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41 Innere AngelegenheitenNorm
B-VG Art144 Abs1 / LegitimationLeitsatz
Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens durch die Versagung eines Sichtvermerks für einen mit einer Österreicherin verheirateten Ausländer infolge denkunmöglicher Auslegung des Begriffs "EWR-Bürger"; Beschwerdeführer auch begünstigter DrittstaatsangehörigerRechtssatz
Die belangte Behörde mißt unter Berufung auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (s. VwGH 14.4.1994, 94/18/0127-0132, 5.9.1996, 94/18/0465-0472, 95/18/0128, 21.2.1996, 95/21/1248) dem Begriff des "EWR-Bürgers" in §28 FremdenG einerseits und jenem in §29 FremdenG andererseits jeweils den gleichen Inhalt bei. Dies bedeutet offenkundig eine Schlechterstellung österreichischer Staatsbürger gegenüber (in §28 Abs1 FremdenG "definierten") Staatsangehörigen von Mitgliedstaaten des EWR mit Ausnahme Österreichs.
Für eine solche Schlechterstellung österreichischer Staatsbürger gegenüber ausländischen Staatsangehörigen läßt sich im konkreten Zusammenhang aber keinerlei sachliche Rechtfertigung finden (vgl. VfSlg. 13.084/1992 mwH; s. auch den Prüfungsbeschluß des VfGH vom 27. Februar 1997, B3881/95). Vor allem wäre eine derart unterschiedliche Behandlung diskriminatorisch im Sinne des Art14 iVm. Art8 EMRK, da eine "objektive und vernünftige Rechtfertigung" dafür nicht ersichtlich ist, weil sie offenkundig kein legitimes Ziel verfolgt (vgl. EGM 28.5.1985, Abdulaziz, EuGRZ 1985, 567 ff. (570), EGM 28.10.1987, Inze, ÖJZ 1988, 177 f. (178), EGM 23.10.1990, Darby, ÖJZ 1991, 392 ff. (392)).
Bindung des Gesetzgebers an bundesverfassungsgesetzliche Vorgaben bei Umsetzung des Gemeinschaftsrechts.
§29 FremdenG ist jedenfalls dahin auszulegen, daß die Aufenthaltsbewilligung von Drittstaatsangehörigen sämtlicher EWR-Bürger, also auch die Aufenthaltsbewilligung von Drittstaatsangehörigen österreichischer Staatsbürger, einheitlichen (begünstigenden) Regelungen unterworfen ist. Allein dies entspricht auch dem aus Art8 iVm Art14 EMRK erfließenden Gebot, die in der EMRK festgelegten Rechte und Freiheiten ohne Benachteiligung zu gewährleisten.
Der angefochtene Bescheid gestaltet ausschließlich Rechte des Erstbeschwerdeführers, dessen Sichtvermerksantrag abgewiesen wurde; in die Rechtssphäre der Zweitbeschwerdeführerin, seiner Ehefrau, greift er nicht ein (vgl. VfGH 11.10.1988, B1591/88; 11.6.1990, B417/90; 27.11.1995, B3191/95, G1372/95); es fehlt ihr also die Legitimation zur Beschwerdeerhebung.
Schlagworte
Fremdenrecht, EWR, Privat- und Familienleben, EU-Recht, VfGH / Legitimation, InländerdiskriminierungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1997:B592.1996Dokumentnummer
JFR_10029383_96B00592_01