der Wahlzelle diesen - den Formvorschriften genügenden, die freie Wahlentscheidung erleichternden - Überblick über das volle Spektrum der Wahlwerber zu geben, ist Sinn und Zweck der Vorschrift des §75 Abs1 zweiter Satz NRWO 1992 (in gleichem Sinn VfSlg. 11021/1986).
Wiederholung aller drei Ermittlungsverfahren geboten.
Keine Rechtswidrigkeit der Nationalratswahl 1995 hinsichtlich der Zusammensetzung bestimmter Wahlbehörden; keine Auswirkung der fehlenden Niederschrift über die Hilfestellung für blinde Personen bei der Wahlhandlung auf das Wahlergebnis.
Fälle tatsächlich vorgekommener Stimmabgabe mit Hilfe einer Geleitperson wurden entgegen dem §66 Abs3 zweiter Satz NRWO 1992 nicht in der Niederschrift der Wahlbehörde festgehalten.
Für den Verfassungsgerichtshof liegt darin - unter Zugrundelegung seiner ständigen Rechtsprechung, wonach die Bestimmungen der Wahlordnungen, und zwar insbesondere jene über die formale Gestaltung des Abstimmungsverfahrens, strikte nach ihrem Wortlaut ausgelegt werden müssen (VfSlg. 2157/1951, 5861/1968) - eine Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens.
Behauptung subjektiver Einflußnahme nicht ausreichend substantiiert.
Die FPÖ hätte auf Grund des §15 Abs3 NRWO 1992 die Berufung eines Beisitzers in die besondere Wahlbehörde vorschlagen können. Sie wäre darum kraft geltenden Rechts durchaus in der Lage gewesen, diese Behauptung - und zwar schon in der Anfechtungsschrift und nicht erst während des folgenden Verfahrens (vgl. VfSlg. 10226/1984) - entsprechend zu konkretisieren (vgl. VfSlg. 11255/1987).
Keine rechtswidrige Bewertung von Stimmzetteln als ungültig.
Ein Ausfüllen (des Stimmzettels, wie in der Anfechtung geltend gemacht) zieht - sowohl, weil es offen läßt, für welche Partei sich der Wähler, so er überhaupt gültig wählen wollte, entschieden hat (§81 Abs1 Z7 NRWO 1992), als auch wegen des mehrere Parteien erfassenden Zeichens (§81 Abs1 Z4 NRWO) - die Ungültigkeit des strittigen Stimmzettels nach sich. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn man §78 Abs2 NRWO in die Betrachtung einbezieht.
Keine Rechtswidrigkeiten bei der Stimmenabgabe mit Hilfe von Geleitpersonen.
Es wäre die Sache insbesondere der Beisitzerin (des Ersatzbeisitzers) gewesen, hätten sich die von den Anfechtungswerberinnen behaupteten Fälle von Hilfeleistung bei der Stimmabgabe gebrechlicher Wähler, ohne daß dies dem Wunsch dieser Wähler entsprochen habe, tatsächlich ereignet, darauf zu dringen, dies in der Niederschrift festzuhalten und für den Fall, daß dies verweigert worden wäre, die Unterfertigung der Niederschrift unter Angabe des entsprechenden Grundes zu unterlassen (§85 Abs4 NRWO 1992). Auch wenn in der NRWO 1992 eine ausdrückliche Regelung fehlt, wonach die unterfertigte Niederschrift einen - widerlegbaren - Beweis über den Verlauf und den Gegenstand der Amtshandlung darstelle, hätte es angesichts der auch von den Beisitzern unterfertigten Niederschrift konkreter Anhaltspunkte - und zwar schon in der Anfechtungsschrift - für das Zutreffen der von den Anfechtungswerberinnen nunmehr erhobenen gegenteiligen Behauptung bedurft. Gerade weil der Wahlbehörde auch eine Beisitzerin (ein Ersatzbeisitzer) angehörte, die (der) hiezu auf Vorschlag der FPÖ berufen wurde, wären die Anfechtungswerberinnen dazu durchaus auch in der Lage gewesen (VfSlg. 11255/1987).
Der Verfassungsgerichtshof hält den von den Anfechtungswerberinnen erhobenen Vorwurf, daß sich im vorliegenden Fall gebrechliche Personen die Geleitperson nicht selbst hätten auswählen können, für nicht erwiesen. Der Verfassungsgerichtshof geht weiters davon aus, daß auch in jenen Fällen, in denen der als Leiter der Sprengelwahlbehörde fungierende Heimleiter als Geleitperson tätig wurde, dies dem Wunsch des betreffenden Wählers entsprach. Im übrigen schließt es der Wortlaut des § 66 Abs 1 NRWO 1992 nicht aus, daß sich ein gebrechlicher Wähler ein Mitglied der Wahlbehörde, hier den Wahlleiter, als Geleitperson auswählt.
Gemäß § 84 Abs 5 NRWO 1992 sind die von der Sprengelwahlbehörde nach Abs 4 leg.cit. getroffenen Feststellungen (Gesamtsumme der abgegebenen gültigen und ungültigen Stimmen, Summe der abgegebenen ungültigen Stimmen, Summe der abgegebenen gültigen Stimmen, Parteisummen) sowie die Zahl der von Wahlkartenwählern aus anderen Regionalwahlkreisen abgegebenen Wahlkuverts der Gemeindewahlbehörde bekanntzugeben, wobei auch ausdrücklich anzugeben ist, wenn Stimmen durch Wahlkartenwähler aus anderen Regionalwahlkreisen nicht abgegeben wurden (Sofortmeldung). Eine gesetzliche Regelung, die ausschließt, daß diese Bekanntgabe durch den Wahlleiter alleine ohne Beisein von Zeugen erfolgt, besteht nicht.
Keine Rechtswidrigkeiten bei der Zulassung von Wählern zur Stimmenabgabe.
Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, daß in Fällen, in denen sich bei der Stimmabgabe über die Identität eines Wählers Zweifel ergeben hätten, insbesondere auch dieser Beisitzer verpflichtet gewesen wäre, gegen die Zulassung dieses Wählers zur Stimmabgabe Einsprache zu erheben und eine Entscheidung der Wahlbehörde über die Zulassung dieses Wählers zur Stimmabgabe zu erwirken. Nun wird aber auch von den Anfechtungswerberinnen nicht behauptet, daß dies etwa geschehen, die (Mehrheit der) Wahlbehörde dem aber nicht entsprochen hätte. Der Verfassungsgerichtshof muß daher annehmen, daß die Zulassung der Wähler zur Wahl in jenen Fällen, in denen ihre Identität nicht in der Weise des § 67 Abs 1 NRWO 1992 ersichtlich war, auf Grund des § 67 Abs 3 NRWO 1992 erfolgt ist.
Kein Eingehen auf bestimmte Vorbringen hinsichtlich behaupteter Rechtswidrigkeiten bei der Nationalratswahl 1995 mangels hinreichender Substantiierung; kein Zutreffen der Behauptung mehrmaliger Stimmenabgabe.
Rechtswidrigkeit der Ungültigerklärung eines Stimmzettels in der Gemeinde Kindberg.
Der dem Verfassungsgerichtshof vorliegende Stimmzettel enthält in dem unter der Parteibezeichnung "FPÖ" vorgedruckten Kreis ein (liegendes) Kreuz und in der darunterliegenden Rubrik für die Vorzugsstimme im Landeswahlkreis einen schwer leserlichen Schriftzug. Für den Verfassungsgerichtshof besteht unter Zugrundelegung des § 78 Abs 1 zweiter Satz NRWO 1992 kein Zweifel, daß ein solcher Stimmzettel eine gültige Stimme für die FPÖ bildet.
Die erwiesene Rechtswidrigkeit der Ungültigerklärung schon dieser einen Stimme durch die genannte Sprengelwahlbehörde im dritten Ermittlungsverfahren konnte auf das Wahlergebnis der Nationalratswahl vom 17.12.95 von Einfluß sein.
Der Wahlanfechtung ist in diesem Punkt stattzugeben.
Die Sprengelwahlbehörde und alle übergeordneten Wahlbehörden werden in Bindung an den Spruch über die Aufhebung das Wahlergebnis dahingehend richtigzustellen haben, daß die Parteistimmensumme der FPÖ um eine Stimme erhöht wird.
In zwei Gemeinden wurden in Verletzung des § 68 Abs 2 und § 84 Abs 3 NRWO 1992 Stimmzettel von Wahlkartenwählern aus anderen Regionalwahlkreisen (freilich des gleichen Landeswahlkreises) in die Stimmenzählung im Rahmen der Feststellung des örtlichen Wahlergebnisses einbezogen und dieser Irrtum wurde auch in weiterer Folge von der Bezirkswahlbehörde nicht richtiggestellt (§ 90 Abs 1 NRWO 1992). Der Verfassungsgerichtshof meint aber, daß diese erwiesene Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens auf das Wahlergebnis deshalb ohne Einfluß geblieben ist, weil im Hinblick auf die geringe Anzahl der davon betroffenen Stimmen auszuschließen ist, daß ihre rechtmäßige Einbeziehung in das Ergebnis der davon betroffenen Regionalwahlkreise auf dieser Ebene zu einer Veränderung der Mandatsverteilung zwischen den wahlwerbenden Parteien oder in den Personen der erfolgreichen Regionalbewerber geführt hätte.
Keine rechtswidrige Behinderung an der Ausübung des Wahlrechts hinsichtlich einer nicht in die Wählerevidenz eingetragenen Person; kein Einspruch gegen das Wählerverzeichnis.
Keine Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens durch die mangelnde Überprüfung einer Wahlurne.
Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, daß insbesondere die Beisitzerin der FPÖ, wäre ihrem Wissen nach die Feststellung (bzgl der Wahlurne in der Niederschrift) nicht zutreffend gewesen, die Unterfertigung unter Angabe des entsprechenden Grundes (§ 85 Abs 4 NRWO 1992) unterlassen hätte.
Weiters ergibt sich - auch die Anfechtungswerberinnen haben nichts Gegenteiliges behauptet -, daß die Zahl der der Ergebnisermittlung zugrundegelegten Stimmzettel mit der Zahl der im Abstimmungsverzeichnis eingetragenen Wähler übereinstimmt. Damit ist aber ausgeschlossen, daß es im Zusammenhang mit der von den Anfechtungswerberinnen behaupteten Unterlassung zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist, die auf das Ergebnis der Wahl von Einfluß sein konnten.
Rechtswidrige Stimmenabgabe in Reutte bei der Nationalratswahl 1995.
Im vorliegenden Fall wurde einer Wahlberechtigten die Ausübung des Wahlrechts an einem Ort ermöglicht, in dessen Wählerverzeichnis sie nicht eingetragen war; die Wahlberechtigte war auch nicht im Besitz einer Wahlkarte, die es ihr ermöglicht hätte, ihr Wahlrecht außerhalb des Ortes auszuüben, in dessen Wählerverzeichnis sie eingetragen war.
Es war somit zum einen im Hinblick auf § 37 NRWO 1992 rechtswidrig, Dr. Sonja M. im Wahlsprengel 2 in der zum Regionalwahlkreis 7 D (Oberland) gehörenden Gemeinde Reutte zur Wahl zuzulassen. Zum anderen hat die Wahlbehörde auch die Verletzung des § 68 Abs 1 zweiter und dritter Satz iVm § 75 Abs 1 NRWO 1992 (betreffend die Stimmabgabe mit dem amtlichen Stimmzettel des Regionalwahlkreises bzw. des Landeswahlkreises, in dem der Wähler wahlberechtigt ist) zu verantworten.
Die erwiesene Rechtswidrigkeit der Zulassung der oben Genannten zur Stimmabgabe in einem Wahlsprengel bzw. Regional- und Landeswahlkreis, in dem sie nicht wahlberechtigt war, konnte auf das Wahlergebnis der Nationalratswahl vom 17.12.95 von Einfluß sein.
Wiederholung aller Ermittlungsverfahren geboten.
Keine Rechtswidrigkeiten bei der Überprüfung von Stimmzetteln.
Es wäre die Sache insbesondere auch des auf Vorschlag der FPÖ in die Wahlbehörde berufenen Beisitzers gewesen, für den Fall, daß er tatsächlich daran gehindert gewesen sein sollte, an der Überprüfung der Gültigkeit der Stimmzettel und allfälliger Feststellungen über die Ungültigkeit von Stimmzetteln mitzuwirken, dies gegenüber den anderen Mitgliedern der Wahlbehörde geltend zu machen und gegebenenfalls - unter Angabe des entsprechenden Grundes (vgl. § 85 Abs 4 NRWO 1992) - die Unterfertigung der Niederschrift, vor allem aber die "Bestätigung" der Richtigkeit der erwähnten Tabellen mit gesonderter Unterschrift, zu unterlassen. Der Verfassungsgerichtshof läßt sich dabei davon leiten, daß die Funktion der Beisitzer der Wahlbehörden auch in der - gegenseitigen - Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Wahlverfahrens sowie im Aufzeigen allfälliger Unregelmäßigkeiten besteht (VfSlg. 4882/1964), damit diese nach Möglichkeit überhaupt vermieden oder noch während des Wahlvorganges abgestellt oder korrigiert werden können. Die Anfechtungswerberinnen haben jedoch nicht dargetan, daß die nunmehr behauptete Unregelmäßigkeit in dieser Weise geltend gemacht worden wäre. Die von ihnen behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens kann somit nicht als erwiesen angenommen werden.
Die von der Wählergruppe behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens in der Wahlanfechtungsschrift muß hinreichend substantiiert sein (vgl. VfSlg. 10226/1984, 11255/1987). Diese Voraussetzung trifft auf das vage und allgemein gehaltene Vorbringen, "tausende Auslandsösterreicher hätten nicht wählen können, weil Wahlkarten entweder gar nicht oder zu spät eingetroffen seien", nicht zu.
Es war hingegen rechtswidrig, daß es das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten unterlassen hat, dem - im Hinblick auf § 39 Abs 1 NRWO 1992 (arg.:"... bis spätestens am dritten Tag vor dem Wahltag ...") - rechtzeitig gestellten Antrag auf Ausfolgung der Wahlkarte durch Weiterleitung an das österreichische Generalkonsulat in New York zu entsprechen. Diese Rechtswidrigkeit konnte jedoch nicht von Einfluß auf das Ergebnis der Nationalratswahl vom 17.12.95 sein. Ein Wähler, der den Antrag auf Ausstellung und Ausfolgung einer Wahlkarte erst zu einem derart späten Zeitpunkt stellt, hat im Hinblick auf die unvermeidliche Dauer des Postweges, insbesondere bei der Ausfolgung einer Wahlkarte im Ausland, dieses Risiko auf sich zu nehmen.
Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden. Dies im Hinblick darauf, daß die Bundeswahlbehörde ihre Auffassung in der Gegenschrift, auf die die Anfechtungswerberinnen nicht mehr repliziert haben, umfassend dargelegt hat und sich die übrigen Wählergruppen (Parteien), die an der Bewerbung zu der angefochtenen Wahl teilgenommen haben, zur Anfechtungsschrift nicht geäußert haben und somit die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ.
Entscheidungstexte
Schlagworte
VfGH / Antrag, VfGH / Verfahren, Auslegung eines Antrages, VfGH / Kosten, VfGH / Sachentscheidung Wirkung, Stimmzettel amtlicher, Wahlen, Stimmenabgabe, Wahlbehörden, Wahlergebnis, Nationalrat, Behördenzusammensetzung, Wahlrecht aktives, VfGH / Sachentscheidung Allg, VfGH / Wahlanfechtung, Auslandsösterreicher, Wählerevidenz, Wahlurne, Wahlkarten, Ermittlungsverfahren (Wahlen)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1996:WI2.1996Dokumentnummer
JFR_10039372_96W00I02_01