TE Vfgh Beschluss 2005/3/3 G221/03

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Veröffentlicht am 03.03.2005
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Index

60 Arbeitsrecht
60/01 Arbeitsvertragsrecht

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
GleichbehandlungsG §5 Abs1, §7 Abs4

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung bereits außer Kraft getretener Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes mangels Legitimation

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Der Einschreiter begehrt mit einem am 10. November 2003 beim Verfassungsgerichtshof eingelangten, auf Art140 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten Antrag, §5 Abs1 sowie den ersten Satz des §7 Abs4 des Bundesgesetzes über die Gleichbehandlung von Frau und Mann im Arbeitsleben, BGBl. 1979/108 idF BGBl. I 1998/44 (im Folgenden: GlBG), als verfassungswidrig aufzuheben.

Die bekämpften Bestimmungen haben folgenden Wortlaut:

"§5. (1) Auf Antrag einer der in §3 Abs3 Z1 bis 4 genannten Interessenvertretung, auf Verlangen der Anwältin für Gleichbehandlungsfragen (Stellvertreterin) (§3a) oder von Amts wegen hat die Kommission insbesondere Gutachten über Fragen der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes zu erstatten.

...

§7. (1) ...

(4) Die Sitzungen der Kommission sind vertraulich und nicht öffentlich. ..."

2. Zur Begründung seiner Antragslegitimation bringt der Einschreiter vor, die Anwältin für Gleichbehandlungsfragen habe im Juli 2002 bei der Gleichbehandlungskommission für die Privatwirtschaft einen Antrag auf Überprüfung einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes wegen sexueller Belästigung einer näher genannten Arbeitnehmerin durch den (nunmehrigen) Antragsteller als ihren ehemaligen Vorgesetzten gestellt. Im August 2003 sei seinem ausgewiesenen Vertreter das "Prüfungsergebnis gemäß §6 Gleichbehandlungsgesetz" zugestellt worden, dem zu Folge die Gleichbehandlungskommission zu der Auffassung gelangt sei, dass der Antragsteller die genannte Arbeitnehmerin sexuell belästigt habe.

Durch dieses "verfassungswidrige Prüfungsergebnis" werde er in seinem Recht auf Ehre und Ansehen verletzt. Er könne dieses Prüfungsergebnis, das weder ein Urteil noch ein Bescheid sei, nicht anfechten, müsse aber damit rechnen, dass es dazu diene, Schadenersatzansprüche gegen ihn geltend zu machen, was wiederum zur Schädigung seines Vermögens und auch zu einem Strafverfahren führen könne. Die Anfechtungsvoraussetzungen gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG seien daher gegeben.

3. Die - behauptete - Verfassungswidrigkeit des §5 Abs1 GlBG gründet der Antragsteller darauf, dass die Gleichbehandlungskommission ihre Entscheidungen in Form von Gutachten erstattet. Da das GlBG keine Möglichkeit vorsehe, das Prüfungsergebnis der Gleichbehandlungskommission im Instanzenzug durch ein Rechtsmittel zu bekämpfen, werde der Grundsatz des fairen Verfahrens gemäß Art6 EMRK verletzt. Richtigerweise habe die Gleichbehandlungskommission als staatliche Behörde einen Bescheid zu erlassen, der mit Berufung oder Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof angefochten werden könnte.

Auch §7 Abs4 erster Satz GlBG sei verfassungswidrig. Sowohl in den Verfahren vor den staatlichen Gerichten als auch in den Verfahren vor der staatlichen Verwaltung, für die das AVG heranzuziehen sei, hätten der Kläger, der Beschuldigte oder die Parteien das Recht auf Akteneinsicht, das Recht, Beweisanträge zu stellen und die Ladung von Zeugen zu beantragen, denen sie in der Verhandlung Fragen stellen könnten. Sie hätten auch das Recht, Protokolle von den Verhandlungen zu erhalten und sich dazu zu äußern. Durch die Wortfolge "vertraulich und nicht öffentlich" würden all diese Rechte abgeschnitten und Art6 EMRK verletzt.

4. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Antragsberechtigung bestreitet und den Bedenken entgegentritt; sie begehrt die Zurückweisung des Individualantrages, hilfsweise den Ausspruch, dass die bekämpften Bestimmungen nicht verfassungswidrig waren.

II. Der Antrag ist nicht zulässig.

1. Mit Art2 des "Bundesgesetz[es], mit dem ein Bundesgesetz über die Gleichbehandlung (Gleichbehandlungsgesetz - GlBG) erlassen und das Bundesgesetz über die Gleichbehandlung von Frau und Mann im Arbeitsleben (Gleichbehandlungsgesetz) geändert werden", BGBl. I 2004/66, wurde das Gleichbehandlungsgesetz BGBl. 1979/108 idF BGBl. I 2001/129 novelliert. Demnach enthält §5 Abs1 des nunmehr als "Bundesgesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft - GBK/GAW-Gesetz" bezeichneten Bundesgesetzes Regelungen betreffend einen/eine Anwalt/Anwältin für die Gleichbehandlung; §7 leg.cit. enthält bloß zwei Absätze. Den hier bekämpften Bestimmungen des GlBG - weitgehend - gleichartige Regelungen finden sich im nunmehr in Geltung stehenden GBK/GAW-Gesetz in §11 Abs1 und in §14 Abs4 erster Satz. Diese Neufassung des GlBG trat mit 1. Juli 2004 in Kraft.

2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB. VfSlg. 16.618/2002 mwH) entfaltet eine im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichtshofes bereits außer Kraft getretene Norm für die Rechtssphäre des Antragstellers regelmäßig nicht mehr die eine Antragstellung rechtfertigende unmittelbare Wirkung. Das Ziel eines Verfahrens nach dem letzten Satz der ersten Absätze in Art139 und 140 B-VG, die rechtswidrige Norm ohne Verzug mit genereller Wirkung aus dem Rechtsbestand zu entfernen, ist mit ihrem Außerkrafttreten schon erreicht.

Dem Antragsteller fehlt demnach die - nicht bloß im Zeitpunkt der Einbringung des Individualantrages, sondern auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes hierüber - erforderliche aktuelle Betroffenheit durch die bereits außer Kraft getretenen Vorschriften und damit die Legitimation zu deren Anfechtung (vgl. zB VfSlg. 13.444/1993 mwN).

3. Der Antrag ist daher schon deshalb als unzulässig zurückzuweisen.

4. Im Hinblick darauf erübrigt sich eine Erörterung der Frage, ob der Antragsteller durch die von ihm zur Aufhebung begehrten Bestimmungen, stünden sie noch in Geltung, in seiner Rechtssphäre berührt sein könnte: Der vom Antragsteller als verfassungswidrig bekämpfte §5 Abs1 GlBG betraf nämlich das Verfahren über a l l g e m e i n e Fragen der Diskriminierung im Arbeitsleben (vgl. nunmehr §11 Abs1 GBK/GAW-Gesetz); dem Antragsvorbringen zu Folge gelangte auf den Antragsteller jedoch die das Verfahren bei Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes im E i n z e l f a l l betreffende Regelung des §6 GlBG (vgl. nunmehr §12 GBK/GAW-Gesetz) zur Anwendung.

5. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Arbeitsrecht, Gleichbehandlung, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:G221.2003

Dokumentnummer

JFT_09949697_03G00221_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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