RS Vfgh 1996/10/8 G93/96, G94/96, G95/96, G96/96, G97/96, G98/96, G99/96, G100/96, G230/96, G231/96,

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Veröffentlicht am 08.10.1996
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91 Post-und Fernmeldewesen
91/01 Fernmeldewesen

Norm

StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
EMRK Art10
Richtlinie des Rates vom 03.10.89. 89/552 / EWG. Fernsehrichtlinie
RundfunkV §24b

Leitsatz

Aufhebung des durch die Nichterlassung einer Neuregelung nach der Aufhebung des Verbots aktiven Kabelrundfunks durch den Verfassungsgerichtshof bewirkten absoluten Werbeverbots im Kabel-TV wegen Verletzung der Meinungsäußerungsfreiheit und der Erwerbsausübungsfreiheit; keine Verhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffs nach Ablauf der vom Verfassungsgerichtshof gesetzten Frist; Anpassungspflicht des nationalen Gesetzgebers an die Fernsehrichtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften

Rechtssatz

Die angefochtene Bestimmung des §24b Abs2 RundfunkV, die den zum Betrieb von Kabelrundfunk Berechtigten kommerzielle Werbung jeder Art absolut verbietet, greift in die verfassungsgesetzlich gewährleistete Meinungsäußerungsfreiheit (Art10 EMRK), deren Schutzbereich auch die kommerzielle Werbung umfaßt (vgl. die mit VfSlg 10948/1986 beginnende ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes), und als Verbot bestimmter erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit auch in die verfassungsgesetzlich gewährleistete Erwerbsausübungsfreiheit (Art6 StGG) ein.

Das umfassende Werbeverbot des §24b Abs2 RundfunkV gibt während der Übergangsfrist dem Gesetzgeber die Möglichkeit, Regelungen über die zeitliche und inhaltliche Beschränkung zulässiger Werbung in einer der Veranstaltung von Kabelrundfunk adäquaten Form zu erlassen. Daß derartige Regelungen an sich verfassungsrechtlich zulässig sind, kann angesichts des Art10 Abs2 EMRK ebensowenig zweifelhaft sein, wie der Umstand, daß solche Regelungen wegen Art10 ff der Richtlinie des Rates (der Europäischen Gemeinschaften) vom 03.10.89, 89/552/EWG, gemeinschaftsrechtlich erforderlich sind. Eine spezifische Ausgestaltung der Schranken für die zulässige Werbung durch Kabelrundfunkunternehmungen ist - im Rahmen der verfassungsgesetzlichen und gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben - eine zulässige rechtspolitische Option des Gesetzgebers.

§24b Abs2 der - gemäß ArtI Abs1 Z7 des Bundesgesetzes BGBl 267/1972 als Bundesgesetz geltenden - RundfunkV, BGBl 333/1965 idF BGBl 507/1993 und BGBl 701/1995, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Das durch die Aufhebung (siehe E v 27.09.95, G 1256-1264/95) der die Betreiber von Kabelrundfunkanlagen beschränkenden Regelungen bewirkte (angesichts der Fristsetzung bis 31.07.96 bloß für die Anlaßfälle und seit dem 01.08.96 generell bedeutsame) absolute Werbeverbot für Kabelrundfunk in der Übergangszeit ist bis zum Ablauf der vom Verfassungsgerichtshof gesetzten Frist für das Wirksamwerden der Aufhebung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das absolute Werbeverbot stellt jedoch eine äußerst gravierende Beeinträchtigung der Meinungsäußerungsfreiheit und der Erwerbsausübungsfreiheit dar und die Aufrechterhaltung dieser konventionswidrigen Situation ginge zu Lasten der Grundrechtsträger und kann zu einer Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte führen. Zum anderen war die für den österreichischen Gesetzgeber bestehende Anpassungspflicht an die schon erwähnte Fernsehrichtlinie 89/552/EWG zu bedenken.

Das von der Bundesregierung herausgestellte rechtspolitische Bedürfnis und die gemeinschaftsrechtliche Notwendigkeit, eine entsprechende Regelung und Begrenzung der im Kabelrundfunk zulässigen Werbung zu schaffen, ließ das umfassende Werbeverbot bis zum Wirksamwerden der Aufhebung der den aktiven Kabelrundfunk in einer über die Veranstaltung von Kabeltextdarbietungen hinausgehenden Weise untersagenden Regelung als verhältnismäßig erscheinen, konnte es aber darüber hinaus nicht rechtfertigen.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Rundfunk, Werbung, Erwerbsausübungsfreiheit, Meinungsäußerungsfreiheit, Rundfunk, Kabelrundfunk, EU-Recht Richtlinie, Übergangsbestimmung, Anpassungspflicht (des Normgebers)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:G93.1996

Dokumentnummer

JFR_10038992_96G00093_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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