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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Verfassungswidrigkeit der Verordnungsermächtigung zur Einteilung von Betriebsgebieten in Zonen nach der zulässigen Art der Betriebe und dem zulässigen Maß der Störwirkung gemäß dem Vlbg RaumplanungsG und dem Vlbg RaumplanungsG 1996 wegen Widerspruchs zum Determinierungsgebot und zur ErwerbsausübungsfreiheitRechtssatz
Für die Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung einer Gemeindeaufsichtsbehörde nach Art119a Abs6 B-VG auf Antrag der betreffenden Gemeinde ist gemäß Art139 Abs1 B-VG die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über den Antrag maßgeblich. Dies ergibt sich schon daraus, daß der Ausspruch gemäß Art139 Abs4 B-VG, daß die Verordnung gesetzwidrig war, bei einem derartigen Antrag nach Art119a Abs6 B-VG nicht in Betracht kommt.
Für die über Antrag einer Gemeinde eingeleitete Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung der BH Bludenz ist daher die derzeit geltende Rechtslage, somit §14 Abs7 Vlbg RaumplanungsG 1996 anzuwenden.
Einstellung des zu G112/96 von Amts wegen eingeleiteten Verfahrens zur Prüfung des vierten Satzes des §14 Abs5 Vlbg RaumplanungsG mangels Präjudizialität.
Für die Gesetzmäßigkeit der vom Verwaltungsgerichtshof gemäß Art139 Abs1 B-VG angefochtenen Verordnung ist im Hinblick auf Art139 Abs4 B-VG die Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des mittels Vorstellung angefochtenen (letztinstanzlichen) Bescheides der Gemeindevertretung der Gemeinde Egg maßgeblich. Maßgebliche Rechtsgrundlage der beim Verfassungsgerichtshof angefochtenen Zonierungsverordnung ist demgemäß der zu jenem Zeitpunkt geltende vierte Satz des §14 Abs5 Vlbg RaumplanungsG.
Einstellung des zu G290/96 von Amts wegen eingeleiteten Verfahrens zur Prüfung des §14 Abs7 Vlbg RaumplanungsG 1996 mangels Präjudizialität.
Der vierte Satz des §14 Abs5 Vlbg RaumplanungsG, LGBl. 15/1973 idF LGBl. 27/1993, war verfassungswidrig.
Im Gegensatz zur Festlegung zulässiger Nutzungen in den Abs1 bis 5 erster bis dritter Satz des §14 Vlbg RaumplanungsG überläßt es §14 Abs5 vierter Satz Vlbg RaumplanungsG der Verwaltungsbehörde, Betriebsgebiete "nach der zulässigen Art der Betriebe und nach dem zulässigen Maß der Störwirkungen in Zonen" zu unterteilen und dadurch die Nutzungsbefugnisse der privatrechtlichen Nutzungsberechtigten nach Belieben einzuschränken. Der Hinweis des Gesetzgebers auf das "zulässige Maß der Störwirkungen" reicht keinesfalls aus, Umfang und Art der jeweils zulässigen Betriebe in einer den Anforderungen des Art18 Abs2 B-VG entsprechenden Form, also in voraussehbarer Art und Weise vorherzubestimmen, sagt vielmehr lediglich, daß auch das jeweilige Störmaß - neben der Art der Betriebe - ein mögliches Zoneneinteilungskriterium bildet.
Die vom Gesetzgeber der Gemeinde mit §14 Abs5 vierter Satz Vlbg RaumplanungsG eingeräumte planerische Definitionsmacht geht soweit, daß ihr praktisch ein freies Belieben hinsichtlich der im Betriebsgebiet zulässigen Betriebe eingeräumt wurde. Dieses freie Belieben widerspricht Art18 Abs2 B-VG (vgl E v 22.06.95, G297/94).
§14 Abs5 vierter Satz Vlbg RaumplanungsG verletzte aber auch das Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung gemäß Art6 StGG.
Die verfassungsrechtlich gemäß Art6 StGG gebotene Adäquanz eines Verbots bestimmter Betriebsarten auf bestimmten Flächen entsprechend dem Gesetzesvorbehalt des Art6 StGG wird durch die Regelung des §14 Abs5 vierter Satz Vlbg RaumplanungsG nicht hinreichend sichergestellt.
Der Gesetzgeber hat, will er den Anforderungen des Art6 StGG entsprechen, selbst jene Kriterien mit hinreichender Deutlichkeit zu benennen, unter denen eine Verhinderung der Betriebsansiedlung bestimmter Arten von Betrieben auf bestimmten Flächen durch Verordnung zulässig ist. Die Raumplanungsziele des §2 Vlbg RaumplanungsG reichen keinesfalls aus, im konkreten Fall der Erlassung einer Zonierungsverordnung nach §14 Abs5 vierter Satz Vlbg RaumplanungsG ein Überwiegen öffentlicher Interessen an einem flächenbezogenen Verbot bestimmter Arten von Betrieben darzutun.
§14 Abs7 Vlbg RaumplanungsG idF LGBl. 34/1996, neu kundgemacht in LGBl. 39/1996, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Überlegungen, denen zufolge §14 Abs5 vierter Satz Vlbg RaumplanungsG als dem Art18 Abs2 B-VG widerstreitende formalgesetzliche Delegation der Verordnungsgewalt angesehen wurde, treffen auch auf §14 Abs7 Vlbg RaumplanungsG 1996 zu. Zwar wird durch die gesetzliche Festlegung zweier, nach dem Ausmaß zulässiger Störungen unterschiedener Betriebsgebietskategorien in §14 Abs5 und Abs6 Vlbg RaumplanungsG 1996 der Freiraum des Verordnungsgebers nach §14 Abs7 verringert, weil sich die Zonierung, also die Bestimmung zulässiger Arten von Betrieben und des zulässigen Maßes der Störwirkungen in einzelnen Zonen im Rahmen der jeweiligen Betriebsgebietskategorie zu halten hat. Gleichwohl besitzt die planende Gemeinde im Rahmen der von ihr kraft planerischem Gestaltungsspielraum gewählten Betriebsgebietskategorie eine praktisch nicht näher determinierte Regelungsbefugnis hinsichtlich der Art der Betriebe und der von diesen ausgehenden Störwirkungen.
Keine hinreichende Determinierung kann der in §14 Abs7 Vlbg RaumplanungsG 1996 neu aufgenommene Hinweis des Gesetzgebers auf "die für die Raumplanung maßgeblichen Verhältnisse" sein. Daß die für die Raumplanung maßgeblichen Verhältnisse vielmehr bei jedem planerischen Akt nach dem RaumplanungsG 1996 eine Voraussetzung jedweder rechtlich korrekten Planung bilden, stellt eine Selbstverständlichkeit dar, deren gesetzliche Erwähnung kein Mehr an gesetzlicher Vorherbestimmung des Planungsprozesses und -inhaltes mit sich bringt.
§14 Abs7 Vlbg RaumplanungsG 1996 widerspricht ferner (ebenso wie §14 Abs5 vierter Satz Vlbg RaumplanungsG) dem Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung nach Art6 StGG.
(Anlaßfall: E v 26.06.97, V 138/94 - Aufhebung der ZonierungsV der Gemeinde Egg vom 17.02.92).
Entscheidungstexte
Schlagworte
VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsmaßstab, VfGH / Prüfungszeitpunkt, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Planungsakte (Flächenwidmungsplan), Erwerbsausübungsfreiheit, Determinierungsgebot, Delegation formalgesetzliche, AdäquanzprinzipEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1997:G112.1996Dokumentnummer
JFR_10029774_96G00112_01