RS Vfgh 1997/10/3 KI-17/97

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Veröffentlicht am 03.10.1997
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art15a
B-VG Art137 / Allg
B-VG Art137 / Klage zw Gebietsk
B-VG Art138 Abs1 litb
B-VG Art138a
VfGG §43 Abs3

Leitsatz

Feststellung der Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Entscheidung über einen Anspruch des Bundes gegen Land und Stadt Wien im Zusammenhang mit der Errichtung der Internationalen Schule in Wien; Zulässigkeit eines Gliedstaatsvertrages für öffentliche Zwecke verfolgende, (auch) den Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung betreffende Vorhaben

Rechtssatz

Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Entscheidung über einen bejahenden Kompetenzkonflikt zwischen einem ordentlichen Gericht und dem Verfassungsgerichtshof.

Das LGfZRS Wien hat dadurch, daß es ein Verfahren über die bei ihm eingebrachte Klage einleitete, seine Zuständigkeit in Anspruch genommen.

Der Verfassungsgerichtshof ging in dem dieses Kompetenzkonfliktsverfahren einleitenden Beschluß vorläufig davon aus, daß die Entscheidung über die Klage in seine Zuständigkeit nach Art137 B-VG falle, sofern die Klage unmittelbar auf eine zulässigerweise nach Art15a B-VG abgeschlossene Vereinbarung gestützt ist.

Da der Verfassungsgerichtshof durch den Inhalt seiner eigenen Akten von dem Entstehen des Konfliktes Kenntnis erlangte und noch kein Gericht in der Hauptsache abgesprochen hat, liegt ein bejahender Kompetenzkonflikt iSd Art138 Abs1 litb B-VG und §43 Abs3 VfGG 1953 vor.

Der Verfassungsgesetzgeber wollte die Privatwirtschaftsverwaltung nicht von vornherein aus dem Anwendungsbereich des Art15a B-VG ausklammern, ist doch im Rahmen eines kooperativen Bundesstaates die Notwendigkeit einer Koordination bei den in privatrechtlichen Formen zu verwirklichenden Vorhaben, an denen ein öffentliches Interesse mehrerer Gebietskörperschaften besteht, in keinem geringeren Maße gegeben als bei den Vorhaben im Bereich der Gesetzgebung und hoheitlichen Vollziehung.

Die Gebietskörperschaften können Vorhaben, mit denen öffentliche Zwecke verfolgt werden, die aber (auch) den Bereich ihrer Privatwirtschaftsverwaltung betreffen, sowohl in der Form eines privatrechtlichen Vertrages als auch in der Form eines öffentlich-rechtlichen Vertrages nach Art15a B-VG, für den dann besondere Voraussetzungen, aber auch besondere Rechtsfolgen gelten, koordinieren.

Wählen die Gebietskörperschaften für Vorhaben (nicht bloß im Bereich der Hoheitsverwaltung, sondern auch) im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung die Rechtsform einer Vereinbarung nach Art15a B-VG, so haben sie sich daher zulässigerweise für einen öffentlich-rechtlichen Vertrag entschieden. Zur Beurteilung von Streitigkeiten aus einer solchen Vereinbarung ist der Verfassungsgerichtshof berufen, und zwar - soweit es sich nicht um vermögensrechtliche Ansprüche handelt - nach Art138a B-VG; hinsichtlich der vermögensrechtlichen Ansprüche - da es sich nicht (mehr) um eine bürgerlich-rechtliche Rechtssache handelt und soweit nicht die Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde gegeben ist - beruht die Zuständigkeit auf Art137 B-VG.

Zulässigkeit eines Gliedstaatsvertrages iSd Art15a B-VG betreffend Finanzierung der Internationalen Schule in Wien.

Wenn sich Österreich bereit erklärt, die schulische Versorgung der Kinder der in Österreich lebenden Dienstnehmer internationaler Organisationen und diplomatischer Vertretungen derart zu unterstützen, daß es die Errichtung und Erhaltung einer speziell für diese Interessenten geeigneten Privatschule finanziert, so ist dies die Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe, die der Bund zusätzlich zu den Verpflichtungen auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarungen übernommen hat.

Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß das Land und die Stadt Wien an der Verwirklichung des Vorhabens ebenfalls öffentliches Interesse hatten; dies schon deshalb, weil für sie ein funktionierendes Schulsystem wesentlich ist und weil eine Förderung des internationalen Ansehens der Stadt Wien zu erwarten war.

Die zu beurteilende Klage betrifft vermögensrechtliche Ansprüche, die unmittelbar auf eine staatsrechtliche Vereinbarung gemäß Art15a B-VG gestützt werden. Die aus der Anwendung einer solchen Vereinbarung erwachsenden Streitigkeiten sind allein auf Grund der Form der zugrundeliegenden Vereinbarung keine bürgerlichen Rechtssachen mehr. Eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte ist daher nicht gegeben. Es besteht aber auch keine gesetzliche Bestimmung, nach der Verwaltungsbehörden zur Entscheidung über solche Streitigkeiten berufen wären.

(Anlaßfall A13/96, E v 15.10.98, Abweisung der Klage).

Entscheidungstexte

  • K I-17/97
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 03.10.1997 K I-17/97

Schlagworte

VfGH / Kompetenzkonflikt, Vereinbarungen nach Art 15a B-VG, Hoheitsverwaltung, Privatwirtschaftsverwaltung, VfGH / Zuständigkeit, Schulen, Privatschulen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:KI17.1997

Dokumentnummer

JFR_10028997_97K0I017_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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