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27 RechtspflegeNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Einstellung des Verfahrens zur Prüfung der Regelung der Beigabe eines Amtsverteidigers im Strafprozeß mangels Präjudizialität; Verstoß der Regelung über die Beigebung eines Rechtsanwalts aufgrund eines Gerichtsbeschlusses in der RAO gegen den Gleichheitssatz aufgrund des einseitigen Kostenrisikos des Amtsverteidigers; Belastung mit dem Risiko der Uneinbringlichkeit der Verfahrenskosten kein vernachlässigbarer Härtefall; keine sachliche Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung von Verfahrenshilfe- und AmtsverteidigernRechtssatz
Einstellung des von Amts wegen eingeleiteten Verfahrens zur Prüfung des §41 Abs3 StPO zweiter Satz mangels Präjudizialität.
Dem aufgrund des §41 Abs3 StPO ergehenden Beschluß, wonach einem Beschuldigten ein Amtsverteidiger beigegeben wird, kommt für das vor dem Ausschuß der Rechtsanwaltskammer zu führende Bestellungsverfahren Tatbestandswirkung zu und es ist dem Ausschuß der Rechtsanwaltskammer verwehrt, in diesem Verfahren das Vorliegen der Voraussetzungen für die Beigebung eines Amtsverteidigers selbständig zu beurteilen oder zu überprüfen. Der zweite Satz des §41 Abs3 StPO war daher bei Erlassung des im Anlaßverfahren angefochtenen Bescheides nicht anzuwenden; auch der Verfassungsgerichtshof hätte diese Bestimmung bei Beurteilung der an ihn gerichteten Beschwerde nicht anzuwenden.
Die Wortfolge "Hat das Gericht die Beigebung eines Rechtsanwalts beschlossen oder" sowie das Wort "solche" im §45 Abs1 RAO idF des BG BGBl 383/1983 werden als verfassungswidrig aufgehoben.
Die mit den in Prüfung gezogenen Teilen des §45 Abs1 RAO geschaffene Rechtslage führt dazu, daß Amtsverteidiger in geradezu typischen Fällen, für die eine notwendige Verteidigung vorgesehen ist, mit dem Risiko der Uneinbringlichkeit der ihnen im Zuge der Verteidigung entstehenden Kosten belastet werden. Daß sich dieses Kostenrisiko nicht in allen Fällen zu Lasten des bestellten Amtsverteidigers auswirkt, macht diese Fälle keineswegs zu Härtefällen, die unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes in Kauf genommen werden können.
Kann doch von unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes vernachlässigbaren Härtefällen - wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis VfSlg 12638/1991 (dieses betraf die Verfahrenshilfe) ausgeführt hat - dann keine Rede sein, wenn es sich bei ihnen um "Fälle besonders umfangreicher und arbeitsintensiver ... Strafverteidigungen (handelt), die Verfahrenshelfer wochen- und auch monatelang in Anspruch nehmen". Der Verfassungsgerichtshof zweifelt nicht daran, daß solche Fälle auch bei Amtsverteidigern auftreten.
Keine sachliche Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung von Verfahrenshilfe- und Amtsverteidigern.
Von der Festsetzung einer längeren Frist - wie von der Bundesregierung für den Fall der Aufhebung beantragt - wurde Abstand genommen. Die aufgehobene Bestimmung könnte nämlich (wortgleich) wieder in Kraft gesetzt werden, wenn durch eine Novellierung der Bestimmungen über die Entlohnung von Verfahrenshelfern (§16 Abs3 und Abs4 sowie §47 Abs1 RAO) vorgesehen würde, daß dann, wenn der Amtsverteidiger seinen Honoraranspruch trotz Ausschöpfung der zumutbaren Schritte nicht abgegolten erhält, er so behandelt wird, als ob er zum Verfahrenshelfer bestellt gewesen wäre. Darüber könnte dem Ausschuß der Rechtsanwaltskammer die Entscheidungsbefugnis zuerkannt werden.
(Anlaßfall: E v 10.12.96, B535/94 - Aufhebung des angefochtenen Bescheides; siehe auch B v 12.12.96, G200/94, Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung des §41 Abs3 StPO mangels unmittelbaren Eingriffs dieser Bestimmung in die Rechtssphäre des antragstellenden Rechtsanwaltes).
Entscheidungstexte
Schlagworte
VfGH / Präjudizialität, Strafprozeßrecht, Verteidigung, Rechtsanwälte Pflichtverteidigung, Berufsrecht Rechtsanwälte, VfGH / FristsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1996:G127.1996Dokumentnummer
JFR_10038790_96G00127_01