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40 VerwaltungsverfahrenNorm
B-VG Art144 Abs1 / InstanzenzugserschöpfungLeitsatz
Kein Ausschluß der Anrufung des unabhängigen Verwaltungssenates gegen Entscheidungen über Anträge auf Zahlungserleichterungen im Zuge der Vollstreckung von Geldstrafen aufgrund verfassungskonformer Gesetzesauslegung; lediglich Ausschluß eines administrativen Instanzenzuges; Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates von Verfassungs wegen auch ohne ausdrückliche gesetzliche AnordnungRechtssatz
§54c VStG ist verfassungskonform in Übereinstimmung mit Art129a Abs1 Z1 B-VG dahin zu verstehen, daß dadurch lediglich ein administrativer Instanzenzug (im Sinne des Einleitungssatzes der genannten Verfassungsvorschrift), nicht aber die Anrufung des unabhängigen Verwaltungssenates gegen Entscheidungen über Anträge auf Zahlungserleichterungen ausgeschlossen wird.
Keine besondere Regelungsabsicht des Verfassungsgesetzgebers für die Zugehörigkeit der in §54b Abs3 VStG geregelten Entscheidung über Anträge auf Zahlungserleichterungen bei Geldstrafen. Für den Verfassungsgesetzgeber war und ist die Strafvollstreckung - und damit auch die Entscheidung über Erleichterungen beim Strafvollzug - jedenfalls Teil des Verwaltungsstrafverfahrens und damit auch des Verfahrens über Verwaltungsübertretungen.
Die Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate ergibt sich von Verfassungs wegen auch ohne ausdrückliche Anordnung des Gesetzgebers; ja die entsprechende Rechtsschutzbefugnis des unabhängigen Verwaltungssenates besteht von Verfassungs wegen sogar gegen Entscheidungen von Administrativbehörden, die vom Gesetzgeber als "endgültig" bezeichnet wurden (mit ausführlichen Judikaturhinweisen).
Kraft Art129a Abs2 B-VG ist es auch verfassungsrechtlich unbedenklich, daß Entscheidungen erster Instanz über Anträge auf Zahlungserleichterungen gemäß §54c VStG unmittelbar beim unabhängigen Verwaltungssenat angefochten werden. Weil ferner §54c VStG zum Zeitpunkt der Begründung der entsprechenden Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate durch die B-VG-Novelle 1988, BGBl. 685, (das war der 1. Jänner 1991) bereits gehörig kundgemacht war und in kraft stand, bedurfte die unmittelbare Anfechtbarkeit der Entscheidungen erster Instanz gemäß §54c VStG beim unabhängigen Verwaltungssenat keiner besonderen, der Verfassungsnorm zufolge auf die Kundmachung entsprechender Bundesgesetze bezogener "Zustimmung der beteiligten Länder" gemäß Art129a Abs2 zweiter Satz B-VG.
Es kann keine Rede sein, daß der Wendung "kein Rechtsmittel zulässig" im §54c VStG "die gleiche Bedeutung beigemessen (wird) wie jenen Regelungen, die ausdrücklich eine Berufung vorsehen", wie der VwGH meint. Vielmehr liegt allen genannten Regelungen des VStG die verfassungsrechtliche Vorschrift des Art129a Abs1 Z1 B-VG zugrunde, derzufolge gegenüber allen rechtskraftfähigen Entscheidungen in Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen der Rechtszug an den unabhängigen Verwaltungssenat eröffnet ist. Es wäre nicht gerechtfertigt, die fehlende Systematik der Gesetzessprache dahin zu deuten, daß durch §54c VStG der verfassungswidrige Ausschluß eines Rechtsmittels an den unabhängigen Verwaltungssenat gegen Entscheidungen über Anträge auf Zahlungserleichterungen verfügt würde.
Siehe auch B v 06.10.97, B1148/96 - Zurückweisung der Beschwerde gegen einen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft betreffend die Abweisung eines Antrags auf Ratenzahlung bestimmter Strafbeträge mangels Instanzenzugserschöpfung.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Unabhängiger Verwaltungssenat, Verwaltungsverfahren, Zuständigkeit Verwaltungsverfahren, Instanzenzug, Verwaltungsvollstreckung, Verwaltungsstrafrecht, Zuständigkeit Verwaltungsstrafrecht, Auslegung verfassungskonforme, VfGH / Instanzenzugserschöpfung, Verständlichkeit einer Norm, Zustimmung (der Länder bei Kundmachung Gesetz)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1997:G1393.1995Dokumentnummer
JFR_10028994_95G01393_01