RS Vfgh 1997/2/27 KI-3/96 - KI-11/98, KI-12/98

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 27.02.1997
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

B-VG Art138 Abs1 litb
EMRK Art13
FremdenG §54

Leitsatz

Vorliegen eines negativen Kompetenzkonfliktes bei Ablehnung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof und Zurückweisung mangels Rechtsverletzungsmöglichkeit durch den Verwaltungsgerichtshof; Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Entscheidung über eine Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Antrags auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in ein bestimmtes Land als unzulässig wegen bereits erfolgter Abschiebung; subjektives Recht auf Entscheidung über ein Refoulement-Verbot und Vorliegen eines Feststellungsinteresses auch nach Abschiebung; Widerspruch der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs zum österreichischen Rechtsschutzsystem

Rechtssatz

Vorliegen eines negativen Kompetenzkonfliktes zwischen Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof auch dann, wenn gegen denselben Bescheid sowohl Beschwerde beim Verfassungs- als auch beim Verwaltungsgerichtshof erhoben wird und die hier vorliegenden Verfahrensergebnisse (Ablehnungsbeschluß des Verfassungsgerichtshofes und Zurückweisungsbeschluß - mangels Rechtsverletzungsmöglichkeit - des Verwaltungsgerichtshofes) eintreten.

Der Inhalt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich nicht ausschließlich aus der Formulierung des Spruches; vielmehr muß zur Feststellung des Inhaltes der Entscheidung auch auf die Gründe Bedacht genommen werden (vgl. VfSlg. 5407/1966). Die Voraussetzung für einen Kompetenzkonflikt, nämlich, daß beide beteiligten Gerichtshöfe ihre Zuständigkeit abgelehnt haben (Art138 Abs1 litb B-VG iVm. §46 Abs1 VfGG 1953), ist auch dann erfüllt, wenn einer der beteiligten Gerichtshöfe die Zulässigkeit der Beschreitung des Verwaltungsgerichtsweges (aus welchen rechtlichen Gründen immer) schlechthin verneint und sich daraus - wie im vorliegenden Fall - unmittelbar seine Unzuständigkeit zur Erledigung einer bei ihm eingebrachten Beschwerde ergibt (vgl. auch VfGH 04.10.95, KI-9/94).

Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Entscheidung über eine Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Antrags auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien gemäß §54 FremdenG als unzulässig.

Gemäß §54 FremdenG besteht ein subjektives Recht auf bescheidmäßige Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung eines Fremden in einen bestimmten Staat. Dieses subjektive Recht besteht unabhängig davon, ob der betreffende Fremde bereits in diesen Staat abgeschoben worden ist oder nicht; er kann daher auch noch nach erfolgter Abschiebung in diesem subjektiven Recht verletzt sein (s VfSlg. 13837/1994).

Durch die Abschiebung fällt auch nicht das objektive Interesse des Beschwerdeführers an der Beseitigung des angefochtenen Bescheides weg: Wird der angefochtene Bescheid aufgehoben und in der Folge festgestellt, daß eine Abschiebung des Beschwerdeführers in diesen Staat unzulässig ist, wirkt diese Feststellung pro futuro, sodaß der Beschwerdeführer - gelingt ihm die Ausreise aus diesem Staat und wird er in Österreich aufgegriffen - nicht neuerlich in diesen Staat ab- bzw. zurückgeschoben oder an der Grenze zurückgewiesen werden darf. Im übrigen besteht nach wie vor ein Feststellungsinteresse im Hinblick auf allfällige Amtshaftungsansprüche (vgl. etwa auch VwSlgNF 12.217 A/1986).

Jede andere Auslegung stünde auch mit dem Rechtsschutzsystem der österreichischen Bundesverfassung, insbesondere auch mit Art13 EMRK, in Widerspruch.

Siehe auch E v 13.10.99, KI-11/98, und E v 16.10.99, KI-12/98 (mit bloßem Hinweis auf diese Entscheidung).

Entscheidungstexte

  • K I-3/96
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 27.02.1997 K I-3/96
  • K I-11/98
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 13.10.1999 K I-11/98
  • K I-12/98
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 16.10.1999 K I-12/98

Schlagworte

VfGH / Kompetenzkonflikt, Fremdenrecht, Rechtsschutz, Verwaltungsgerichtshof, Zuständigkeit Verwaltungsgerichtshof, Refoulement-Verbot

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:KI3.1996

Dokumentnummer

JFR_10029773_96K00I03_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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