RS Vfgh 1997/10/17 G168/96, G285/96

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Veröffentlicht am 17.10.1997
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
EStG 1988 §20 Abs1 Z1
EStG 1988 §33 Abs4 Z3
EStG 1988 §34 Abs7
EStG 1988 §57 Abs2 Z3

Leitsatz

Aufhebung der die Familienbesteuerung betreffenden Bestimmungen des EStG 1988 wegen Widerspruchs zum Gleichheitsgrundsatz; Unterhaltsleistung an Kinder nicht bloß Sache privater Lebensgestaltung; Unsachlichkeit der Gleichbehandlung von unterhaltspflichtigen und nicht unterhaltspflichtigen Einkommensbeziehern; kein Ausgleich der steuerlichen Belastung der zur Erfüllung der Unterhaltspflicht erforderlichen Einkommensteile durch Transferleistungen; Steuerfreiheit zumindest der Hälfte des für den Unterhalt erforderlichen Einkommens geboten

Rechtssatz

Da die von den Behörden angewendeten Bestimmungen des EStG 1988 miteinander in einem das System der Familienbesteuerung konstituierenden untrennbaren Zusammenhang stehen und für sie auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, sind die Gesetzesprüfungsverfahren insoweit zulässig. Hinsichtlich der nicht angewendeten Vorschriften war das Verfahren einzustellen.

Angewendet wurde von den belangten Behörden auch §34 Abs7 Z3 EStG 1988, demzufolge Unterhaltsleistungen für den Ehepartner durch den Alleinverdienerabsetzbetrag abgegolten sind, und auch im verfassungsgerichtlichen Verfahren ist diese Bestimmung anzuwenden. Sie ist aber von den übrigen in Prüfung genommenen Bestimmungen durchaus trennbar und die in den Prüfungsbeschlüssen aufgeworfenen Bedenken beziehen sich nur auf die nicht ausreichende Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen für Kinder, nicht aber auch auf solche gegenüber Ehegatten. Hinsichtlich der Z3 des §34 Abs7 EStG 1988 (in beiden in Prüfung genommenen Fassungen) waren daher die Verfahren einzustellen.

Die Worte "und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen" in §20 Abs1 Z1 EStG 1988, §33 Abs4 Z3 EStG 1988 idF des FamilienbesteuerungsG 1992, §33 Abs4 Z3 lita EStG 1988 idF des SteuerreformG 1993, §34 Abs7 Z1 EStG 1988 idF des FamilienbesteuerungsG 1992, §34 Abs7 Z1 und Z2 EStG 1988 idF des SteuerreformG 1993 und §57 Abs2 Z3 lita EStG 1988 idF des FamilienbesteuerungsG 1992 werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Da die Unterhaltsleistung an Kinder, wie in VfSlg 12940/1991 dargetan, nicht bloß Sache privater Lebensgestaltung ist, geht es nicht an, jene Einkommensbestandteile, die vom Steuerpflichtigen an die Unterhaltsberechtigten weiterzugeben sind, in diesem Umfang zu besteuern. Auf diese Weise werden nämlich unterhaltspflichtige und nicht unterhaltspflichtige Einkommensbezieher gleicher Einkommenshöhe ungeachtet der unterschiedlichen Höhe des ihnen zur eigenen Verwendung verbleibenden Einkommens gleich behandelt, obwohl es sachlich geboten wäre, die - eben nur zum Teil als Folge privater Lebensgestaltung zu qualifizierenden - Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern steuerlich zumindest so zu berücksichtigen, daß nicht der größere Teil des Unterhaltsaufwandes der Einkommensteuer unterworfen wird. Da die in Prüfung genommenen Bestimmungen für einen keineswegs vernachlässigbaren Teil von Einkommensteuerpflichtigen aber solches bewirken, verletzen sie den Gleichheitsgrundsatz. Zumindest die Hälfe der Einkommensteile, die zur Bestreitung des Unterhalts der Kinder erforderlich sind, müßte im Effekt steuerfrei bleiben.

Die Transferleistungen (Kinderabsetzbeträge und Familienbeihilfen) vermögen die steuerliche Belastung jener Einkommensteile, die zur Erfüllung der Verpflichtung zur Unterhaltsleistung erforderlich sind, nicht auszugleichen, ja sie sind nicht einmal in allen Fällen geeignet, den von den Zivilgerichten bei Ermittlung der Unterhaltspflicht herangezogenen fiktiven Regelbedarf (, bis zu dessen Zweieinhalbfachem die Unterhaltspflicht von den Zivilgerichten angesetzt wird,) abzudecken.

Zwar ist nichts dagegen einzuwenden, daß etwa bei höheren Einkommen die zu leistenden Unterhaltszahlungen nicht zur Gänze, sondern nur bis zu einem bestimmten Höchstbetrag steuerlich berücksichtigt werden, der auch nicht unbedingt die Höhe erreichen muß, die der von den Zivilgerichten angewendeten oben näher dargestellten Methode der Unterhaltsbemessung nach der Prozentsatzkomponente unter Einziehung eines Unterhaltsstops entspricht.

Die in Prüfung stehende Regelung bewirkt aber, daß die zwangsläufig entstehenden Unterhaltsleistungen in vielen Fällen nur in einem geringen Teil steuerlich entlastet werden, und zwar keineswegs nur bei höheren Einkommen, sondern auch bei solchen, die erheblich unter der sozialversicherungsrechtlichen Höchstbemessungsgrundlage liegen.

(Anlaßfälle: E v 01.12.97, B7/95, E v 28.11.97, B1952/96 - Aufhebung der angefochtenen Bescheide; Quasi-Anlaßfälle: E v 28.11.97, B4669/96, B4855/96, B202/97, B426/97, B530/97, B2364/96 ua, B309/97 ua, B676/97, B849/97 ua, B1204/97 ua, B2409/97, B480/97, B2427/97, ua).

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsumfang, Einkommensteuer, Kinder (Steuerrecht), Belastung außergewöhnliche, Unterhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:G168.1996

Dokumentnummer

JFR_10028983_96G00168_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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