TE Vfgh Erkenntnis 2005/3/1 B690/03

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Veröffentlicht am 01.03.2005
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
Tir GVG 1996 §5 Abs1 litd, §24, §26

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Aufhebung eines Bescheides betreffend Feststellung einer Ausnahme von der grundverkehrsbehördlichen Genehmigungspflicht wegen Unzuständigkeit des Vorsitzenden der Bezirks-Grundverkehrsbehörde in erster Instanz; vertretbare Annahme des Vorliegens eines landwirtschaftlichen Grundstücks

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Mit Vertrag vom 25.4.2002 hat die nunmehrige Beschwerdeführerin ein näher bezeichnetes Grundstück in St. Johann in Tirol gekauft. Dieses Rechtsgeschäft wurde der Bezirks-Grundverkehrskommission angezeigt; dabei machte die Beschwerdeführerin das Vorliegen des Ausnahmetatbestands des §5 Abs1 litd Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 (im Folgenden: TGVG 1996) geltend. Mit Bescheid vom 10.10.2002 stellte der Vorsitzende der bei der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel eingerichteten Bezirks-Grundverkehrskommission fest, dass der Rechtserwerb gemäß §5 Abs1 litd TGVG 1996 keiner grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedürfe.

1.2. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten gab die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung (im Folgenden: LGVK) mit Bescheid vom 12.3.2003 Folge und behob den bei ihr angefochtenen Bescheid wegen Unzuständigkeit der Erstinstanz.

Begründend führt die LGVK aus, dass das Grundstück eine nahezu rechteckige Grundfläche aufweise, weshalb es von der Form für eine Bewirtschaftung sehr gut geeignet sei; auch könne das Flächenausmaß von fast 1000 m² nicht als gering bezeichnet werden. Die Grundfläche weise auch sonst keinerlei Merkmale auf, die eine landwirtschaftliche Nutzung als unwirtschaftlich erscheinen ließen. Hinsichtlich des Vorbringens, dass die Liegenschaft mit den Dienstbarkeiten des Gehens, Fahrens und Parkens belastet sei, stellte die LGVK fest, dass das berechtigte Grundstück noch unverbaut sei, weshalb es derzeit zu keiner Beeinträchtigung des dienenden Grundstücks komme. Aber auch wenn die Berechtigte - die Tochter der Beschwerdeführerin - von den ihr eingeräumten Rechten Gebrauch machte und somit ein Teil des Grundstücks der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung entzogen würde, wäre eine Bewirtschaftung der verbleibenden Fläche wirtschaftlich nicht ohne Bedeutung. Die Voraussetzungen des §5 Abs1 litd TGVG 1996 seien somit nicht gegeben, weshalb der Vorsitzende der Bezirks-Grundverkehrskommission seine Zuständigkeit zu Unrecht in Anspruch genommen habe.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art144 B-VG, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B-VG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides beantragt wird.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie dem Beschwerdevorbringen entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Die maßgeblichen Bestimmungen des TGVG 1996, LGBl. 61/1996 idF LGBl. 75/1999, lauten:

"2. Abschnitt

Rechtserwerbe an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken

§4

Genehmigungspflicht

(1) Der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfen Rechtsgeschäfte, die den Erwerb eines der folgenden Rechte an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken zum Gegenstand haben:

a) den Erwerb des Eigentums;

…"

"§5

Ausnahmen von der Genehmigungspflicht

(1) In folgenden Fällen bedarf es nicht der Genehmigung nach §4:

d) beim Rechtserwerb an Grundstücken, die auf Grund ihrer Beschaffenheit, ihrer Lage oder ihrer geringen Größe für die land- oder forstwirtschaftliche Nutzung im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes wirtschaftlich nicht von Bedeutung sind, sofern die vorgesehene Verwendung nicht im Widerspruch zu den Zielen der örtlichen Raumordnung steht;

…"

"§24

Feststellung von Ausnahmen von der Genehmigungspflicht,

Entscheidung über den Geltungsbereich

(1) Ist ein Rechtserwerb an einem land- oder forstwirtschaftlichen Grundstück oder durch einen Ausländer nach §5 bzw. §12 Abs2 von der Genehmigungspflicht ausgenommen, so hat bei Rechtserwerben an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken der Vorsitzende der Bezirks-Grundverkehrskommission in deren Namen, bei Rechtserwerben durch Ausländer die Grundverkehrsbehörde mit Bescheid festzustellen, dass der betreffende Rechtserwerb keiner grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedarf.

(2) Anzeigen über genehmigungspflichtige Rechtserwerbe an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken sind der Bezirks-Grundverkehrskommission vorzulegen. Im Zweifelsfall hat der Vorsitzende der Bezirks-Grundverkehrskommission in deren Namen darüber zu entscheiden, ob ein Grundstück ein land- oder forstwirtschaftliches Grundstück ist.

(3) Bestehen Zweifel darüber, ob ein Rechtserwerb an einem Grundstück in den Geltungsbereich nach §1 dieses Gesetzes fällt, so hat bei Rechtserwerben an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken der Vorsitzende der Bezirks-Grundverkehrskommission in deren Namen, in allen anderen Fällen die Grundverkehrsbehörde auf Antrag des Rechtserwerbers oder von Amts wegen mit Bescheid darüber zu entscheiden.

(4) Bei Vorliegen eines begründeten Interesses hat auf Antrag der Vorsitzende der Bezirks-Grundverkehrskommission in deren Namen darüber zu entscheiden, ob ein Grundstück ein land- oder forstwirtschaftliches Grundstück ist, und die Grundverkehrsbehörde darüber, ob ein Grundstück ein Baugrundstück ist.

(5) Bescheide nach den Abs1 bis 4 sind auch dem Landesgrundverkehrsreferenten zuzustellen, der dagegen Berufung erheben kann."

"9. Abschnitt

Behörden

§26

Grundverkehrsbehörden

(1) Grundverkehrsbehörde erster Instanz ist hinsichtlich der land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke die Bezirks-Grundverkehrskommission (§27), hinsichtlich der Baugrundstücke und der sonstigen Grundstücke die Bezirksverwaltungsbehörde.

(2) Grundverkehrsbehörde zweiter Instanz ist die Landes-Grundverkehrskommission."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Die Beschwerdeführerin behauptet zunächst eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und bringt dazu vor, die LGVK habe die Zuständigkeit des Vorsitzenden der Bezirks-Grundverkehrskommission - der seine Zuständigkeit zu Recht in Anspruch genommen habe - zu Unrecht verneint.

1.2. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg. 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002) oder wenn sie in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).

1.3. Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Feststellung einer Ausnahme von der Genehmigungspflicht gemäß §5 TGVG 1996; die LGVK hat diesbezüglich in der Sache entschieden. Dass sie zu dieser (Berufungs-)Entscheidung nicht zuständig gewesen wäre, wird auch in der Beschwerde nicht behauptet. Ob sie zur Frage der Zuständigkeit der Behörde erster Instanz das Gesetz materiell richtig angewandt hat, ist aber nicht unter dem Gesichtspunkt des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter zu beurteilen (VfSlg. 10.379/1985, 12.035/1989, 15.240/1998, 16.268/2001 und 16.523/2002).

2.1. In der Beschwerde wird weiters die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz infolge Willkür behauptet: Die LGVK habe ihre Entscheidung nur aufgrund der Größe des Grundstücks und der im Kataster ersichtlichen Grundfläche getroffen; es sei weder ein landwirtschaftliches Gutachten eingeholt worden, noch seien die tatsächlichen Gegebenheiten an Ort und Stelle begutachtet worden. Die Tatsache, dass die Liegenschaft derzeit nicht Teil eines landwirtschaftlichen Betriebes sei, sei ebenfalls unberücksichtigt geblieben.

2.2. Unter Bedachtnahme auf die Voraussetzungen des §5 Abs1 litd TGVG 1996 ist es aus verfassungsrechtlicher Sicht keineswegs zu beanstanden, dass die belangte Behörde auf die Größe und die Beschaffenheit des betreffenden Grundstückes abstellt. Auch kann insoweit kein in die Verfassungssphäre reichender Fehler erblickt werden, als die Behörde die Beiziehung eines Sachverständigen und die Durchführung eines Lokalaugenscheins zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts für nicht erforderlich erachtete.

Zu dem in der Beschwerde nicht näher ausgeführten Argument, dass das Grundstück derzeit nicht Teil eines landwirtschaftlichen Betriebes sei, ist festzuhalten, dass die Qualifikation des Grundstücks als land- und forstwirtschaftlich im Verfahren gar nicht bestritten wurde, weshalb der Vorwurf der Willkür auch insofern nicht zutrifft.

3. Die behaupteten Verfassungsverletzungen liegen somit nicht vor. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die Beschwerdeführerin in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt worden wäre.

Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall (vgl. §28 Abs7 TGVG 1996) - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 15.278/1998, 15.324/1998 mwN).

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Behördenzuständigkeit, Grundverkehrsrecht, Grundstück land- oder forstwirtschaftliches

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:B690.2003

Dokumentnummer

JFT_09949699_03B00690_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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