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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art140 Abs1 / AllgLeitsatz
Verletzung der Liegenschaftserwerbsfreiheit durch die überschießende Regelung der Genehmigungspflicht von Rechtserwerben an unbebauten Baugrundstücken zum Zwecke des Wohnbaus in Vorarlberg; Unzulässigkeit des alleinigen Abstellens auf den Wohnraumbedarf bei der Prognoseentscheidung über die künftige Nutzung des GrundstücksRechtssatz
Zulässigkeit des Verfahrens zur Prüfung einiger Wortfolgen in §8 Abs3 lita Vlbg GVG 1993.
Obgleich es in den Anlaßfällen durchwegs um Rechtserwerbe zum Zweck des Wohnbaus geht, wird die Prüfung nicht auf die Wendung "zum Zwecke des Wohnbaus" in §8 Abs3 lita Vlbg GVG 1993 beschränkt, weil die allfällige Aufhebung bloß dieser Wortfolge bewirken würde, daß Rechtserwerbe an unbebauten Baugrundstücken zum Zwecke des Wohnbaus überhaupt nicht genehmigt werden dürften; dies würde eine größere Änderung des Inhaltes des Gesetzes herbeiführen als die Aufhebung der gesamten lita (vgl. zum Aufhebungsumfang z.B. VfSlg. 12.465/1990 (S 127 f.), 13.915/1994 und die jeweils zitierte Vorjudikatur).
Im §8 Abs3 Vlbg GVG 1993, LGBl. Nr. 61/1993, werden nachstehende Wortfolgen als verfassungswidrig aufgehoben: "a) sie zum Zwecke des Wohnbaus, für industrielle und gewerbliche Anlagen sowie zur Erfüllung öffentlicher, gemeinnütziger oder kultureller Aufgaben benötigt werden und b)" sowie "Die Voraussetzungen der lita sind auch als erfüllt anzusehen, wenn der Rechtserwerb zur Vorsorge für die Erweiterung eines bestehenden Betriebes dient."
Dem §8 Abs3 lita Vlbg GVG 1993 zufolge hat die Grundverkehrsbehörde zu prognostizieren, ob das Grundstück insbesondere für Zwecke des Wohnbaus benötigt wird.
Das Gesetz zielt offenbar - verfassungsrechtlich unbedenklich - darauf ab zu verhindern, daß ein raumordnungspolitisch unerwünschter Zustand (nämlich eine dem rechtskräftigen Flächenwidmungsplan dadurch widersprechende Nutzung, daß ein als Baufläche gewidmetes Grundstück unverbaut ist) perpetuiert wird.
Die in Prüfung gezogene Bestimmung ist insofern überschießend, als sie allein darauf abstellt, ob nach dem zu schaffenden Wohnraum tatsächlich Bedarf besteht und damit eine Art Wohnraumbewirtschaftung vornimmt. Wenn das Gesetz durch die Verwendung des Ausdrucks "benötigt werden" das Vorliegen eines tatsächlichen Bedarfes als Genehmigungsvoraussetzung normiert, so müßte dieser Begriff näher determiniert werden und dürfte das Kriterium des Bedarfes nur eines von mehreren denkbaren Indizien für die Prognose sein, daß auf dem unbebauten Baugrundstück demnächst ein Wohnbau errichtet werden wird.
Die in Rede stehenden Bestimmungen sind überschießend und damit unverhältnismäßig. Diese Vorschriften sind sohin wegen Widerspruches zu Art6 StGG als verfassungswidrig aufzuheben.
Eine förmliche Einbeziehung der erst kürzlich eingelangten, zu G321/96 und G357/96 protokollierten Anträge des UVS in die anderen Gesetzesprüfungsverfahren war im Hinblick auf das fortgeschrittene Prozeßgeschehen nicht mehr möglich.
Ausdehnung der Anlaßfallwirkung auf die diesen Anträgen zugrundeliegenden Verfahren beim UVS.
Der Verfassungsgerichtshof sah keine Veranlassung, die nach dem letzten Satz dieser Verfassungsnorm längste zulässige Frist (18 Monate) zu bestimmen (wie dies die Vorarlberger Landesregierung beantragt), weil keine besonderen Umstände vorliegen, die ein Abgehen von der üblichen Frist von einem Jahr rechtfertigen würden.
(Anlaßfälle: E v 10.12.96, B2665/94 ua - Aufhebung der angefochtenen Bescheide).
Entscheidungstexte
Schlagworte
VfGH / Prüfungsumfang, Liegenschaftserwerbsfreiheit, Grundverkehrsrecht, VfGH / Verfahren, VfGH / Anlaßverfahren, VfGH / FristsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1996:G164.1996Dokumentnummer
JFR_10038790_96G00164_01