TE Vfgh Beschluss 2005/3/1 V88/04 ua

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Veröffentlicht am 01.03.2005
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Nö BauO 1996 §11
VfGG §57 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung der Individualanträge auf Aufhebung der Änderung eines örtlichen Raumordnungsprogrammes in Folge Zumutbarkeit des Verwaltungsrechtsweges seit Einführung des Instituts der Bauplatzerklärung im niederösterreichischen Baurecht sowie auf Aufhebung eines Bebauungsplanes mangels Darlegung der aktuellen Betroffenheit der Antragstellerin; keine Bekundung konkreter Bauabsichten; bloßer Hinweis auf Beeinträchtigung der künftigen Bebaubarkeit nicht ausreichend

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. Mit auf Art139 B-VG gestützten Anträgen begehrt die Antragstellerin,

"die Verordnungen der Marktgemeinde Wiener Neudorf vom 22.5.2003 'Örtliches Raumordnungsprogramm - Änderung Nr. 2003-1, Zl. 610-1/2003, und Bebauungsplan für den Teilbereich 'südlich der AS Mödling', Zl. 610-1/2003 jeweils zur Gänze, in eventu: letztere zur Gänze mit Ausnahme der Festsetzung der Bauklasse V, geschlossener Bauweise und einer Bebauungsdichte von 70 % für einen Teil der betroffenen Grundstücke, in eventu: nur hinsichtlich der Grundstücke Nr. 432/316 und Nr. 432/1 als gesetzwidrig aufzuheben."

2. Zur Antragslegitimation bringt die Antragstellerin vor, sie sei je zur Hälfte grundbücherliche Miteigentümerin der als "Bauland-Betriebsgebiet" gewidmeten Grundstücke Nr. 432/316 und Nr. 432/1, die mit der Änderung des örtlichen Raumordnungsprogramms in Aufschließungszonen unterteilt worden seien. Der Bebauungsplan lege für die in Rede stehenden Grundstücke (bzw. für Teilflächen) insbesondere Mindestgrößen neu zu schaffender Bauplätze, die Verpflichtung zur Erhaltung des Baumbestandes in Freiflächen "F2", ein Verbot der Unterschreitung der Bauklasse V, (für Teilflächen) die Bauklassen I, II, die offene bzw. die geschlossene Bauweise und eine Bebauungsdichte von 25% fest. Durch die bekämpften Verordnungen werde unmittelbar und aktuell in die Rechtssphäre der Antragstellerin eingegriffen, indem "massive Beschränkungen hinsichtlich der Bebauungsmöglichkeit der ... als 'Bauland-Betriebsgebiet' gewidmeten Liegenschaften auferlegt werden." Die NÖ Bauordnung 1996 sehe kein baubehördliches Vorprüfungsverfahren vor, im Zuge dessen zunächst lediglich Skizzen über das geplante Bauvorhaben beizubringen wären. Es sei aber unzumutbar in einem Baubewilligungsverfahren die erforderlichen kostspieligen Pläne allein zu dem Zweck vorzulegen, um die Verordnungen nach Durchlaufen des Instanzenzuges bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts zu bekämpfen.

II. Die Anträge sind unzulässig.

1. Gemäß Art139 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 11.726/1988, 13.944/1994).

Bei Beurteilung der Antragslegitimation ist zu untersuchen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Rechtswirkungen vorliegen (VfSlg. 8060/1977, 8587/1979, 10.593/1985, 11.453/1987).

2. Zum Antrag auf Aufhebung der "Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes der Marktgemeinde Wiener Neudorf - Änderung Nr. 2003-1, Zl. 610-1/2003":

Wie die Antragstellerin zutreffend ausführt, kann zwar nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes von ihr nicht erwartet werden, dass sie allein zum Zweck der Anfechtung der von ihr bekämpften Verordnung der Marktgemeinde Wiener Neudorf über ein örtliches Raumordnungsprogramm (Flächenwidmungsplan) die für ein Ansuchen um Erteilung einer Baubewilligung erforderlichen Planunterlagen anfertigen lässt. Der Verfassungsgerichtshof erachtet jedoch in ebenso ständiger Rechtsprechung dann, wenn das maßgebliche Gesetz etwa das Institut der Bauplatzerklärung vorsieht, die Einbringung eines auf die Erklärung des Grundstücks zum Bauplatz gerichteten, keiner aufwendigen Planunterlagen bedürftigen Ansuchens als einen zumutbaren Weg, der die Unzulässigkeit der unmittelbaren Anfechtung eines Flächenwidmungsplanes beim Verfassungsgerichtshof bewirkt (so hinsichtlich der Rechtslage in Oberösterreich etwa die Erkenntnisse VfSlg. 9773/1983, 10.004/1984; hinsichtlich der Rechtslage im Land Salzburg etwa die Erkenntnisse VfSlg. 11.317/1987, 12.395/1990). Seit Inkrafttreten der 6. Novelle zur NÖ BauO 1976 (zu deren §12) besteht auch in Niederösterreich das Institut der Bauplatzerklärung, welches - hinsichtlich der Voraussetzungen leicht modifiziert - in die NÖ BauO 1996 (§11) übernommen wurde.

Der Antragstellerin steht also im Verfahren zur Bauplatzerklärung gemäß §11 NÖ Bauordnung 1996, LGBl. 8200-11, ein zumutbarer Weg zur Verfügung, die Frage der Gesetzmäßigkeit der bekämpften Verordnung der Marktgemeinde Wiener Neudorf vom 22. Mai 2003, Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes, an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (vgl. zB VfSlg. 15.004/1997, 15.932/2000, 16.142/2001, 16.263/2001 ua., VfGH vom 8. Oktober 2003, V88/03).

3. Zur Aufhebung des Bebauungsplans für den Teilbereich "südlich der AS Mödling, Zl. 610-1/2003":

Nach der ständigen Rechtsprechung (vgl. VfSlg. 16.892/2003, VfGH vom 4. Dezember 2003, V106/03; VfGH vom 8. Juni 2004, V14/04) muss der Grundeigentümer, um einen aktuellen Eingriff in die Rechtssphäre durch die Festlegungen eines Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans darzutun, konkrete Bauabsichten (VfSlg. 15.144/1998) behaupten, wobei der bloße Hinweis auf eine Beeinträchtigung der künftigen Bebaubarkeit noch keine aktuelle Betroffenheit dartun würde (VfSlg. 11.128/1986). Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin ihre Bauabsicht in keiner Weise näher dargetan.

4. Die Anträge waren daher schon aus diesen Gründen mangels Legitimation der Antragstellerin zurückzuweisen, ohne dass dabei noch auf das Vorliegen sonstiger Prozessvoraussetzungen einzugehen war. Es kann insbesondere dahingestellt bleiben, ob der Umfang der begehrten Aufhebung in hinreichendem Maße abgegrenzt worden ist. Gerade hinsichtlich des Bebauungsplans dürfte die Antragstellerin nur die Aufhebung bestimmter ihre Grundstücke betreffenden Festlegungen begehren. Das Hauptbegehren umfasst aber die Aufhebung der Verordnung zur Gänze. In einem Eventualbegehren wird die Aufhebung der Verordnung zur Gänze mit Ausnahme bestimmter Festlegungen beantragt, ohne dieses Begehren auf die Grundstücke der Antragstellerin zu beschränken. Das weitere Eventualbegehren, eingeschränkt auf die Grundstücke der Antragstellerin, entbehrt wiederum einer Einschränkung auf bestimmte Bebauungsbestimmungen.

5. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Bebauungsplan, Flächenwidmungsplan, Bauplatzgenehmigung, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:V88.2004

Dokumentnummer

JFT_09949699_04V00088_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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