RS Vfgh 1997/10/4 B1170/95, B1152/96

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Veröffentlicht am 04.10.1997
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Index

32 Steuerrecht
32/07 Stempel- und Rechtsgebühren, Stempelmarken

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
GebührenG 1957 §33 TP8 Abs4
EG-Vertrag Art67

Leitsatz

Keine Unsachlichkeit der Neuregelung der Vergebührung von Darlehen eines Darlehensgebers mit Sitz im Ausland durch die Steuerreform 1993; Unbedenklichkeit sowohl der Erfassung bestimmter Fallgruppen mit Inlandsbezug aufgrund deren typischerweise vorhandenen Möglichkeiten der Gebührenvermeidung als auch der Gruppe der Buchführungs- und Aufzeichnungspflichtigen; keine Prüfung der Frage von Verstößen gegen Gemeinschaftsrecht, insbesondere gegen die Kapitalverkehrsfreiheit

Rechtssatz

Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung der Vergebührung von Darlehen eines Darlehensgebers mit Sitz im Ausland durch die Neufassung des §33 TP8 Abs4 GebührenG 1957 mit SteuerreformG 1993, BGBl. Nr. 818.

Die Auswirkungen gebührenrechtlicher Vorschriften und ihre Sachlichkeit sind nur zu beurteilen, wenn man davon ausgeht, daß nicht die Beurkundung oder der sie ersetzende Tatbestand, sondern das Rechtsgeschäft selbst Gegenstand der Abgabenerhebung ist.

Der Verfassungsgerichtshof hält es nicht für bedenklich, wenn der Gesetzgeber im SteuerreformG 1993 für Darlehensverträge einen Schritt weitergegangen ist als in der Novelle BGBl. Nr. 48/1981 und jene - ausreichenden Inlandsbezug aufweisenden - Fälle erfaßt, in denen typischerweise die Gebührenpflicht vermieden werden kann. Es läßt sich der Annahme nicht entgegentreten, daß die Rechtslage vor der Steuerreform 1993 zwar Darlehen im Inland und ins Ausland erfaßt hat, weil der Darlehensgeber in beiden Fällen typischerweise im Inland eine Urkunde in Händen hat, während bei Darlehen vom Ausland der Darlehensgeber sich durch Urkunden sichern kann, ohne sie je ins Inland verbringen zu müssen, und deshalb von der Gebührenpflicht verschont bleibt. Wenn der Gesetzgeber sich "im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung" für diese Fallgruppe nicht zu einer Verallgemeinerung der Regel des §16 Abs2 (Errichtung der Urkunde), sondern - wegen des ausländischen Sitzes (Wohnsitzes) des Darlehensgebers und der daraus entspringenden Schwierigkeit der tatsächlichen Erfassung der Rechtsgeschäfte - zur Schaffung des Ersatztatbestandes der Aufnahme in die Bücher und Aufzeichnungen des Darlehensnehmers im Inland entschlossen hat, überschreitet er seinen Spielraum auch dann nicht, wenn dadurch den Vertragspartnern in dieser Lage gewisse Möglichkeiten der Gebührenvermeidung vorenthalten werden, die in den beiden anderen Fallgruppen bestehen.

Der Verfassungsgerichtshof kann nicht finden, daß die Anknüpfung an die Buchführungs- und Aufzeichnungspflicht die Regelung deshalb unsachlich macht, weil sie nur die Gruppe der Buchführungs- oder Aufzeichnungspflichtigen erfaßt.

Will der Gesetzgeber vermeiden, daß im Ergebnis Darlehen vom Ausland bevorzugt werden, ist er auch nicht gezwungen, die Gebührenpflicht von Darlehen generell an die Aufnahme in die Bücher oder Aufzeichnungen des Darlehensnehmers zu knüpfen.

Der Gerichtshof kann dem Gesetzgeber nicht entgegentreten, wenn er Fälle der alternativen Anknüpfung an Urkunden oder Ersatztatbestände (wie zB Erklärungen vor Gerichten oder Behörden nach §18 Abs4 oder bis zur Novelle BGBl. 629/1994 die Firmenbucheintragung bei Gesellschaftsverträgen nach §33 TP16 Abs2 und Mitteilungen an das Handelsgericht nach §33 TP21 Abs2) nur ausnahmsweise vorsieht und solche - überflüssigen Aufwand verursachende - Nachforschungen nicht auch bei jenen in Bücher oder Aufzeichnungen aufgenommenen Darlehen vorsieht, die ohnehin in aller Regel beurkundet sind.

Soweit die Beschwerden in der als unsachlich gerügten Vorschrift auch eine Diskriminierung von ausländischen Darlehensgebern sehen, die gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art67 EG-Vertrag verstoße, genügt der Hinweis, daß der Verfassungsgerichtshof nur über die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte oder Rechtsverletzungen wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm zu erkennen hat, nicht aber über die Vereinbarkeit des innerstaatlichen Rechts mit dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum oder mit Gemeinschaftsrecht. Daß die Anwendung der genannten Vorschrift wegen Mißachtung des Vorranges einer ihr ganz offenkundig entgegenstehenden Bestimmung des Gemeinschaftsrechts schlechthin willkürlich oder in denkunmöglicher Weise erfolgt sei, also ein gesetzloser Akt vorliege, behaupten die Beschwerden selbst nicht und kann der Verfassungsgerichtshof auch nicht erkennen (vgl. VfGH B877/96 vom 26. Juni 1997). Die Prüfung der Richtigkeit der Entscheidung (auch unter diesem Gesichtspunkt) steht dem Verwaltungsgerichtshof zu.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Gebühr (GebG), EU-Recht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B1170.1995

Dokumentnummer

JFR_10028996_95B01170_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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