TE Vfgh Beschluss 2005/2/28 B74/04

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Veröffentlicht am 28.02.2005
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Index

L1 Gemeinderecht
L1000 Gemeindeordnung

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
Stmk GdO 1967 §43, §44, §45, §47
VfGG §18

Leitsatz

Zurückweisung der Beschwerde einer Gemeinde betreffend ein Elektrizitätswerk mangels innerhalb der Beschwerdefrist gefassten Beschlusses des nach der Steiermärkischen Gemeindeordnung hiefür zuständigen Gemeinderates

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde richtet sich gegen einen Bescheid, der der beschwerdeführenden Gemeinde am 28. November 2003 zugestellt wurde (daher ist der letzte Tag der Beschwerdefrist der 9. Jänner 2004) und das - keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzende - gemeindeeigene Elektrizitätsversorgungsunternehmen betrifft. Die Beschwerde ist mit 8. Jänner 2004 datiert und wurde dem Verfassungsgerichtshof am 9. Jänner 2004 übergeben.

Der Beschwerde beigelegt ist ein Auszug aus dem Protokoll der Gemeindevorstandssitzung am 23. Dezember 2003 mit insbesondere folgendem Inhalt:

"Beim Verfassungsgerichtshof [soll] eine Beschwerde gegen [den angefochtenen Bescheid] eingebracht werden. Zwar wurde vom Bürgermeister eine Generalvollmacht zur Einbringung der Beschwerde ausgestellt, aus formalen Gründen ist jedoch ein Gemeinderats- bzw. Gemeindevorstandsbeschluss erforderlich. Da bis 7.1.2004 - die Fallfrist für die Beschlussfassung - eine Gemeinderatssitzung wegen der vielen Urlaube nicht möglich ist, sollte die Bevollmächtigung an [den Rechtsvertreter der beschwerdeführenden Gemeinde] mittels Gemeindevorstandsbeschluss erfolgen.

Über Antrag des Bürgermeisters wird einstimmig beschlossen, [den Rechtsvertreter der beschwerdeführenden Gemeinde] mit der Einbringung der Verfassungsgerichtshofbeschwerde [...] zu bevollmächtigen."

3. Die §§43-45 und 47 Stmk. Gemeindeordnung 1967, LGBl. Nr. 115/1967 idF. LGBl. 57/2002 (in der Folge: Stmk. GemO), lauten auszugsweise:

"§43

Wirkungskreis des Gemeinderates

(1) Dem Gemeinderat obliegt die Beschlußfassung über alle zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde gehörigen Angelegenheiten, soweit diese nicht gesetzlich ausdrücklich anderen Organen der Gemeinde vorbehalten sind.

(2) Der Gemeinderat kann, sofern dies im Interesse der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis gelegen ist, das ihm zustehende Beschlußrecht in nachstehenden Angelegenheiten durch Verordnung dem Gemeindevorstand übertragen:

a) [...]

d) das Einschreiten bei Gerichten und Verwaltungsbehörden, sofern dies nicht zur laufenden Verwaltung (§45 Abs2 litc) gehört, die Bestellung von Rechtsvertretern sowie Stellungnahmen im Anhörungsverfahren in bestimmten Angelegenheiten;

e) [...]

§44

Wirkungskreis des Gemeindevorstandes

(1) Dem Gemeindevorstand obliegt:

a) [...]

e) die Verwaltung der öffentlichen Einrichtungen und wirtschaftlichen Unternehmungen der Gemeinde, ausgenommen die laufende Verwaltung (§45 Abs2 litc);

f) [...]

§45

Wirkungskreis des Bürgermeisters

(1) Der Bürgermeister vertritt die Gemeinde nach außen. [...]

(2) Dem Bürgermeister obliegen:

a) [...]

c) die laufende Verwaltung, insbesondere hinsichtlich des Gemeindeeigentums;

d) [...]

§47

Befugnisse des Bürgermeisters bei Gefahr im Verzug und Notstand

(1) Bei Gefahr im Verzug, insbesondere zum Schutz der Sicherheit von Personen oder des Eigentums, ist der Bürgermeister berechtigt, einstweilige unaufschiebbare Verfügungen zu treffen. Er hat hievon unverzüglich dem zuständigen Kollegialorgan zu berichten.

(2) [...]"

4. Schon in seinem Beschluss VfSlg. 14.727/1997 hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, die (in den zitierten Bestimmungen bis heute unverändert gebliebene) Stmk. GemO behalte die Erhebung einer Beschwerde nach Art144 Abs1 B-VG gegen den dort angefochtenen Bescheid dem Gemeinderat vor. Für eine Beschwerde gegen den hier angefochtenen Bescheid gilt im Ergebnis nichts anderes, auch wenn er im Zusammenhang mit dem - keine selbständige Rechtsperson darstellenden - Elektrizitätsversorgungsunternehmen der Gemeinde ergangen ist. Denn gemäß §43 Abs2 litd Stmk. GemO steht das Beschlussrecht über "das Einschreiten bei Gerichten und Verwaltungsbehörden, sofern dies nicht zur laufenden Verwaltung (§45 Abs2 litc) gehört" und "die Bestellung von Rechtsvertretern [...] in bestimmten Angelegenheiten" dem Gemeinderat zu, wenn es bzw. sie nicht durch Verordnung dem Gemeindevorstand übertragen wurde, was hier nicht geschehen ist. Das Einschreiten beim Verfassungsgerichtshof kann im vorliegenden Fall schon deshalb nicht als "laufende Verwaltung (§45 Abs2 litc)" dem Bürgermeister obliegen, weil hier für die Beschwerdeerhebung gleichzeitig ein Rechtsvertreter in einer bestimmten Angelegenheit bestellt wurde; auf diesen Tatbestand des §43 Abs2 litd Stmk. GemO bezieht sich der einschränkende Hinweis auf die "laufende Verwaltung (§45 Abs2 litc)" dem eindeutigen Wortlaut nach nicht. Auch für eine Subsumierung unter §44 Abs1 lite ("Verwaltung der öffentlichen Einrichtungen und wirtschaftlichen Unternehmungen der Gemeinde, ausgenommen die laufende Verwaltung [§45 Abs2 litc]") und damit die Annahme der Zuständigkeit des Gemeindevorstandes ist kein Raum, da §43 Abs2 litd Stmk. GemO die speziellere Regel für Fragen des Einschreitens der Gemeinde bei Gerichten und der Bestellung eines Rechtsvertreters zu diesem Zweck ist (vgl. die Beschlüsse des VfGH vom 8. Juni 2004, B608/03, B70/04 und B72/04).

Auch aus den Befugnissen des Bürgermeisters bei Gefahr im Verzug und Notstand gemäß §47 Stmk. GemO im Zusammenhang mit dem Vorbringen der beschwerdeführenden Gemeinde, der Bürgermeister habe eine "Generalvollmacht zur Einbringung der Beschwerde" erteilt, ist für die beschwerdeführende Gemeinde nichts zu gewinnen: Gemäß §47 Abs1 Stmk. GemO ist zwar der Bürgermeister bei Gefahr im Verzug, insbesondere zum Schutz der Sicherheit von Personen oder des Eigentums, berechtigt, einstweilige unaufschiebbare Verfügungen zu treffen. Aus dem vorliegenden Sachverhalt lässt sich jedoch nicht erkennen, dass Gründe vorgelegen seien, die den Bürgermeister ermächtigt hätten, hinsichtlich der Beschwerdeerhebung beim Verfassungsgerichtshof eine Notanordnung im Sinne des §47 Abs1 Stmk. GemO zu treffen; insbesondere ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen zwischen dem Tag der Zustellung des Bescheides und dem letzten Tag der Beschwerdefrist die Möglichkeit der Einberufung einer Sitzung des Gemeinderates nicht bestanden hätte (vgl. VfSlg. 14.727/1997 mwN). Wie der Verfassungsgerichtshof bereits hinsichtlich mehrerer Länder festgestellt hat, bieten die gesetzlichen Regelungen der Einberufung von Sitzungen des Gemeinderates - auch in Zeiten vermehrter Feiertage oder Krankheitsfälle -, im Regelfall Vorsorge für eine ausreichend rasche Einberufung des Gemeinderates (vgl. VfSlg. 14.574/1996 mwN). Die hier ins Treffen geführten "vielen Urlaube" stellen vor diesem Hintergrund keine besonderen Umstände dar, die die rechtzeitige Einberufung verhindert hätten.

5. Da somit der Beschwerde kein innerhalb der Beschwerdefrist gefasster Beschluss des hiefür zuständigen Gemeinderates zugrunde liegt und die Voraussetzungen für eine Beschwerdeerhebung in Form einer Notanordnung seitens des Bürgermeisters nicht gegeben waren, war die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen (vgl. VfSlg. 14.727/1999 mwN).

6. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Energierecht, Elektrizitätswesen, Gemeinderecht, Gemeindevorstand, Bürgermeister, Vertretung nach außen, VfGH / Legitimation, VfGH / Mängelbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:B74.2004

Dokumentnummer

JFT_09949772_04B00074_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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