RS Vfgh 1997/6/27 G213/96

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Veröffentlicht am 27.06.1997
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Index

96 Straßenbau
96/02 Sonstiges

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art140 Abs1 / Allg
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
B-VG Art140 Abs4
B-VG Art140 Abs5 / Fristsetzung
BStFG 1996 §1
BStFG 1996 §2
BStFG 1996 §7
VfGG §62 Abs1

Leitsatz

Aufhebung der Verordnungsermächtigung des BStFG 1996 zur Festlegung der einer fahrleistungsabhängigen Maut (Road-pricing-System) unterliegenden Bundesstraßenstrecken mangels hinreichender gesetzlicher Determinierung; keine Gleichheitswidrigkeit der Regelung über die Einbeziehung von Brücken in das Road-pricing-System infolge Möglichkeit eines gleichheitskonformen Vollzuges; Unzulässigkeit der Anträge der Wiener Landesregierung auf Aufhebung der nach Einbringung der Anfechtung novellierten Bestimmungen über die Einhebung einer zeitabhängigen Maut auf Autobahnen und autobahnähnlichen Bundesstraßen

Rechtssatz

Zurückweisung des Antrags der Wiener Landesregierung auf Aufhebung des ersten Satzes des §1 Abs1 BStFG 1996.

Würde der Verfassungsgerichtshof §1 Abs1 BStFG 1996 im beantragten Umfang aufheben, so bliebe ein Torso ("Darüber hinaus können Brücken, Tunnel und Gebirgspässe auf sonstigen Bundesstraßen S (Bundesschnellstraßen) und Bundesstraßen B ebenfalls fahrleistungsabhängig bemautet werden") übrig, der für sich überhaupt nicht verstanden werden kann. Würde man aber die Wortfolge "auf sonstigen Bundesstraßen S (Bundesschnellstraßen) und Bundesstraßen B" mit Hilfe des aufgehobenen ersten Satzes interpretieren, so bekäme die verbleibende Vorschrift einen gegenüber dem derzeitigen §1 Abs1 des Gesetzes völlig veränderten Sinn.

Ein Antrag einer Landesregierung ist als Fall einer abstrakten Normenkontrolle nur gegen geltende, nicht aber gegen schon außer Kraft getretene Rechtsvorschriften zulässig.

§7 BStFG 1996 (betreffend die Einhebung einer zeitabhängigen Maut) wurde durch eine - nach Einbringung der Anfechtung durch die Wiener Landesregierung ergangene - Novelle abgeändert, sodaß diese Bestimmung in der angefochtenen Fassung nicht mehr in Geltung steht.

Infolge des Zusammenhanges der novellierten mit den unverändert gebliebenen Teilen des §7 einerseits und zwischen dieser Bestimmung und den damit in Zusammenhang stehenden, von der Landesregierung angefochtenen Bestimmungen in §6, §9, §10, §12 und §15 BStFG 1996 andererseits war daher der an der Rechtslage im Zeitpunkt seiner Einbringung ausgerichtete Antrag der Wiener Landesregierung auch insoweit zurückzuweisen.

Zulässigkeit des Antrags der Wiener Landesregierung auf Aufhebung des §1 Abs2 und des Wortes "Brücken," in §1 Abs1 zweiter Satz BStFG 1996.

Der angefochtene §1 Abs2 BStFG 1996 und die Bestimmung des §2 leg. cit. stehen zwar insofern in einem Zusammenhang, als die Einhebung einer fahrleistungsabhängigen Maut für Straßenbenützer erst dann erfolgen kann, wenn die Voraussetzungen des §2 leg.cit. eingetreten (bzw. festgestellt) sind und nur für die Benützung jener Bundesstraßen, für die dies mit einer Verordnung nach §1 Abs2 des Gesetzes festgelegt ist. Der Zusammenhang ist aber, da die beiden Regelungen zwei unterschiedliche Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Erhebung einer fahrleistungsabhängigen Maut betreffen, nicht derart, daß eine isolierte Anfechtung nicht zulässig wäre.

Der Verfassungsgerichtshof hat sich bei Prüfung der Bestimmungen auf die Erörterung der im Antrag im einzelnen dargelegten Bedenken zu beschränken (vgl. VfGH 14.03.97, G392/96 ua.).

§1 Abs2 des BundesstraßenfinanzierungsG 1996 (BStFG 1996), i.e. Art20 des StrukturanpassungsG 1996, BGBl. 201, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die ersten beiden Sätze des §1 Abs1 BStFG 1996 sind einer unmittelbaren Vollziehung nicht zugänglich. Vielmehr bedarf es einer Festlegung der Bundesstraßen, Bundesstraßenstrecken bzw. Bundesstraßenteile, für die eine fahrleistungsabhängige Maut eingehoben werden darf, durch eine Einbeziehungsverordnung nach §1 Abs2 BStFG 1996.

Für diese Festlegung enthält aber das Gesetz keine ausreichende Determinierung: Zwar sind nach dem Gesetz jedenfalls alle Bundesautobahnen in eine Verordnung einzubeziehen. Unklar ist aber, ob Bundesschnellstraßen stets oder nur im Falle ihrer Autobahnähnlichkeit in eine Einbeziehungsverordnung aufzunehmen sind. Vor allem aber ergeben sich aus dem Gesetz keine Anhaltspunkte dafür, nach welchen Kriterien die Festlegung der Bundesstraßenteile zu erfolgen hat, die gemäß dem zweiten Satz des §1 Abs1 BStFG 1996 in das System der fahrleistungsabhängigen Maut einbezogen werden. Das Gesetz bietet auch keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Einbeziehung nach den Kosten und der Finanzierungsart der Straßenbaumaßnahmen zu erfolgen hat.

Abweisung des Antrags auf Aufhebung des Wortes "Brücken," in §1 Abs1 zweiter Satz BStFG 1996.

Der Verfassungsgerichtshof hielte eine Regelung für mit dem aus dem Gleichheitsgrundsatz erfließenden Sachlichkeitsgebot nicht vereinbar, die vorsähe, daß sämtliche Brücken auf Bundesstraßen in ein Road-pricing-System einzubeziehen sind. Auch wäre es sachlich nicht mehr zu rechtfertigen, wenn durch eine Einbeziehung sämtlicher Wiener Donaubrücken in das Mautsystem die beiden durch die Donau getrennten Teile Wiens nur mehr über mautpflichtige Verkehrswege verbunden wären.

Die Regelung hat aber keinen solchen Inhalt, der dazu zwingen würde, entweder alle, auch die kleineren Brücken auf Bundesstraßen oder alle Wiener Donaubrücken in das fahrleistungsabhängige Mautsystem einzubeziehen. Sie ermöglicht vielmehr eine sachgerechte und derartige Verfassungswidrigkeiten vermeidende Umsetzung.

Die hinsichtlich des Wortes "Brücken," unter dem Aspekt des Gleichheitsgrundsatzes angefochtene Regelung im zweiten Satz des §1 Abs1 leg.cit. ist somit einem gleichheitskonformen Vollzug zugänglich.

Von der Bestimmung einer Frist für das Inkrafttreten der Aufhebung sah der Verfassungsgerichtshof angesichts des Umstandes ab, daß die Einführung der ersten Etappe des Road-pricing-Systems nach §2 BStFG 1996 frühestens während des Jahres 1998 zu erfolgen hat, sodaß dem Gesetzgeber ausreichend Zeit dafür bleibt, die Unklarheit im ersten Satz des §1 Abs1 leg.cit. zu beseitigen und die Kriterien zu bestimmen, nach denen Bundesstraßenteile im Sinne des §1 Abs1 zweiter Satz BStFG 1996 in das System der fahrleistungsabhängigen Maut einzubeziehen sind.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Bedenken, Straßenverwaltung, Mautstraße, Road-pricing-System, VfGH / Fristsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:G213.1996

Dokumentnummer

JFR_10029373_96G00213_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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