Index
27 RechtspflegeNorm
EMRK Art10Leitsatz
Keine Verletzung der Meinungsäußerungsfreiheit durch Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt wegen Verlesung der Strafregisterauskunft eines ihm aus einer vormaligen Verteidigung bekannten Zeugen; keine Bedenken gegen die Interpretation der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht im vorliegenden FallRechtssatz
Die durch §9 Abs2 RAO Rechtsanwälten auferlegte Verschwiegenheitspflicht ist zum Schutz des guten Rufes und der Rechte anderer - namentlich der ehemaligen Klienten - unentbehrlich. Das zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Rechtsanwalt würde auf das Schwerste erschüttert, wenn der Mandant damit rechnen müßte, daß sein Rechtsanwalt alle im Rahmen öffentlicher Verhandlungen getätigten Äußerungen und vorgelegten Informationen nach Prozeßende in einer Weise verwenden könnte, die seinen Interessen widerstreitet.
Der Verfassungsgerichtshof vermag der belangten Behörde unter verfassungsrechtlichen Aspekten nicht entgegenzutreten, wenn diese davon ausgeht, daß die Geheimhaltung der in der Strafregisterauskunft enthaltenen Vorstrafen im Interesse des ehemaligen Mandanten und späteren Zeugen gelegen war; der Verfassungsgerichtshof kann der Auffassung der belangten Behörde aber auch nicht entgegentreten, daß die in der Strafregisterauskunft enthaltenen Informationen ihre Eigenschaft als der Verschwiegenheitspflicht unterliegende Tatsachen im Sinne des §9 Abs2 RAO nicht im Hinblick darauf verloren haben, daß die Strafregisterauskunft bereits in einem früheren Gerichtsverfahren verlesen wurde und dadurch einem kleinen Personenkreis bekannt geworden ist.
Schlagworte
Rechtsanwälte, Berufsrecht Rechtsanwälte, Meinungsäußerungsfreiheit, Disziplinarrecht RechtsanwälteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1997:B702.1997Dokumentnummer
JFR_10029071_97B00702_01