RS Vfgh 1997/6/13 B676/96 - B2863/96

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 13.06.1997
beobachten
merken

Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

EMRK Art8
AufenthaltsG §6 Abs2
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens durch Versagung einer Aufenthaltsbewilligung wegen Antragstellung vom Inland aus trotz bereits abgelaufenen Sichtvermerks ohne Berücksichtigung der besonderen persönlichen Umstände im Falle des Beschwerdeführers; Anwendung der alten Rechtslage zu Recht aufgrund des Zeitpunkts der Antragstellung

Rechtssatz

Wenngleich die Bescheidbegründung die herangezogene Fassung des §6 Abs2 AufenthaltsG nicht nennt, läßt sie doch durch die nahezu wörtliche Zitierung zweifelsfrei erkennen, daß die vor der Novelle bestandene Fassung gemeint ist. §6 Abs2 AufenthaltsG idF vor der Novelle BGBl 351/1995 wurde - obgleich er zum Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides nicht mehr in Geltung stand - auch zu Recht herangezogen, denn die Zulässigkeit des Antrags richtet sich jedenfalls dann, wenn - wie hier - die Gesetzesnovelle (etwa in einer Übergangsvorschrift) nichts anderes bestimmt, nach der zum Zeitpunkt der Antragseinbringung bestandenen Gesetzeslage. Ein anderes Gesetzesverständnis erwiese sich im Hinblick darauf, daß §6 Abs2 AufenthaltsG in der novellierten Fassung die Möglichkeit der Antragstellung vom Inland aus gegenüber der früheren Rechtslage zumindest teilweise einschränkt, als sachfremd und daher unter dem Aspekt des Verfassungsgebotes der Gleichbehandlung von Fremden untereinander (s dazu VfSlg 14191/1995) als verfassungswidrig; es führte nämlich zum Ergebnis, daß bei bestimmten Fallkonstellationen rechtswirksam eingebrachte, vor einem Endtermin zu stellende Anträge ohne zwingenden Grund rechtsunwirksam würden.

Bei der Wertung des vom Beschwerdeführer gestellten Antrags nach den in der Vorjudikatur aufgestellten Kriterien (s VfSlg 14148/1995) fällt zunächst ins Gewicht, daß er sich seit seinem 11. Lebensjahr (1967) bis zum Ablauf der Gültigkeit des Sichtvermerks am 10.01.93 offenkundig rechtmäßig in Österreich aufhielt, also durch mehr als 25 Jahre. Dann ist aber auch von wesentlicher Bedeutung, daß die Versäumung der rechtzeitigen Antragstellung - wenngleich die Verzögerung etwa 15 Monate ausmachte - mit besonderen Umständen zu erklären ist, die dem Beschwerdeführer - wenn überhaupt - jedenfalls nicht vorbehaltlos angelastet werden dürfen, wie insbesondere seine beschränkte Handlungsfähigkeit, der vom Sachwalter festgestellte Verlust des Reisepasses, das Untätigbleiben des früheren Sachwalters und das für den nunmehr bestellten Sachwalter bestandene Erfordernis, sich mit der Sachlage vertraut zu machen und die erforderlichen Urkunden zu beschaffen. Unter diesen Aspekten kann die eingetretene Verspätung bei der Antragstellung, die vor dem Hintergrund des jahrzehntelangen offenkundig legalen Aufenthaltes in Österreich gesehen und gewertet werden muß, noch hingenommen werden.

(siehe auch E v 25.06.97, B2863/96).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Aufenthaltsrecht, Bescheiderlassung, Auslegung eines Bescheides, Privat- und Familienleben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B676.1996

Dokumentnummer

JFR_10029387_96B00676_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten