TE Vfgh Beschluss 2008/9/23 B2214/07

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Veröffentlicht am 23.09.2008
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33
ZPO §63 Abs1
ZPO §125, §126
  1. ZPO § 63 heute
  2. ZPO § 63 gültig ab 01.01.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 96/2011
  3. ZPO § 63 gültig von 01.07.2009 bis 31.12.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 52/2009
  4. ZPO § 63 gültig von 01.01.1998 bis 30.06.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 140/1997
  5. ZPO § 63 gültig von 01.05.1983 bis 31.12.1997 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 135/1983

Leitsatz

Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags nach Zurückweisung einesVerfahrenshilfeantrags wegen nicht behobenen Mangels formellerErfordernisse

Spruch

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit selbst verfasster Eingabe vom 19. November 2007 erhobrömisch eins. 1. Mit selbst verfasster Eingabe vom 19. November 2007 erhob

der in der Justizanstalt Josefstadt zur Verbüßung einer von einem Schweizer Gericht verhängten langjährigen Freiheitsstrafe angehaltene Einschreiter beim Verfassungsgerichtshof "außerordentliche Berufung" gegen näher bezeichnete Beschlüsse des Landesgerichtes Linz sowie des Oberlandesgerichtes Linz und begehrte die "sofortige und bedingungslose Entlassung" aus der Haft sowie die "endgültige Nachsicht des Strafrestes".

2. Mit der dem Einschreiter am 6. März 2008 zugestellten Verfügung vom 5. März 2008 forderte der Verfassungsgerichtshof diesen gemäß §18 VfGG unter Hinweis auf die Säumnisfolgen auf, die Beschwerde innerhalb von vier Wochen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen oder innerhalb derselben Frist unter Vorlage eines Vermögensbekenntnisses die Bewilligung der Verfahrenshilfe zu beantragen. Die dem Einschreiter gesetzte Frist endete am 3. April 2008.

3. Mit am 7. April 2008 - mithin nach Ablauf der Mängelbehebungsfrist - zur Post gegebener Eingabe beantragte der Einschreiter unter Vorlage eines Vermögensbekenntnisses die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde gegen die beiden in Rede stehenden Gerichtsentscheidungen.

4. Der Verfassungsgerichtshof wies daraufhin mit Beschluss vom 16. Juni 2008 (dem Einschreiter zugestellt am 15. Juli 2008) die Beschwerde wegen nicht (fristgerecht) behobenen Mangels eines formellen Erfordernisses zurück, den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wegen offenbarer Aussichtslosigkeit der angestrebten Rechtsverfolgung ab.

5. Mit (am 18. Juli 2008 zur Post gegebenem) Schriftsatz beantragte der Einschreiter die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Mängelbehebung. Er führte aus, dass er "wie der Großteil der Bevölkerung auch, den Begriff '4 Wochen' mit dem Begriff 'ein Monat' gleichsetzte". Er sei daher der (irrigen) Ansicht gewesen, die Mängelbehebungsfrist würde am 6. April 2008 enden. Zudem sei er davon ausgegangen, dass der Tag der Zustellung nicht in die Frist mit ein zu berechnen sei und dass - weil der 6. April auf einen Sonntag fiel - das Ende der Mängelbehebungsfrist mit 7. April 2008 anzunehmen gewesen sei. Einer rechtskundigen Person sei die Berechnung bzw. Differenzierung zwischen "4 Wochen" und "einem Monat" zumutbar, einem Durchschnittsbürger jedoch nicht. Auch handle es sich nur um eine dreitägige Verspätung. Der Einschreiter achte auf Grund der Bedeutung der Angelegenheit penibel auf die Einhaltung der Fristen, er habe bisher noch keine Frist versäumt. Es liege daher ein bloß mindergradiges Versehen vor. Er beantrage deshalb die Wiedereinsetzung in die Frist zur Mängelbehebung sowie die Fortführung des Verfahrens, das für sein Fortkommen von eminenter Bedeutung sei.

II. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Mängelbehebungsfrist ist nicht begründet:römisch II. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Mängelbehebungsfrist ist nicht begründet:

1. Gemäß §33 VfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1983, 11.706/1988, 17.044/2003). 1. Gemäß §33 VfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht vergleiche VfSlg. 9817/1983, 11.706/1988, 17.044/2003).

2. Im vorliegenden Fall ist allerdings nicht von einem minderen Grad des Versehens auszugehen.

Wie dargelegt, begründet der Antragsteller seinen Wiedereinsetzungsantrag damit, dass er die in Rede stehende Frist nur deshalb unrichtig berechnet habe, weil er - entschuldbar - angenommen habe, dass die Zeitspanne von vier Wochen einer solchen von einem Monat gleichkomme.

Der behauptete Irrtum ist nicht als bloß geringfügiger Fehler zu werten, der gelegentlich auch einem sorgfältigen Menschen unterlaufen kann: Angesichts des auch für einen juristischen Laien klaren und unmissverständlichen Bedeutungsinhaltes der Wortfolge "innerhalb von vier Wochen" ist die gesetzte Frist bei Anwendung durchschnittlicher Sorgfalt mit einer Zeitspanne von "einem Monat" nicht verwechselbar. Dies trifft im Besonderen auf den Antragsteller zu, der seinen Angaben zufolge vor seiner Festnahme in Österreich u. a. als selbständiger Unternehmer im medizintechnischen Bereich tätig war und sich auch in Medien und durch Verfassen von Flugblättern mit eingehender Bezugnahme auf die internationale Rechtslage gegen seine (wegen vermeintlichen Verstoßes gegen gemeinschaftsrechtliche Regelungen als rechtswidrig angesehene) Anhaltung wendet.

Der Verfassungsgerichtshof geht daher davon aus, dass dem nach eigener Darstellung an der für ihn maßgeblichen Rechtslage nachhaltig interessierten Antragsteller bei Aufwendung zumutbarer Sorgfalt die richtige Berechnung der Frist von vier Wochen (iSd §§125, 126 ZPO iVm §35 VfGG) unschwer möglich gewesen wäre. Besondere Umstände, die ihm dies ausnahmsweise unmöglich oder unzumutbar gemacht hätten, sind aus dem Vorbringen nicht erkennbar. Der Fristversäumung liegt somit ein über leichte Fahrlässigkeit hinausgehendes Versehen zugrunde. Der Verfassungsgerichtshof geht daher davon aus, dass dem nach eigener Darstellung an der für ihn maßgeblichen Rechtslage nachhaltig interessierten Antragsteller bei Aufwendung zumutbarer Sorgfalt die richtige Berechnung der Frist von vier Wochen (iSd §§125, 126 ZPO in Verbindung mit §35 VfGG) unschwer möglich gewesen wäre. Besondere Umstände, die ihm dies ausnahmsweise unmöglich oder unzumutbar gemacht hätten, sind aus dem Vorbringen nicht erkennbar. Der Fristversäumung liegt somit ein über leichte Fahrlässigkeit hinausgehendes Versehen zugrunde.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher abzuweisen.

3. Dieser Beschluss konnte gemäß §33 zweiter Satz VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung, VfGH / Verfahrenshilfe, VfGH / Fristen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2008:B2214.2007

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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