RS Vfgh 1996/9/26 G12/95

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Veröffentlicht am 26.09.1996
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Index

L3 Finanzrecht
L3707 Zapfsäulenabgabe

Norm

B-VG Art10 - Art15
B-VG Art10 Abs1 Z12
B-VG Art10 Abs1 Z8
B-VG Art13
Sbg ZapfsäulenabgabeG §1

Leitsatz

Keine Überschreitung der dem Abgabengesetzgeber gezogenen Grenze durch das Sbg ZapfsäulenabgabeG; fiskalische Bedeutung der Abgabe trotz umweltpolitischer und wirtschaftslenkender Zielsetzung im Vordergrund; kein wirtschaftlicher Zwang zur Umrüstung der Tankstellen auf Gaspendelleitungen aufgrund der erheblichen Kosten der Um- und Nachrüstungen

Rechtssatz

Die bundesstaatliche Zuständigkeitsverteilung richtet sich regelmäßig nicht nach dem Zweck einer Regelung, sondern nach ihrem Gegenstand und Inhalt (VfSlg. 10403/1985 und die dort genannte Vorjudikatur). An der Einordnung einer Geldleistungsverpflichtung als Abgabe ändert daher auch der Umstand nichts, daß der Gesetzgeber neben fiskalischen Zwecken auch andere Zwecke verfolgt (vgl. VfSlg. 4466/1963, 8457/1978, 9750/1983, 10403/1985 u.a.).

Entscheidend für die kompetenzrechtliche Zuordnung einer Regelung ist, ob sich die Norm - systematisch gesehen - als integrierender Teil der abgabenrechtlichen Regelung erweist oder "ob sie dem betreffenden Sachbereich wesentlich näher steht und nur rechtstechnisch in das Kleid einer Abgabennorm geschlüpft ist" (Ruppe, aaO, 87).

Ein Mißbrauch der Abgabenform liegt dann vor, wenn die Abgabe zufolge ihrer besonderen Ausgestaltung so umfassend in eine fremde Materie hineinwirkt, daß sie - ungeachtet ihrer Konzepierung als Abgabe - zugleich auch als Regelung dieser (fremden) Materie selbst gewertet werden muß. Die Kompetenz zur Erlassung eines Abgabengesetzes darf nicht dazu verwendet werden, die Kompetenzverteilung zu unterlaufen und Regelungen in Angelegenheiten zu treffen, die einem anderen Gesetzgeber vorbehalten sind (s. Ruppe, aO 81f, VfSlg. 10403/1985).

Keine Verfassungswidrigkeit des §1 Sbg ZapfsäulenabgabeG, LGBl. 51/1992; keine Überschreitung der dem Abgabengesetzgeber gezogenen Grenze.

Aus der Einhebung der Zapfsäulenabgabe fließt dem Haushalt des Landes ein Ertrag zu, der jedenfalls die Maßnahme als Abgabe im Sinne der Finanzverfassung qualifiziert.

Die in Prüfung gezogene Vorschrift verfolgt auch ein umweltpolitisches Ziel. Der damit erzielte Effekt ist aber nicht einer Regelung der Materie gleichzuhalten. Das Verfahren hat nämlich gezeigt, daß je nach dem Typ der Zapfsäule und deren technischem Standard unter Berücksichtigung der konkreten Gegebenheiten für die Nachrüstung mit Gaspendelleitungen erheblich unterschiedliche Kosten anfallen können.

Ob und inwieweit tatsächlich Um- und Nachrüstungen vorgenommen werden, hängt von verschiedenen Umständen ab. Es ist dem Gesetzgeber zuzugestehen, daß nicht von vornherein klar war, in welchem Umfang und in welchem Zeitpunkt Steuerpflichtige Maßnahmen zur Vermeidung der Abgabe ergreifen würden. Tatsächlich kam der Abgabe, wie aus den zugeflossenen bzw. vorgeschriebenen Beträgen ersichtlich ist, eine gewisse fiskalische Bedeutung zu.

Geht man nun von einer Durchschnittsbetrachtung aus, so handelt es sich beim Sbg ZapfsäulenabgabeG noch nicht um eine wirtschaftslenkende Regelung im eigentlichen Sinn. Die Regelung ist nämlich nicht von einer solchen Intensität, daß sie den Steuerpflichtigen wirtschaftlich zu einem bestimmten Verhalten geradezu zwingt, sohin eine Wirkung entfaltet, wie sie einem hoheitlichen Gebot oder Verbot entspricht und auf diese Weise im Umweg über ein Abgabengesetz die Regelung der Materie selbst bewirkt.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Kompetenz Bund - Länder, Finanzverfassung, Abgabenwesen, Umweltabgaben, Umweltschutz, Wirtschaftslenkung, Abgaben Landes-, Abgaben Umwelt-

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:G12.1995

Dokumentnummer

JFR_10039074_95G00012_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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