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50 GewerberechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / StaatsangehörigkeitLeitsatz
Gesetzwidrigkeit einer Regelung der EWR-NachsichtsV betreffend Erteilung der Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis für Staatsangehörige von EWR-Mitgliedstaaten bei Absolvierung einer einschlägigen fachlichen Tätigkeit in leitender Position im Ausland; keine sachliche Rechtfertigung für eine Schlechterstellung österreichischer Staatsbürger im Hinblick auf die Nachsicht vom Befähigungsnachweis als EWR-Bürger anderer StaatsangehörigkeitRechtssatz
Unter dem Ausdruck "Staatsangehörige einer EWR-Vertragspartei" in §373c GewO 1994 und unter dem Ausdruck "Staatsangehörige eines EWR-Mitgliedstaates" in §1 EWR-NachsichtsV sind österreichische Staatsbürger und Staatsangehörige anderer EWR-Mitgliedstaaten zu verstehen.
Durch den Begriff "anderen EWR-Mitgliedstaat" im Einleitungssatz des §6 Abs1 der EWR-NachsichtsV wird zum Ausdruck gebracht, daß die in den Z1 bis 6 genannten Tätigkeiten in irgendeinem EWR-Staat mit Ausnahme Österreichs absolviert sein müssen.
Aufhebung des Wortes "anderen" im Einleitungssatz des §6 Abs1 EWR-NachsichtsV, BGBl 775/1993, als gesetzwidrig.
Es ist sachlich nicht gerechtfertigt, EWR-Bürger (seien sie nun österreichische Staatsbürger oder Staatsangehörige anderer EWR-Mitgliedstaaten) nur dann in den Genuß der Möglichkeit zur Erteilung der Nachsicht vom Befähigungsnachweis für das Gewerbe der Reisebüros nach §6 EWR-NachsichtsV kommen zu lassen, wenn sie die Absolvierung der fachlichen Tätigkeiten im Ausland nachweisen können, nicht aber solchen EWR-Bürgern, die diese Tätigkeiten in Österreich absolviert haben.
Eine interpretative Reduktion des Normengehalts auf Fälle mit Auslandsbezug verbietet sich aus verfassungsrechtlichen Gründen.
Eine sachliche Rechtfertigung dafür, daß österreichische Staatsbürger mit einschlägiger fachlicher Tätigkeit in leitender Position im Hinblick auf die Nachsicht vom Befähigungsnachweis schlechter gestellt werden dürfen als EWR-Bürger anderer Staatsangehörigkeit, läßt sich nicht finden.
Wenn durch §373c GewO 1994 iVm §6 der EWR-NachsichtsV für bestimmte Personen der Nachweis der Absolvierung bestimmter einschlägiger fachlicher Tätigkeiten als ausreichend angesehen wird, um jenen öffentlichen Interessen zu entsprechen, die im Regelfall durch den Nachweis der Befähigung erreicht werden sollen, so stellte es einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit dar, wollte man anderen Personen den Zugang zur Erwerbstätigkeit untersagen, die über dieselben einschlägigen fachlichen Tätigkeiten verfügen und deren Absolvierung nachweisen können, nur weil bei ihnen der "Auslandsbezug" fehlt.
§373c GewO 1994 ermächtigt weder ausdrücklich dazu, seinen Anwendungsbereich auf Fälle mit Auslandsbezug einzuschränken oder die Erteilung einer Nachsicht davon abhängig zu machen, daß die einschlägige fachliche Tätigkeit in leitender Position im Ausland absolviert wurde, noch kann ihm im Wege der Interpretation ein solcher Inhalt beigemessen werden. Er bietet keine Grundlage für eine untergesetzliche Regelung, derzufolge die Absolvierung der dort genannten fachlichen Tätigkeit im Inland die Erteilung einer Nachsicht ausschließt.
(Anlaßfall B3881/95, E v 10.10.97, Aufhebung des angefochtenen Bescheides).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Gewerberecht, Gewerbeberechtigung, EWR, Inländerdiskriminierung, Nachsicht (vom Befähigungsnachweis), Reisebüros, Auslegung verfassungskonforme, ErwerbsausübungsfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1997:V76.1997Dokumentnummer
JFR_10028993_97V00076_01