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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Aufhebung der Achtwochen-Frist für die Antragstellung auf Zuerkennung eines Wahlwerbungskosten-Beitrags im ParteienG 1975 wegen Verstoß gegen die allgemeinen Grundsätze des ParteienG 1975 und den Gleichheitssatz; Zulässigkeit des Anlaßbeschwerdeverfahrens aufgrund Bescheidcharakters des abschlägigen Schreibens des Bundeskanzleramtes; sachfremder Ausschluß bestimmter politischer Gruppierungen von der Förderung der Wahlwerbung infolge zu früh verlangten Einbekenntnisses der Inanspruchnahme von Fördermitteln im WahlkampfRechtssatz
Bescheidcharakter des im Anlaßfall angefochtenen Schreibens des Bundeskanzleramtes (BKA) betreffend einen Antrag auf Zuerkennung von Wahlwerbungskosten-Beiträgen iSd §2a ParteienG 1975.
Das Rechtsschutzinteresse der den Verfassungsgerichtshof anrufenden Partei kann dahin gerichtet sein, eine Rechtskontrolle der inhaltlich negativen Erledigung (zB der Nichterteilung einer angestrebten Bewilligung oder der Ablehnung einer beanspruchten Geldleistung) zu provozieren und eine (die Verwaltungsbehörde im weiteren Verfahren sodann bindende) kassatorische Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs zu erwirken. Der Verfassungsgerichtshof hält es für verfehlt, die Bescheidqualität einer (unklaren) Erledigung ausschließlich aus deren Inhalt abzuleiten.
Es ist methodisch unzutreffend, eine Erledigung, bei der ein sprachlicher Widerspruch sogleich ins Auge springt, zunächst nach den in der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Kriterien über den Bescheidcharakter einer behördlichen Enuntiation zu beurteilen.
Das Schreiben verneint einerseits die Absicht, über den geltend gemachten Anspruch auf einen Wahlwerbungskosten-Beitrag durch Bescheid zu entscheiden. Die weitere, auf den vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag Bezug nehmende Erklärung, daß über diesen gesondert entschieden werde, läßt weder auf dem Boden einer allgemeinen sprachlichen Wertung noch bei Beurteilung in Ansehung des spezifisch behördlichen Sprachgebrauchs und schließlich auch nicht bei Bedachtnahme auf die Entscheidungspraxis der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts eine andere Deutung als die zu, daß zwei Entscheidungen, nämlich eine vorliegende (über den Antrag auf Zuerkennung eines Wahlwerbungskosten-Beitrags) und eine künftige (über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) getroffen werden.
Steht jedoch fest, daß beide in der Erledigung des BKA enthaltenen Aussagen infolge einer Antinomie unvereinbar sind, so sind sie nicht weiter zu berücksichtigen. Jegliche von der Behörde verursachte Unklarheit und daher auch die hier vorliegende darf nicht zu Lasten der im Anlaßverfahren beschwerdeführenden Partei ausschlagen.
Einstellung des aufgrund einer Klage gemäß Art137 B-VG eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahrens.
Die erhobene Klage erscheint als nicht zulässig, weil es an der im Art137 B-VG verlangten Voraussetzung fehlt, daß der gegen den Bund geltend gemachte vermögensrechtliche Anspruch nicht durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen ist.
Die in §2a Abs1 ParteienG 1975, BGBl 404/1975 idF BGBl 666/1989, enthaltene Wortfolge "spätestens acht Wochen" wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Zur Mitwirkung an der politischen Willensbildung iSd §1 ParteienG 1975 zählt insbesondere die Partizipation an der Gesetzgebung und somit auch die Teilnahme an Wahlen zu den gesetzgebenden Körperschaften. Von dieser dem ParteienG 1975 immanenten Grundposition ausgehend ist festzuhalten, daß die politische Partei und die ihr in Ansehung der Wahlbewerbung zu gesetzgebenden Körperschaften zuzuordnende wahlwerbende Partei (Wahlpartei) verfassungsrechtlich aufeinander angelegt sind, also von Verfassungs wegen zueinander in einer spezifischen Wechselbeziehung stehen.
Die verfassungsrechtlich vorgegebene Korrelation von politischer Partei und Wahlpartei ist als Hintergrund stets mitzuberücksichtigen, wenn das in §2a des ParteienG 1975 festgelegte finanzielle Förderungssystem im einzelnen (also gleichsam von seiner rechtstechnischen Seite her) betrachtet wird, welches eine Wechselwirkung zwischen dem Verhalten und Vorgehen der politischen Partei und jenem der wahlwerbenden Partei (einschließlich der vom Wählerverhalten abhängigen Komponenten) zeigt. Der Einsatz von Wahlwerbemitteln kommt zwar primär der wahlwerbenden Partei zugute, doch geht das Gesetz von der finanziellen Belastung der politischen Partei durch die Kosten der Wahlwerbung aus und stellt ihr unter bestimmten Voraussetzungen eine partielle Erstattung ihres Aufwandes in Aussicht. Die Erfüllung dieser Voraussetzungen liegt nun teilweise in der Hand der politischen Partei wie etwa die Antragstellung auf Zuerkennung des Wahlwerbungskosten-Beitrags sowie bestimmte Aufzeichnungs- und Veröffentlichungspflichten (s §2a Abs4 zweiter Satz iVm §4 ParteienG 1975), zum anderen Teil aber in jener der wahlwerbenden Partei wie etwa die rechtzeitige Wahlbewerbung, das Erzielen eines bestimmten, vom Wählerwillen abhängigen Wahlerfolgs, der sodann das Maß für die teilweise Refundierung der von der politischen Partei getragenen Wahlwerbungskosten bildet.
Es ist bei der gegebenen Verfassungsrechtslage nicht hinzunehmen, daß die zeitlichen Momente der Wahlbewerbung für die Wahlpartei (gemäß §42 Abs1 NRWO: spätestens dreißig Tage vor dem Wahltag) und der Geltendmachung des Anspruchs auf Wahlwerbungskosten-Beitrag für die politische Partei (spätestens acht Wochen vor dem Wahltag) um nahezu vier Wochen differieren, und zwar in der Weise, daß der Ersatzanspruch weit früher geltend gemacht sein muß als ein Wahlvorschlag (noch) eingebracht werden kann. Das Erfordernis der zeitlichen Harmonisierung dieser wahlrelevanten Vorgänge folgt daraus, daß die (in einem weitreichenden Sinn zu verstehende) Existenz einer politischen Partei auch vom Umstand berührt wird, ob ihr eine (gegebenenfalls betragsmäßig sogar beträchtliche) finanzielle Förderung durch die öffentliche Hand zukommt oder nicht, wobei unter diesem Blickwinkel ein evidenter Zusammenhang zwischen der Existenz der politischen Partei und der von der Verfassung angenommenen Parteienvielfalt besteht. Die Chancengleichheit der wahlwerbenden Parteien (und damit die Gleichbehandlung der ihnen zuzuordnenden politischen Parteien) ist dergestalt sicherzustellen, daß eine oder einzelne wahlwerbende Parteien gegenüber den anderen bei der Förderung der Wahlwerbung durch die öffentliche Hand nicht wirtschaftlich begünstigt oder benachteiligt werden. Es ist dem Gesetzgeber daher verwehrt, ein Förderungssystem so festzulegen, daß einzelne verfassungsrechtlich mit der jeweiligen Wahlpartei in Korrelation stehende politische Parteien gewissermaßen aus technischen Gründen (nämlich wegen des vom verfassungsrechtlichen Standpunkt an sich nicht zu beanstandenden, hinsichtlich der Aktualisierung aber zu früh verlangten Einbekenntnisses im Wahlkampf, daß der teilweise Ersatz von Wahlwerbungskosten beansprucht wird) von der Zuerkennung eines partiellen Kostenersatzes überhaupt ausgeschlossen werden.
Es ist sachfremd, die Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung eines Wahlwerbungskosten-Beitrags so früh zu verlangen, daß bestimmte politische Gruppierungen vom Anspruch praktisch ausgeschlossen werden.
(Anlaßfälle: E v 15.03.97, B718/96 - Aufhebung des angefochtenen Bescheides; zu Bescheidcharakter der angefochtenen Erledigung und Zulässigkeit der Beschwerde siehe obenstehende Ausführungen; B v 15.03.97, A10/96 - Zurückweisung der Klage mangels Vorliegen der Prozeßvoraussetzungen; keine Zuständigkeit des VfGH aufgrund bescheidmäßiger Erledigung durch das BKA).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Bescheidbegriff, Rechtsschutz, Auslegung eines Bescheides, Partei politische, VfGH / KlagenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1997:G401.1996Dokumentnummer
JFR_10029686_96G00401_01