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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Entscheidung der Landes-Grundverkehrskommission als zweitinstanzlicher Behörde über Abänderung einer Auflage anstelle der zuständigen erstinstanzlichen Bezirks-GrundverkehrskommissionSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Tirol ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.340,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid der Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung (im Folgenden: LGVK) vom 28. November 2002 wurde der Eigentumserwerb an der Liegenschaft "Berghof P" durch den nunmehrigen Beschwerdeführer unter der Auflage, dass er bis zum 31. Dezember 2003 ganzjährig auf den geschlossenen Hof "Berghof P" aufzuziehen und die ordentliche Bewirtschaftung mit Viehhaltung aufzunehmen hat, grundverkehrsbehördlich genehmigt. Zur Sicherung der Erfüllung der gemäß §8 Abs1 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 (im Folgenden: TGVG 1996) vorgeschriebenen Auflage wurde ihm gemäß §8 Abs2 leg.cit. eine Kaution in der Höhe von € 50.000,- vorgeschrieben.
1.2. Mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2003 beantragte der Beschwerdeführer, die Auflage dahingehend abzuändern, dass das Erfordernis des ganzjährigen Aufziehens auf den geschlossenen Hof "Berghof P" bis zum 31. Dezember 2003 zu entfallen habe.
2. Die LGVK wertete den Antrag auf Abänderung als einen solchen auf Aufhebung eines Teils der auferlegten Auflage und wies den Antrag mit Bescheid vom 5. Jänner 2004 als unbegründet ab, weil der Beschwerdeführer das Vorliegen der Voraussetzungen des §8 Abs3 TGVG 1996 nicht dargetan habe.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art144 B-VG, in der unter dem Titel der Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte insbesondere die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der (in §6 Abs4 TGVG 1996 geregelten) "Residenzpflicht" behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.
4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie dem Beschwerdevorbringen entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
5. Der Beschwerdeführer hat darauf repliziert.
II. §8 und §26 TGVG 1996, LGBl. Nr. 61, lauten:
"§8
Auflagen
(1) Zur Sicherung der Voraussetzungen nach §6 Abs1 und 4 kann die Genehmigung nach §4 mit Auflagen erteilt werden. Insbesondere kann vorgeschrieben werden, daß
[…]
(2) Für die Erfüllung einer Auflage nach Abs1 ist eine angemessene Frist festzusetzen. Weiters kann zur Sicherung der Erfüllung einer solchen Auflage eine Kaution in einer der wirtschaftlichen Bedeutung des Rechtserwerbes im Hinblick auf die Verwendung des Grundstückes angemessenen Höhe, höchstens jedoch in der Höhe der Gegenleistung oder des höheren Wertes des Gegenstandes des Rechtserwerbes, vorgeschrieben werden. Die Kaution verfällt zugunsten des Landeskulturfonds, wenn der Rechtserwerber die Auflage schuldhaft nicht erfüllt. Den Eintritt des Verfalls hat die Grundverkehrsbehörde mit Bescheid festzustellen. Die Kaution wird frei, sobald die Auflage erfüllt ist oder wenn die Auflage nach Abs3 aufgehoben wird.
(3) Die Grundverkehrsbehörde kann eine Auflage mit Bescheid aufheben, wenn die Durchsetzung der Auflage für den Verpflichteten auf Grund von Umständen, die ohne sein Verschulden eingetreten sind, eine unbillige Härte bedeuten würde."
"§26
Grundverkehrsbehörden
(1) Grundverkehrsbehörde erster Instanz ist hinsichtlich der land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke die Bezirks-Grundverkehrskommission (§27), hinsichtlich der Baugrundstücke und der sonstigen Grundstücke die Bezirksverwaltungsbehörde.
(2) Grundverkehrsbehörde zweiter Instanz ist die Landes-Grundverkehrskommission."
III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg. 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002) oder wenn sie in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).
2. Die belangte Behörde hat hier eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch genommen:
Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 11. Juni 2004, B992/03 ua., betreffend die Zuständigkeit zur Feststellung des Verfalls einer Kaution ausgesprochen hat, kann die Regelung des §8 Abs2 TGVG 1996 - wonach "die Grundverkehrsbehörde" den Eintritt des Verfalls mit Bescheid festzustellen hat - in Zusammenschau mit §26 leg.cit. nur so verstanden werden, dass diese Feststellung durch die Bezirks-Grundverkehrskommission als Grundverkehrsbehörde erster Instanz hinsichtlich land- oder forstwirtschaftlicher Grundstücke zu erfolgen hat.
Die im vorliegenden Fall maßgebliche Formulierung in §8 Abs3 leg.cit., dass "[d]ie Grundverkehrsbehörde […] eine Auflage mit Bescheid aufheben [kann]", ist bezüglich der Zuständigkeit nicht anders zu beurteilen. Über die Aufhebung einer Auflage hat die Bezirks-Grundverkehrskommission als Grundverkehrsbehörde erster Instanz hinsichtlich land- oder forstwirtschaftlicher Grundstücke zu entscheiden; ein anderes Verständnis des §8 Abs3 würde zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit betreffend die Zuständigkeit führen. Für diese Auslegung spricht nicht zuletzt auch hier der Umstand, dass der dadurch bewirkte Instanzenzug zu einer Verbesserung des Rechtsschutzes führt.
Durch den bekämpften Bescheid der LGVK wurde der Beschwerdeführer somit in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt, weshalb der Bescheid aufzuheben war.
3. Der Kostenzuspruch beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten sind Umsatzsteuer in Höhe von € 360,-- sowie der Ersatz der gemäß §17a VfGG entrichteten Eingabengebühr im Betrag von € 180,-- enthalten.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Behördenzuständigkeit, Grundverkehrsrecht, RechtsschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2005:B263.2004Dokumentnummer
JFT_09949699_04B00263_2_00