TE Vfgh Beschluss 2005/3/3 G115/03

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Veröffentlicht am 03.03.2005
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Index

64 Besonderes Dienst- und Besoldungsrecht
64/03 Landeslehrer

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
LDG 1984 §43

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags eines Lehrers auf Aufhebung einer Bestimmung betreffend die Lehrverpflichtung im Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 mangels unmittelbarer Betroffenheit; Konkretisierung erst durch Diensteinteilung, Erwirkung eines Bescheides betreffend die Dienstpflichten zumutbar

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1.1. Der Antragsteller steht als Lehrer an einer Polytechnischen Schule in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Wien.

1.2. Mit beim Verfassungsgerichtshof am 30. Juni 2003 eingelangtem Individualantrag begehrt der Einschreiter die Aufhebung des §43 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes 1984 idF des Art8 des Budgetbegleitgesetzes 2002, BGBl. I 2001/47 (im Folgenden: LDG).

Die bekämpfte Bestimmung lautet - samt Überschrift - wie folgt:

"Lehrverpflichtung

Arbeitszeit der Landeslehrer mit Ausnahme

der Berufsschullehrer

§43. (1) Die Jahresnorm des Landeslehrers entspricht der in den bundesgesetzlichen Vorschriften vorgesehenen regelmäßigen Dienstzeit (§§48, 64 ff sowie 72 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, BGBl. Nr. 333) eines öffentlich Bediensteten mit gleichem Dienstalter für den dem jeweiligen Schuljahr entsprechenden Zeitraum, wobei der Entfall von Dienstleistungen an Feiertagen bereits in der Jahresnorm und der gesetzlich vorgesehenen Aufteilung auf die einzelnen Tätigkeiten berücksichtigt ist. Die Gesamtstundenzahl pro Schuljahr, die den auf Grund der Schülerzahl der Schule zugewiesenen Planstellen entspricht, ist in einem Rahmen von

1. 720 bis 792 Jahresstunden für die Unterrichtsverpflichtung (Tätigkeiten im Kontakt mit Schülerinnen und Schülern), wobei durch diese Zählung auch alle damit im Zusammenhang stehenden gesetzlich vorgeschriebenen Aufsichtspflichten als berücksichtigt gelten,

2. 600 bis 660 Jahresstunden für die Vor- und Nachbereitung des Unterrichtes sowie Korrekturarbeiten, wobei mit jeder der in Z1 vorgesehenen Unterrichtsstunden eine Jahresstunde in Z2 verbunden ist und

3. dem Differenzbetrag zwischen der Summe der Jahresstunden gemäß Z1 und 2 und der Jahresnorm für sonstige Tätigkeiten gemäß Abs3,

unter Bedachtnahme auf die Anzahl der in der jeweiligen Schule geführten Klassen sowie auf die für die jeweilige Schulart im Lehrplan vorgesehene Stundentafel pro Lehrer aufzuteilen (Diensteinteilung). Die in Z1 und Z2 genannten Zahlen entsprechen den Jahresstunden der Dauer eines Schuljahres im Regelfall. Die Aufteilung ist durch das landesgesetzlich zuständige Organ am Beginn des Schuljahres schriftlich festzulegen. Sind während des Schuljahres Änderungen der Diensteinteilung erforderlich, sind diese ebenfalls schriftlich festzulegen. Wird ein vollbeschäftigter Landeslehrer nicht während des gesamten Unterrichtsjahres verwendet, sind die in Z1 bis 3 genannten Jahresstunden der Verwendungsdauer entsprechend zu aliquotieren. Bei Lehrern für einzelne Unterrichtsgegenstände gilt abweichend von Z1 und 2 jeweils ausschließlich das in Z1 und 2 genannte Höchstausmaß von Jahresstunden.

(2) Die in Abs1 Z1 und 2 festgelegten Ober- und Untergrenzen können in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen innerhalb der Jahresnorm über- oder unterschritten werden. Ein Grund für eine Unterschreitung ist insbesondere die pädagogisch-fachliche Betreuung der für den lehrplanmäßigen Unterricht verwendeten Informationstechnologie-Arbeitsplätze sowie die Betreuung einer eingerichteten Schulbibliothek oder die besondere Eignung eines Lehrers für die Ausübung bestimmter pädagogisch-administrativer Tätigkeiten. Werden die in Abs1 Z1 festgelegten Obergrenzen auf Grund der Lehrfächerverteilung bzw. Diensteinteilung überschritten, darf nur dann eine Überschreitung der Jahresnorm vorgesehen werden, wenn und soweit dies für die Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Schulbetriebes zwingend notwendig und nicht durch anderweitige Maßnahmen vermeidbar ist.

(3) Im Rahmen der Jahresstundensumme gemäß Abs1 Z3 sind

1. für die Erfüllung sonstiger lehramtlicher Pflichten, die grundsätzlich jedem Landeslehrer obliegen (insbesondere §31 dieses Bundesgesetzes oder nach den §§17, 51 Abs1 und 2 und 57 des Schulunterrichtsgesetzes) - mit Ausnahme der Aufsichtspflicht - 100 Jahresstunden,

2. für die Erfüllung der Aufgaben eines Klassenvorstandes und für die Klassenführung 66 Jahresstunden,

3. für die unvorhersehbare Vertretung eines an der Erfüllung seiner Unterrichtsverpflichtung verhinderten Landeslehrers im Sinne von Beaufsichtigung der Schülerinnen und Schüler zehn zu erbringende Jahresstunden,

4. für die Teilnahme an verpflichtenden Fortbildungsveranstaltungen, die im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Lehrers stehen, 15 Jahresstunden und

5. für die Erfüllung besonderer Tätigkeiten der Landeslehrer im Bereich ihres Berufsfeldes (insbesondere die Verwaltung einer organisationsmäßig vorgesehenen und tatsächlich bestehenden Sammlung oder eines Kustodiates, die Teilnahme an Schul- oder Klassenforen, die Teilnahme an Schulveranstaltungen) die zur Erreichung der Jahresnorm fehlenden Jahresstunden des Landeslehrers vorzusehen. Die mit der Übernahme von pädagogischen oder organisatorischen Aufgaben oder von Aufsichtspflichten verbundene Teilnahme eines Landeslehrers an mehrtägigen Schulveranstaltungen zählt dabei je Kalendertag, an dem eine solche Schulveranstaltung stattfindet, bis zum Höchstausmaß von zehn Jahresstunden.

(4) Der Landeslehrer hat erforderlichenfalls auch Unterricht in den Unterrichtsgegenständen zu erteilen, für die er nicht lehrbefähigt ist, ferner Vertretungsstunden zu übernehmen und Freigegenstände, unverbindliche Übungen und Förderunterricht zu halten.

(5) In ganztägigen Schulformen gilt eine Stunde der gegenstandsbezogenen Lernzeit als eine Stunde der Unterrichtsverpflichtung gemäß Abs1 Z1 und eine Stunde der individuellen Lernzeit als eine halbe Stunde der Unterrichtsverpflichtung gemäß Abs1 Z1. Die individuelle Lernzeit darf einem Landeslehrer nur mit dessen Zustimmung übertragen werden.

(6) Die Beschäftigung von Landeslehrern im Freizeitbereich des Betreuungsteiles ganztägiger Schulformen ist nur mit Zustimmung des Landeslehrers zulässig und von der landesgesetzlich hiezu berufenen Behörde allgemein durch Verordnung oder im Einzelfall in die Jahresnorm einzurechnen. Gleiches gilt für den Fall, in dem ein Landeslehrer als Leiter des Betreuungsteiles beschäftigt wird.

(7) An Klassen an allgemein bildenden Pflichtschulen, in denen Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf gemäß §8a des Schulpflichtgesetzes, BGBl. Nr. 76/1985, unterrichtet werden, dürfen Landeslehrer, die keine Lehrbefähigung für Sonderschulen oder zusätzliche Ausbildung für den Unterricht in solchen Klassen besitzen, nur mit ihrer Zustimmung auf Grund des §13 Abs1 zweiter Satz und §20 Abs1 des Schulorganisationsgesetzes, BGBl. Nr. 242/1962, zusätzlich eingesetzt werden. Ist für eine Volksschulklasse, in der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf unterrichtet werden, kein zusätzlicher Lehrer oder ein Lehrer nur mit einem Teil der ihm obliegenden Unterrichtsverpflichtung vorgesehen, so bedarf auch die Verwendung als Klassenlehrer der Zustimmung des Landeslehrers, wenn dieser keine Lehrbefähigung für Sonderschulen oder zusätzliche Ausbildung für den Unterricht in Volksschulklassen, in denen Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf unterrichtet werden, besitzt."

2. Zu seiner Antragslegitimation bringt der Einschreiter Folgendes vor:

"[Der] Antragsteller ist Lehrer an der Polytechnischen Schule 1200 Wien, Engerthstraße 78-80. Er ist also Landeslehrer an einer Pflichtschule und hat 26 Dienstjahre. Er unterrichtet u.a. das Fach Mathematik.

[D]ie konkrete Zuteilung der Arbeitszeit für den jeweiligen Lehrer [erfolgt] durch die sgn. 'Diensteinteilung' der Schulleitung. Letztere Diensteinteilung ist kein Bescheid, sondern eine bloße Weisung.

§43 LDG legt weder fest noch läßt er erkennen, dass die Diensteinteilung mit Bescheid zu erfolgen hätte. Dass sie - selbstverständlich - für den Lehrer verbindlich ist, bedeutet noch nicht, dass ein Bescheid vorläge. Ein Bescheid wäre nur dann anzunehmen, wenn das gesetzlich ausdrücklich vorgesehen wäre (vergl. z. B. Walter-Thienel2 Verwaltungsverfahren I, E 89f zu §56 AVG; vergl. VwGH 94/12/01 Z. 1). Das ist aber vorliegend nicht der Fall.

Bei der Diensteinteilung handelt es sich somit um eine (bloße) Weisung, welche die durch §43 LDG geregelte (und sich im Rahmen der durch jährliche Erlässe des zuständigen Bundesministeriums festgelegten Jahresnorm bewegende) 'abstrakte' Dienstpflicht (insbesondere auch ihre Aufteilung nach den drei Tätigkeitsbereichen) näher konkretisiert.

Mangels Vorliegen eines Bescheides kann eine Überprüfung der mit Diensteinteilung angewendeten Norm des §43 LDG einzig mit Individualantrag gem. Art140 B-VG erreicht werden.

Der Antragsteller wird damit durch §43 LDG unmittelbar in seinen Rechten berührt (und verletzt), da schon das Gesetz allein über seine Rechte und Pflichten entscheidet, ohne dass die eigene Erlassung eines Bescheides notwendig oder auch nur möglich wäre.

Ein unmittelbarer Eingriff liegt im Sinne der ständigen Rechtsprechung des VfGH vor, da schon die bekämpfte Norm an sich die Rechte und Pflichten des Antragstellers nach Art und Ausmaß einseitig bestimmt, durch diese Norm seine rechtlichen Interessen nicht nur potenziell, sondern aktuell beeinträchtigt werden. Die ... gänzlich neue Ausgestaltung der Lehrverpflichtung ist eine - ein wesentliches Element des Dienstverhältnisses betreffende - gesetzliche Änderung und wird unabhängig vom Willen des Landeslehrers unmittelbar durch das Gesetz bewirkt. Dazu kommt, dass mit den unbestreitbaren - und im folgenden noch näher aufzuzählenden - Nachteilen gegenüber früherer Rechtslage die Rechtssphäre des Antragstellers tatsächlich auch verletzt ist.

Da schließlich kein anderer Rechtsweg zur Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit vorliegt, ist die Beschwerde-[richtig:

Antrags-]legitimation de[s] Antragsteller[s] insgesamt gegeben."

II. Der Antrag ist unzulässig.

1. Gemäß Art140 Abs1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen - auch - auf Antrag einer Person, die behauptet, unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist sohin, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteter Weise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (vgl. zB. VfSlg. 12.950/1991).

2. Im vorliegenden Zusammenhang wird aber Art und Ausmaß des vom Antragsteller behaupteten Eingriffes in seine Rechtssphäre nicht (schon) durch das bekämpfte Gesetz selbst eindeutig bestimmt. Vielmehr bedarf es - wie sich aus §43 Abs1 LDG ergibt - bei Festlegung der Arbeitszeit des einzelnen Landeslehrers notwendiger Weise der durch das landesgesetzlich zuständige Organ am Beginn des Schuljahres schriftlich festzulegenden Diensteinteilung. Insoferne ist also die Behauptung des Antragstellers, es würden ihm durch die angefochtene Bestimmung Verpflichtungen auferlegt, die unmittelbar (und aktuell) in seine Rechtssphäre eingreifen, von vornherein nicht geeignet, die oben genannte Prozessvoraussetzung hinreichend darzutun. Dem Antragsteller steht zudem - im Wege der Erwirkung eines dienstrechtlichen Bescheides darüber, in welchem zeitlichen Ausmaß das Erbringen von Dienstleistungen iSd. §43 Abs1 LDG zu seinen Dienstpflichten zählt - ein anderer Weg zur Abwehr des - behaupteter Weise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung. Dieser Weg ist ihm auch zumutbar (vgl. VfGH 16.12.2004 V68/03).

3. Der Antrag war daher schon aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen.

4. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Dienstrecht, Lehrer, VfGH / Individualantrag, Landeslehrer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:G115.2003

Dokumentnummer

JFT_09949697_03G00115_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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