TE Vfgh Erkenntnis 2005/3/1 B962/03

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.03.2005
beobachten
merken

Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

EMRK Art6 Abs1 / Tribunal
Tir GVG 1996 §6 Abs1 lita
Tir GVG 1996 §7 Abs1 litb

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Kaufvertrags über ein Waldgrundstück wegen Widerspruchs zum öffentlichen Interesse an der Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes in Folge Entstehens einer unwirtschaftlich kleinen Nutzfläche

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Kaufvertrag vom 12.6.2002 hat der nunmehrige Beschwerdeführer ein Waldgrundstück im Ausmaß von 2.056 m2 aus dem geschlossenen Hof "Foitstätt", dessen Waldfläche 75.580 m2 betrug, erworben; die Bezirks-Grundverkehrskommission erteilte diesem Rechtserwerb mit Bescheid vom 5.8.2002 die grundverkehrsbehördliche Genehmigung.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten gab die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung (im Folgenden: LGVK) mit Bescheid vom 12.5.2003 Folge und versagte die Genehmigung des Rechtsgeschäfts.

Im Bescheid der LGVK wird ausgeführt, dass im Hinblick auf den derzeit nur geringen zeitlichen Aufwand, den die Pflegemaßnahmen erfordern, die Selbstbewirtschaftung durch den Beschwerdeführer ausreichend gewährleistet sei. Der Rechtserwerb widerspreche jedoch dem in §6 Abs1 lita Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 (im Folgenden: TGVG 1996) genannten öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes. Ein wirtschaftlich gesunder land- oder forstwirtschaftlicher Grundbesitz setze voraus, dass nicht zu kleine land- oder forstwirtschaftliche Nutzflächen entstehen; die Schaffung von unwirtschaftlich kleinen Grundstücken sei daher zu vermeiden, was auch durch den Versagungsgrund des §7 Abs1 litb TGVG 1996 zum Ausdruck komme. Da sich kleine Waldflächen nicht ökonomisch bewirtschaften lassen, sei nach §50 der Tiroler Waldordnung die Teilung von Waldgrundstücken, durch die Grundstücksteile in einem Ausmaß von weniger als einem Hektar entstehen, verboten. Kleine und unwirtschaftliche Wirtschaftseinheiten können auch durch die Abtrennung einer land- oder forstwirtschaftlichen Fläche aus einem wirtschaftlich leistungsfähigen Betrieb entstehen, wenn dieser in seiner Eigenschaft erhalten bleibt, jedoch ein neuer Grundbesitz ohne Beziehung zu einem bestehenden geschaffen wird. Dass kleine Waldflächen nur erworben werden, um sie hobbymäßig oder aus Liebhaberei zu bewirtschaften, widerspreche den Vorstellungen des Gesetzgebers und wirke sich nachteilig auf die Agrarstruktur aus.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art144 B-VG, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Unversehrtheit des Eigentums sowie auf ein faires Verfahren behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides beantragt wird.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie dem Beschwerdevorbringen entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

4. Der Beschwerdeführer hat darauf repliziert.

II. Die im vorliegenden Fall maßgebenden Rechtsvorschriften des TGVG 1996, LGBl. 61/1996 idF LGBl. 75/1999, lauten:

"2. Abschnitt

Rechtserwerbe an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken

§4

Genehmigungspflicht

(1) Der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfen Rechtsgeschäfte, die den Erwerb eines der folgenden Rechte an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken zum Gegenstand haben:

a) den Erwerb des Eigentums;

b) ..."

"§6

Genehmigungsvoraussetzungen

(1) Die Genehmigung nach §4 darf nur erteilt werden, wenn

a) der Rechtserwerb weder dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch dem öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht,

b) gewährleistet ist, daß die erworbenen land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke grundsätzlich vom Erwerber selbst im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaftet werden,

c) der Erwerber über die für die Selbstbewirtschaftung erforderlichen fachlichen Kenntnisse verfügt und

d) der Erwerber erklärt, dass durch den beabsichtigten Rechtserwerb kein Freizeitwohnsitz geschaffen werden soll.

(2) ...

(7) Rechtserwerbe an forstwirtschaftlichen Grundstücken sind insoweit abweichend von den Voraussetzungen nach Abs1 litb zu genehmigen, als die Selbstbewirtschaftung durch den Erwerber nicht im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes erfolgen muss. Weiters entfällt für die Genehmigung von Rechtserwerben an forstwirtschaftlichen Grundstücken die Voraussetzung nach Abs1 litc.

(8) ..."

"§7

Besondere Versagungsgründe

(1) Unter Berücksichtigung der Interessen nach §6 Abs1 lita ist die Genehmigung nach §4 insbesondere zu versagen, wenn zu besorgen ist, daß

a) ...

b) unwirtschaftlich kleine Grundstücke entstehen, die Arrondierung eines land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes gestört oder die land- oder forstwirtschaftliche Nutzung von Grundstücken verhindert oder zumindest erheblich erschwert wird, es sei denn, daß der Rechtserwerb der Erfüllung von öffentlichen Aufgaben im Sinne der lita dient;

c) ..."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Zur behaupteten Verletzung des Gleichheits- und des Eigentumsrechts bringt der Beschwerdeführer vor, dass §7 Abs1 litb TGVG 1996 nur das "Entstehen" unwirtschaftlich kleiner Grundstücke regle, im vorliegenden Fall aber keine Grundstücksteilung, sondern der Verkauf eines bereits bestehenden Grundstücks erfolgt sei, weshalb eine denkunmögliche Gesetzesanwendung vorliege. Überdies gehe die Behörde entgegen der Bestimmung des §6 Abs7 leg.cit. davon aus, dass der Beschwerdeführer das Grundstück im Rahmen einer "Beziehung" zu einem bestehenden wirtschaftlich leistungsfähigen Betrieb bewirtschaften müsse und nicht nur "hobbymäßig oder aus Liebhaberei". Die Schlussfolgerung, dass sich die Bewirtschaftung durch den Beschwerdeführer nachteilig auf die Agrarstruktur auswirke, sei nicht begründet; es liege eine denkunmögliche Würdigung des Sachverhalts vor.

1.2. Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer nicht im Recht: Die Rechtsansicht der LGVK, dass nicht maßgeblich sei, ob eine Teilung iS des Liegenschaftsteilungsgesetzes stattfindet oder nicht, weil der Gesetzgeber hinsichtlich der Genehmigungsvoraussetzungen nicht auf einzelne Grundstücke und deren Größe, sondern auf den Betrieb bzw. die Wirtschaftseinheit abstelle, ist nicht denkunmöglich. Der belangten Behörde ist aus verfassungsrechtlicher Sicht auch nicht entgegenzutreten, wenn sie - nach Einholung eines (dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebrachten) forstfachlichen Gutachtens der Bezirksforstinspektion Kufstein - zum Ergebnis gelangte, dass der zu beurteilende Rechtserwerb zu einer Besitzzersplitterung und Verschlechterung der forstlichen Gesamtsituation führe, weshalb er den in §6 Abs1 lita TGVG 1996 normierten öffentlichen Interessen widerspreche.

2.1. Der Beschwerdeführer behauptet weiters eine Verletzung des Art6 EMRK. Schon der äußere Anschein der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit sei nicht gegeben, weil die Führung der Kanzleigeschäfte durch die zuständige Abteilung des Amtes der Landesregierung erfolge; dadurch komme es auch zu "Abhängigkeitsverhältnissen" der Mitglieder des Tribunals. Für den konkreten Fall bringt er vor, dass der Berichterstatter der LGVK dem Vorstand der Abteilung III b 3 des Amtes der Tiroler Landesregierung zudem dienstrechtlich untergeordnet sei.

2.2. Eine Verletzung des Art6 EMRK ist jedoch in dieser Konstellation nicht zu erblicken (vgl. bereits VfSlg. 15.325/1998); auch die behaupteten personellen und administrativen Nahebeziehungen sind nicht so gelagert, dass sie auf verfassungsrechtliche Bedenken stoßen. Der Umstand, dass Mitglieder einer kollegialen Verwaltungsbehörde iSd. Art133 Z4 B-VG Verwaltungsbeamte sind und als solche in ihrer sonstigen Tätigkeit weisungsgebunden sind, stellt für sich allein noch keinen Grund dar, an der Unabhängigkeit dieser Verwaltungsbehörde zu zweifeln; die bloße Mitgliedschaft von Verwaltungsbeamten in einem Tribunal ist also nicht schon aus dem Grunde der hypothetischen Möglichkeit eines Interessenkonfliktes im Einzelfall unvereinbar (VfSlg. 15.991/2000). Eine organisatorische Verknüpfung der Art, wie sie dem mit Erkenntnis VfSlg. 15.507/1999 erledigten Fall zugrunde lag (Zuordnung des Vergabekontrollsenates zur Stadtbaudirektion, die ihrerseits in großem Ausmaß mit der Vergabe von Aufträgen durch die Stadt Wien befasst war, und gemeinsame Führung der Geschäfte des VKS mit der Führung des - in allen Vergabeverfahren der Stadt heranzuziehenden - Auftragnehmerkatasters der Stadt Wien), ist hier jedoch nicht gegeben.

2.3. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, der Landesgrundverkehrsreferent sei in der Geschäftseinteilung des Amtes der Tiroler Landesregierung nicht ausdrücklich genannt, geht schon deshalb ins Leere, weil nicht ersichtlich ist, in welchem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht er dadurch verletzt sein könnte.

3. Die behaupteten Verfassungsverletzungen liegen somit nicht vor. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt worden wäre.

Ob der angefochtene Bescheid aber in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall (vgl. §28 Abs7 TGVG 1996) - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 15.278/1998, 15.324/1998 mwN).

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:B962.2003

Dokumentnummer

JFT_09949699_03B00962_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten