RS Vfgh 1997/10/9 B948/96, B1067/96, B1068/96, B1069/96, B1070/96

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Veröffentlicht am 09.10.1997
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Index

58 Berg- und Energierecht
58/01 Bergrecht

Norm

B-VG Art10 Abs1 Z8
B-VG Art10 Abs1 Z10
B-VG Art10 Abs2
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art102 Abs2
RohrleitungsG §1
BergG 1975 §145, §146
BergG 1975 §172 Abs6

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die verfassungswidrige Annahme der Zuständigkeit der Bergbehörden zur Entscheidung über eine Erdgasleitung; Widerspruch zur bundesstaatlichen Kompetenzverteilung; Rohrleitungen zum Transport von Erdgas keine Bergbauanlagen mangels unmittelbaren Zusammenhangs mit der Förderung oder einer dem Bergwesen zuzuzählenden Speicheranlage

Rechtssatz

Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide der Berufungsbehörde betreffend die Errichtung einer Erdgasleitung.

Zwar ist in §172 Abs6 BergG 1975 eine sukzessive Zuständigkeit der Gerichte vorgesehen; danach tritt mit Anrufung des Gerichtes der Ausspruch der Berghauptmannschaft über die Entschädigung außer Kraft. Da jedoch die bekämpften Bescheide verfahrensrechtliche Bescheide sind, die nicht über die Entschädigung absprechen, hinsichtlich deren Kontrolle die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes nicht ausgeschlossen ist, hat der Verfassungsgerichtshof in der Sache zu entscheiden.

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Unterlassung des Aufgreifens der Unzuständigkeit der Bergbehörde erster Instanz durch die Berufungsbehörde betreffend die Entscheidung über die Errichtung einer Erdgasleitung.

Zwar ist das "Bergwesen" iS des Art10 Abs1 Z10 B-VG - auf welchem das BergG und darauf aufbauend die hier bekämpften Bescheide beruhen - und der alternativ hiezu in Betracht zu ziehende Kompetenztatbestand "Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie" gemäß Art10 Abs1 Z8 B-VG gleichermaßen in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache. Doch ist die Abgrenzung zwischen diesen beiden Kompetenztatbeständen insofern relevant (s. schon VfSlg. 5672/1968), als aufgrund des Kompetenztatbestandes Bergwesen ergangene Bundesgesetze nach Art102 Abs2 B-VG eigene Verwaltungsbehörden des Bundes zu ihrer Vollziehung berufen und die Landesbehörden ermächtigt werden können, "zu einzelnen genau zu bezeichnenden Bestimmungen Ausführungsbestimmungen zu erlassen" (Art10 Abs2 B-VG).

Der BMwA hat dem §146 Abs1, erster Satz, BergG 1975, einen der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung widersprechenden Inhalt unterstellt, wenn er die gesamte Gasleitung G00-035 (zwischen Baumgarten und Tallesbrunn/NÖ) als dem BergG unterliegend beurteilt hat; er hat damit zu Unrecht eine Zuständigkeit der Bergbehörden angenommen.

Unter Bedachtnahme auf die im Versteinerungszeitpunkt maßgebliche Rechtslage zählten nur Regelungen über die Genehmigung solcher Anlagen zum Transport von Bergbauprodukten zum "Bergwesen", die in einem unmittelbaren, insbesondere räumlichen Zusammenhang mit dem Bergbaubetrieb standen.

Gewiß zählen - bestimmte - Regelungen über den Transport mineralischer Rohstoffe zur Aufbereitung oder zur Abgabestelle zum Bergwesen; dies allerdings nur im Rahmen eines örtlich geschlossenen Bergbaubetriebes, gegebenenfalls in dessen unmittelbarer örtlicher Umgebung.

Nicht mehr erfaßt vom Kompetenztatbestand Bergwesen iS des Art10 Abs1 Z10 B-VG sind jedoch Regelungen über die Genehmigung von Gasrohrleitungen, welche weit auseinanderliegende, für sich relativ selbständige Betriebseinheiten zwecks Vorbereitung der - weitere Maßnahmen erfordernden - optimalen Verteilung auf die Verbraucher verbinden.

Die §145 und §146 Abs1 BergG 1975 sind aus kompetenzrechtlicher Sicht bei ihrem Wortlaut zu nehmen und nicht erweiternd zu interpretieren: Rohrleitungen zum Transport von Erdgas, die nicht in einem unmittelbaren, insbesondere räumlichen Zusammenhang mit der Förderung oder einer dem Bergwesen zuzuzählenden Speicheranlage (dazu VfSlg. 13.299/1992) stehen und die von sich aus keine Bergbauanlagen sind, weil ihre Herstellung weder spezielle bergbautechnische Kenntnisse, Mittel und Methoden (vgl. VfSlg. 13.299/1992) erfordert, fallen nicht unter die Bergbauanlagen iS der §145 und §146 BergG 1975.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Bergrecht, VfGH / Zuständigkeit, Kompetenz sukzessive, Behördenzuständigkeit, Kompetenz Bund - Länder Bergrecht, Kompetenz Bund - Länder Gewerbe und Industrie, Versteinerungstheorie

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B948.1996

Dokumentnummer

JFR_10028991_96B00948_2_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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