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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art129a Abs2Leitsatz
Verletzung im Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) durch Entscheidung eines nicht allen Anforderungen an eine "unabhängige Behörde" gemäß dem PersFrSchG 1988 entsprechenden Mitglieds des UVS Wien über die Rechtmäßigkeit einer Festnahme; Erfordernis der Unabhängigkeit und strukturellen Unparteilichkeit des Mitglieds - eines auf Dauer seiner befristeten Zugehörigkeit zum UVS karenzierten Beamten der Bundespolizeidirektion Wien - angesichts der Judikatur des EGMR nicht gegebenRechtssatz
Mit Art6 PersFrSchG 1988 wird für alle in Betracht kommenden Fälle des Freiheitsentzuges ein verfassungsgesetzlicher Anspruch auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer solchen Maßnahme durch "eine unabhängige Behörde" gewährt.
Der Begriff der "unabhängigen Behörde" iSd Art6 PersFrSchG 1988 ist gleichzusetzen mit jenem des "Tribunal(s) im Sinne des Art6 EMRK" (134 BlgNR 17. GP, 6). Daraus folgt, daß die - insbesondere in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sowie des EGMR entwickelten - (organisatorischen) Anforderungen, die an ein solches "Tribunal" zu stellen sind, auch für eine "unabhängige Behörde" iS des PersFrSchG gelten.
Da das im vorliegenden Fall zur Entscheidung berufene Mitglied des UVS Wien nicht allen Anforderungen entsprochen hat, die sich aus dem Begriff der "unabhängigen Behörde" im Sinne des Art6 PersFrSchG 1988 ergeben, ist der Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid (betreffend Festnahme und Anhaltung durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien im Zuge einer Fahrscheinkontrolle) in seinem durch die genannte Bestimmung verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) verletzt worden.
Bei dem im vorliegenden Fall zur Entscheidung berufenen einzelnen Mitglied des UVS Wien handelt es sich um einen - wenn man die Diktion des Urteiles des EGMR vom 29.04.1988 im Fall Belilos gegen die Schweiz hierher überträgt - "aus der Polizeidirektion hervorgegangene(n) höhere(n) Beamte(n), der berufen sein kann, dort erneut andere Aufgaben wahrzunehmen".
Der EGMR stellte auch fest, daß die der Gerichtsbarkeit der Polizeikommission unterworfenen Personen versucht sein könnten, "in ihm ein Mitglied des Polizeidienstes zu sehen, der dessen Hierarchie eingeordnet und mit seinen Kollegen solidarisch ist". Dieser "äußere Anschein" wird aber auch im vorliegenden Fall eines auf Dauer seiner bloß befristeten Zugehörigkeit zum UVS karenzierten Beamten des Bundes im Personalstand der Bundespolizeidirektion Wien, der als einzelnes Mitglied des UVS Wien u.a. über die Rechtmäßigkeit der Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durch Organwalter eben dieser Behörde zu befinden hat, nicht auszuschließen sein.
Schlagworte
Festnehmung, Unabhängiger Verwaltungssenat, TribunalEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1997:B2434.1995Dokumentnummer
JFR_10028998_95B02434_01