RS Vwgh 1997/12/18 97/16/0083

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Veröffentlicht am 18.12.1997
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §198;
FinStrG §114 Abs1;
FinStrG §115;
FinStrG §165 Abs1 litd;
FinStrG §6 Abs2;
MRK Art6 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/16/0084

Rechtssatz

Art 6 Abs 2 MRK bzw § 6 Abs 2 FinStrG schließen aus, daß die Frage nach der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes mit einem bloßen Verweis auf einen in Rechtskraft erwachsenen Abgabenbescheid beantwortet wird (Hinweis E 4.9.1986, 86/16/0108; E 15.12.1987, 87/14/0134). Dazu kommt, daß aus § 115 FinStrG folgt, daß die Abgabenstrafbehörden verpflichtet sind, die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes und die rechtliche Beurteilung, ob und in welchem Ausmaß eine Abgabe verkürzt wurde, nicht nur in bezug auf die subjektive, sondern auch auf die objektive Tatseite in Wahrung der Grundsätze der Amtswegigkeit des Verfahrens und der materiellen Wahrheit ohne jede Einschränkung eigenständig vorzunehmen (Hinweis E VS 5.12.1983, 1055/79, VwSlg 5836 F/1983; E 10.1.1985, 83/16/0179; E 19.2.1987, 85/16/0055). Ist somit die Finanzstrafbehörde an den Bescheid betreffend die Vorschreibung einer Abgabe nicht gebunden, so ist sie auch nicht daran gebunden, daß die Abgabenbehörde in welchem Verfahren auch immer eine rechtswirksame Feststellung darüber, daß eine Abgabe nicht oder nicht in bestimmter Höhe vorgeschrieben wird, getroffen hat. Diese Auffassung wird über § 115 FinStrG hinaus dadurch bestärkt, daß einerseits vielfältige Begehungsformen von Finanzvergehen denkbar sind, bei denen es zu einer Vorschreibung der beeinträchtigten Abgabe an den Abgabepflichtigen gar nicht kommen kann. Andererseits wird auch bei Versuchshandlungen vielfach die Höhe der durch die Ausführungshandlung versuchten Abgabenverkürzung unabhängig von einem Abgabenverfahren durch die Finanzstrafbehörde eigenständig festzustellen sein. Auch § 165 Abs 1 lit d FinStrG steht einer Beurteilung, daß die Finanzstrafbehörde an die Feststellungen der Abgabenbehörde nicht gebunden ist, nicht entgegen: Diese Bestimmung ist auch bei Verneinung einer solchen Bindungswirkung durchaus sinnvoll, ist doch insb bei Abgaben, die nach einem linearen Steuersatz oder auf Grund besonders komplexer Sachverhalte bemessen werden, eine nachträgliche Veränderung des strafbestimmenden Wertbetrages ohne jeden Bezug zur Tathandlung vorstellbar, was aber eine neue Beurteilung dieser Tathandlung erforderlich macht.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997160083.X02

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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