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60 ArbeitsrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / PräjudizialitätLeitsatz
Zurückweisung von Anträgen auf Aufhebung der die Schlichtungsstellen betreffenden Bestimmungen des Arbeitsverfassungsgesetzes; keine Präjudizialität der die Errichtung der Schlichtungsstellen regelnden Bestimmungen bei Überprüfung von Bescheiden der Schlichtungsstellen; unzureichende Bezeichnung der zur Aufhebung beantragten Normen; Erfordernis der genauen Bezeichnung einer angefochtenen Gesetzesstelle in einem Gerichtsantrag trotz legistischer Praxis der in Sammelgesetzen enthaltenen GesetzesänderungenRechtssatz
Zurückweisung der Anträge auf Aufhebung des §97 Abs2, §109 Abs3 dritter und vierter Satz und §144, §145, §146 ArbVG.
Keine Anwendung von §144 und §145 ArbVG durch den Verwaltungsgerichtshof.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in den bei ihm anhängigen Verfahren Bescheide von Schlichtungsstellen zu überprüfen, die ihrerseits nach §144 und §145 ArbVG errichtet wurden. Diese die Einrichtung der Schlichtungsstellen betreffenden Bestimmungen regeln aber nicht das Verhalten der Schlichtungsstellen selbst, sondern deren Bestellung; sie sind daher vom Präsidenten des in §144 ArbVG näher bestimmten Gerichtshofes bei der - im Rahmen der Justizverwaltung (vgl. Mayer, ZAS 1979, 154 f.; Tomandl, Arbeitsrecht I2, 24) bescheidmäßig (VfSlg. 13.092/1992) vorzunehmenden - Errichtung der Schlichtungsstellen, nicht jedoch von diesen selbst im Verfahren zur Entscheidung über Streitigkeiten über den Abschluß, die Abänderung oder Aufhebung einer Betriebsvereinbarung anzuwenden und wurden in den dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren zugrunde liegenden Verwaltungsverfahren auch nicht angewendet.
Da eine isolierte Aufhebung des §146 ArbVG (der in der vom Verwaltungsgerichtshof genannten Fassung des BGBl. 563/1986 in Geltung steht), nicht in Frage kommt - die Bestimmung wurde vom Verwaltungsgerichtshof offenkundig nur ihres Zusammenhangs mit den anderen angefochtenen Bestimmungen willen angefochten, da eigene, gegen §146 leg.cit. gerichtete Bedenken nicht vorgebracht wurden -, waren die Anträge insgesamt zurückzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof begehrt die Aufhebung des §97 Abs2 (sowie des §146) des ArbVG "in der Fassung Nr. BGBl. 563/1986, 282/1990 und 411/1990".
§97 Abs2 ArbVG erhielt aber seine (zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung und auch heute noch geltende) Fassung durch keine der genannten Novellen, sondern durch ArtVI litb Nachtschicht-SchwerarbeitsG, BGBl. 354/1981. Die vom Verwaltungsgerichtshof als letzte genannte Novelle BGBl. 411/1990 ist auch nicht die letzte vor Erlassung der beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheide.
Auch die angefochtenen Sätze 3 und 4 des §109 Abs3 ArbVG sind im Antrag nicht in einer §62 Abs1 VfGG entsprechenden Weise bezeichnet: Der Verwaltungsgerichtshof beantragt, "auch den dritten und vierten Satz des §109 Abs3" ArbVG "in der Fassung BGBl. Nr. 460/1993" aufzuheben. In der Fassung dieser Novelle hatte der genannte Absatz aber überhaupt nur drei Sätze. Ein Satz, der in diesen Absatz nach dem ersten Satz eingefügt wurde und die (damaligen) Sätze 2 und 3 zum dritten und vierten Satz werden ließ, wurde erst durch ArtII Z2 der Beschäftigungssicherungsnovelle 1993, BGBl. 502/1993, eingefügt.
Es ist zwar angesichts der legistischen Praxis der häufigen und oft in Sammelgesetzen enthaltenen Gesetzesänderungen zweifellos schwierig herauszufinden, welche Fassung eines Gesetzes zu einem bestimmten Stichtag gegolten hat; dieser Umstand vermag aber nicht davon zu dispensieren, daß die angefochtene Gesetzesstelle in einem Gerichtsantrag genau zu bezeichnen ist (vgl. zB VfSlg. 11.888/1988, VfGH 2.3.1995, G279/94). Es wäre dem Verfassungsgerichtshof bei einer meritorischen Erledigung im Sinne der vorgebrachten Bedenken nicht möglich, die Gesetzesbestimmungen in der zum maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung aufzuheben bzw. festzustellen, daß sie verfassungswidrig waren. Denn in der Fassung, die der Verwaltungsgerichtshof in seinen Anträgen nennt, haben sie zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht gegolten, andererseits ist es aber dem Verfassungsgerichtshof infolge seiner Bindung an einen Aufhebungsantrag verwehrt, eine Gesetzesvorschrift in einer Fassung aufzuheben, für die die Aufhebung nicht beantragt ist.
Entscheidungstexte
Schlagworte
VfGH / Präjudizialität, Arbeitsverfassung, Schlichtungsstelle, VfGH / Prüfungsgegenstand, VfGH / Formerfordernisse, Novellierung, GesetzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1996:G66.1995Dokumentnummer
JFR_10038992_95G00066_01