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L7 WirtschaftsrechtNorm
B-VG Art18 Abs1Leitsatz
Verstoß der Einräumung schrankenlosen Ermessens an die Behörde bei Einschränkung und Rücknahme von Bewilligungen für die Vermittlung und den Abschluß von Totalisateur- und Buchmacherwetten gegen das Determinierungsgebot; Weitergeltung des betreffenden Gesetzes als Landesgesetz aufgrund der Verfassungsüberleitung 1920Rechtssatz
Die Wortfolgen "jederzeit von Bedingungen abhängig machen, sie einschränken oder", "letzteres" und "oder eine vorgeschriebene Bedingung nicht eingehalten wird" in §1 Abs4 des Gesetzes betreffend Gebühren von Totalisateur- und Buchmacherwetten sowie Maßnahmen zur Unterdrückung des Winkelwettwesens, StGBl 388/1919, werden als verfassungswidrig aufgehoben.
Das Gesetz vom 28.07.19 betreffend Gebühren von Totalisateur- und Buchmacherwetten sowie Maßnahmen zur Unterdrückung des Winkelwettwesens, StGBl 388/1919, ist vor Inkrafttreten des Bundes-Verfassungsgesetzes erlassen worden.
Gemäß §1 Abs4 leg cit kann die Landesregierung die Bewilligung der gewerbsmäßigen Vermittlung und des gewerbsmäßigen Abschlusses von Wetten aus Anlaß sportlicher Veranstaltungen jederzeit von Bedingungen abhängig machen, sie einschränken oder zurücknehmen, letzteres für den Fall, daß die Voraussetzung der vollen Vertrauenswürdigkeit nicht mehr zutrifft oder eine vorgeschriebene Bedingung nicht mehr eingehalten wird. Die mangelnde Determinierung erstreckt sich hier nicht auf die Regelung in ihrer Gesamtheit, sondern nur auf einige Worte.
Anders als in dem dem Erkenntnis VfSlg 7151/1973 zugrundeliegenden Fall, bei dem das Verwaltungshandeln im Strafverfahren völlig in das Belieben der Behörde gestellt war, erreicht die Unbestimmtheit des §1 Abs4 nicht jene Evidenz, die für die Annahme eines geradezu kontradiktorischen Widerspruchs und damit für eine Derogation erforderlich wäre.
Den angefochtenen Wortfolgen ist sohin nicht durch das Inkrafttreten des Bundes-Verfassungsgesetzes 1920 iSd positiv ausgedrückten Derogationsklausel des §1 ÜG 1920 derogiert worden, sie gehören daher weiter dem Rechtsbestand an. Auch die Anlage zu §2 Z3 Wr RechtsbereinigungsG führt das Gesetz vom 28.07.19 betreffend Gebühren von Totalisateur- und Buchmacherwetten sowie Maßnahmen zur Unterdrückung des Winkelwettwesens als eine von der Aufhebung durch §1 ausgenommene Rechtsvorschrift an (vgl Walter-Mayer, Grundriß des Besonderen Verwaltungsrechts, 2. Auflage, 717).
Die angefochtenen Wortfolgen des §1 Abs4 leg cit bestimmen, daß die Behörde Bewilligungen jederzeit von Bedingungen abhängig machen, sie einschränken oder zurücknehmen kann, wenn eine vorgeschriebene Bedingung nicht mehr eingehalten wird, ohne inhaltliche Kriterien für die Festsetzung von Bedingungen oder die Einschränkung der Bewilligung festzusetzen. Anders als im Fall der Rücknahme der Bewilligung mangels voller Vertrauenswürdigkeit ergibt sich aus dem Gesetz und seinem Zweck nicht, um welche Bedingungen es sich handelt und unter welchen Voraussetzungen die Nichteinhaltung zu Entziehungsfolgen führt. Es ist dem Belieben der Behörde anheim gestellt, jederzeit - sohin sowohl bei als auch nach Erteilung der Bewilligung - Bedingungen zu setzen, bei deren Nichteinhaltung die Bewilligung zu entziehen, sowie die Bewilligung einzuschränken.
Die angefochtene Regelung, welche es der Behörde völlig anheimstellt, von welchen Bedingungen sie die Bewilligung abhängig macht, oder ob sie die Bewilligung einschränkt - ihr sohin schrankenloses Ermessen einräumt - widerspricht dem Bestimmtheitsgebot des Art18 Abs1 B-VG.
Um einem rechtspolitischen Bedürfnis des Landesgesetzgebers zu entsprechen, die Vergabe von Bewilligungen in verfassungsrechtlich einwandfreier Weise von Nebenbestimmungen abhängig zu machen und Konsequenzen an deren Nichterfüllung anzuknüpfen, wurde für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesbestimmung eine Frist bestimmt. Diese gründet sich auf Art140 Abs5 dritter und vierter Satz B-VG.
Schlagworte
Rechtsbereinigung, Rechtsüberleitung, Wetten, Gebühr (Totalisateur- und Buchmacherwetten), Determinierungsgebot, Ermessen, VfGH / Fristsetzung, Derogation, Verfassung ÜbergangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1996:G36.1995Dokumentnummer
JFR_10038788_95G00036_01