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62 ArbeitsmarktverwaltungNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Zulässigkeit der Gerichtsanträge auf Aufhebung der Bestimmung des IESG über die Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld ohne weitere Prüfung bei bereits erfolgter Feststellung des Anspruchs durch Aufnahme ins Anmeldungsverzeichnis bei Gericht; Anwendung der Bestimmung auch durch die Gerichte; keine Verletzung des Gleichheitssatzes durch die weniger umfassende Prüfung der Ansprüche von Arbeitnehmern mit bereits exekutionsfähigem Titel aufgrund der Eintragung ins Anmeldungsverzeichnis; sachlich gerechtfertigte Anknüpfung an die Ergebnisse des insolvenzrechtlichen Prüfungsverfahrens; keine Unsachlichkeit durch die Möglichkeit von Mißbräuchen; keine Verletzung des Rechts auf Entscheidung eines zivilrechtlichen Anspruchs durch ein Gericht im materiellen Sinn; Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen durch die GerichteRechtssatz
Zulässigkeit der Anträge des OGH und eines OLG auf Aufhebung des §7 Abs1 zweiter Satz IESG.
Der angefochtene zweite Satz des §7 Abs1 IESG bestimmt, daß das Arbeitsamt dem Antrag auf Insolvenz-Ausfallgeld für einen gesicherten Anspruch ohne weitere Prüfung stattzugeben hat, wenn er nach Inhalt des übersendeten Auszuges des Anmeldungsverzeichnisses im Konkurs- oder im Ausgleichsverfahren festgestellt ist.
Durch die Erhebung der Klage beim Arbeits- und Sozialgericht (zu Zuständigkeit und Verfahren siehe §65, §66 ASGG) tritt der Bescheid der Behörde (Arbeitsamt, Landesarbeitsamt) im Umfang des Klagebegehrens außer Kraft. Die Gerichte haben über den Anspruch des Arbeitnehmers folglich ohne Rücksicht auf den vorausgegangenen Verwaltungsakt ausschließlich aufgrund der Ergebnisse des von ihnen durchzuführenden Verfahrens zu entscheiden. §7 Abs1 IESG ist daher nicht etwa deshalb von den antragstellenden Gerichten anzuwenden, weil sie eine Entscheidung der Behörde zu überprüfen hätten.
Der Verfassungsgerichtshof kann dem Obersten Gerichtshof auch nicht entgegentreten, wenn er die angefochtene Bestimmung ungeachtet ihres Wortlautes auch selbst anwenden zu müssen meint, und ebensowenig den Untergerichten, wenn sie ihm darin folgen.
Dieser Annahme steht auch die Vorschrift des §60 Abs2 KO nicht entgegen.
Da das durchgeführte Verwaltungsverfahren für das mit Klage rechtzeitig angerufene Gericht jede Bedeutung verloren hat, ist die Auffassung immerhin vertretbar, die Gerichte hätten dann, wenn sie in der Sache die Stammfassung der angegriffenen Vorschrift vor der Novelle BGBl. 153/1994 anzuwenden hätten, die Änderung durch die nachfolgende Novelle BGBl. 314/1994 insoweit auch formell nicht mehr zu beachten.
Obwohl die Gerichte nicht darlegen, weshalb sie ihre Anträge nicht auf jenen Teil der angegriffenen Vorschrift beschränken, der sich auf den Konkurs bezieht (um den es in allen Verfahren ausschließlich geht), hält der Verfassungsgerichtshof im Hinblick auf den im Einzelfall möglichen Zusammenhang der beiden Insolvenzverfahren - die ineinander übergehen können - dafür, daß die angegriffene Vorschrift insofern einen untrennbaren Zusammenhang bildet.
Keine Verletzung des Gleichheitssatzes durch §7 Abs1 zweiter Satz
IESG.
Wenn in bezug auf das dem Konkurs unterworfene Vermögen des Arbeitgebers sachlicherweise die Anerkennung durch den Masseverwalter bei Unterbleiben einer Bestreitung durch einen betroffenen Konkursgläubiger die Wirkungen einer rechtskräftigen Entscheidung über den Anspruch hat und ähnliches in bezug auf das dem Gemeinschuldner zur freien Verfügung stehende Vermögen die Folge des Umstandes ist, daß dieser selbst die Forderung nicht ausdrücklich bestritten hat, während im Bestreitungsfall über den Anspruch erst entschieden werden muß, so ist diese Unterscheidung nicht unsachlich. Es ist aber auch nicht unsachlich, wenn infolgedessen bei Beurteilung des Anspruchs auf Insolvenz-Ausfallgeld nur jener Arbeitnehmer seinen Anspruch in einem streitigen Verfahren nachweisen muß, dem es nicht bereits gelungen ist, die Anerkennung durch den Masseverwalter zu erwirken und einer Bestreitung durch einen Konkursgläubiger oder den Gemeinschuldner zu entgehen. Die Aufgabe der Insolvenz-Entgeltsicherung, den durch die Wirkungen des Insolvenzverfahrens drohenden Ausfall zu vermeiden, rechtfertigt die Anknüpfung an die Ergebnisse des insolvenzrechtlichen Prüfungsverfahrens.
Es ist nicht unsachlich, wenn der Gesetzgeber, der den Arbeitnehmer gegen den Ausfall der ihm im Konkurs des Arbeitgebers zustehenden Forderungen absichern will, an die im Konkurs vorgesehenen Einrichtungen zur Klärung der Rechtslage anknüpft, ohne auch den Fonds wegen der für ihn entstehenden Belastung unabhängig von seinem Eintritt in die Reihe der Gläubiger selbst zu beteiligen.
Aber auch die Möglichkeit von Manipulationen (gemeint offenbar: zwischen Masseverwalter und Arbeitnehmer zu Lasten des Fonds) macht die Regelung nicht unsachlich. Der Verfassungsgerichtshof kann nicht finden, daß es einen entscheidenden Unterschied macht, ob die Anerkennung einer Forderung durch den Masseverwalter bloß den Befriedigungsfonds aller Konkursgläubiger schmälert oder auch die Zahlungspflicht des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds zur Folge hat.
Es kann nicht gesagt werden, daß die Anknüpfung an die Ergebnisse des insolvenzrechtlichen Prüfungsverfahrens von vornherein wegen der damit verbundenen Mißbrauchsmöglichkeiten oder sonstiger zu erwartender Unzulänglichkeiten die Grenzen der Sachlichkeit überschritten hätte.
Wenn sich der Gesetzgeber dafür entschieden hat, an die zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber entstehende Rechtslage als solche anzuknüpfen und nur jene Fallgruppen anders zu behandeln, in denen die Gefahr des Mißbrauchs besonders groß ist, hat er damit nicht unsachlich gehandelt.
Keine Verletzung des Art6 Abs1 EMRK durch §7 Abs1 zweiter Satz
IESG.
Ob die im IESG enthaltenen Voraussetzungen zutreffen und ob alle Beschränkungen beachtet wurden, prüfen die antragstellenden Gerichte unter Beiziehung des Bundessozialamtes. In diesem Verfahren wird insbesondere auch geprüft, ob der geltend gemachte Anspruch im Konkurs festgestellt wurde (und daher vom Arbeitnehmer gegenüber der Konkursmasse durchzusetzen wäre). So wenig aber das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber Sache des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds ist, wird auch mit der für Zwecke des Konkursverfahrens vorgesehenen Feststellung der Forderungen der Gläubiger nicht über eine Verpflichtung des Fonds entschieden.
Das IESG sichert dem Arbeitnehmer unter den vorgesehenen Voraussetzungen mit den verfügten Beschränkungen im Regelfall nicht die Bezahlung von Ansprüchen, die ihm bei richtiger Beurteilung der Rechtslage gebühren würden, sondern den Ersatz jenes Ausfalles, den er nach dem konkreten Verlauf des Insolvenzverfahrens tatsächlich erleidet.
Unter diesen Umständen wird die Feststellung, ob und in welcher Höhe eine Forderung im Konkurs berücksichtigt wird, auch nicht etwa insofern mit zu einer Sache des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds, als er dafür Arbeitnehmern Ausfallgeld zahlen muß. Daß dabei auch Mißbrauch betrieben werden kann - was der Gesetzgeber in zunehmendem Maße berücksichtigt -, ändert nichts daran, daß die in Rede stehenden Fragen nicht Sache des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds sind.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Zivilprozeß, Arbeits- u Sozialgerichtsbarkeit, Arbeitsrecht, Entgeltfortzahlung, Insolvenzrecht, Gericht Zuständigkeit - Abgrenzung von Verwaltung, VfGH / Prüfungsgegenstand, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Präjudizialität, Insolvenz-AusfallgeldEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1997:G1344.1995Dokumentnummer
JFR_10028985_95G01344_01