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20 Privatrecht allgemeinNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Zulässigkeit des Individualantrags auf Aufhebung der Ersatzregelung über den Kindesnamen bei Nichteinigung der verheirateten, unterschiedliche Familiennamen führenden Eltern; keine Zumutbarkeit eines Namensänderungsverfahrens; keine Verletzung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens durch die Festlegung des Namens des Vaters als Kindesnamen bei Nichteinigung der Eltern aufgrund der späteren Möglichkeit des Kindes zur Namensänderung; keine Verletzung des Gleichheitssatzes; Entscheidung für den Familiennamen des Vaters im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des GesetzgebersRechtssatz
Zulässigkeit des Individualantrags auf Aufhebung des §139 Abs3 ABGB idF NamensrechtsänderungsG, BGBl 25/1995.
Die Möglichkeit der Einleitung eines Verfahrens zur Namensänderung stellt keinen gangbaren Weg dar, die Frage der Verfassungsmäßigkeit namensrechtlicher Bestimmungen - wie im vorliegenden Fall des §139 Abs3 ABGB - vor den Verfassungsgerichtshof zu bringen, weil nicht gesichert ist, daß eine solche Bestimmung auf diesem Weg tatsächlich an den Gerichtshof herangetragen werden kann (vgl. etwa VfSlg. 13661/1993, 14196/1995).
Die gesetzliche Bestimmung des Namens eines Kindes betrifft nicht nur dieses selbst, sondern auch seine leiblichen Eltern und berührt deren Rechtssphäre, woraus sich die individuelle Betroffenheit sowohl des (mj.) Erstantragstellers als auch der Zweitantragstellerin (Mutter) ergibt.
In der Frage der Vertretung des minderjährigen Erstantragstellers durch die Zweitantragstellerin folgt der Verfassungsgerichtshof der im Antrag dargelegten Ansicht, daß es zur Einbringung des Antrages keiner pflegschaftsbehördlichen Genehmigung bedarf, weil der Antrag keine Vermögensangelegenheiten im Sinn des §154 Abs3 ABGB betrifft (so auch VfSlg. 9267/1981). Im übrigen Abstellen auf die behauptete Zustimmung des Vaters des mj. Erstantragstellers iSd §154 Abs2
ABGB.
Es ist dem Verfassungsgerichtshof verwehrt, der Norm durch Aufhebung bloßer Teile einen völlig veränderten, dem Gesetzgeber überhaupt nicht mehr zusinnbaren Inhalt zu geben, weil dies im Ergebnis geradezu ein Akt positiver Gesetzgebung wäre (VfSlg. 12465/1990, 128).
Durch die im Antrag begehrte Aufhebung des gesamten Abs3 des §139 ABGB wird diesem Gebot entsprochen, weil auf die Vielfalt möglicher Gegebenheiten des Gesetzgebers zur Namensgebung des ehelichen Kindes unter den gegebenen Voraussetzungen Bedacht zu nehmen ist.
Abweisung des Antrags auf Aufhebung des §139 Abs3 ABGB idF NamensrechtsänderungsG, BGBl 25/1995.
Das Namensrecht steht insgesamt einer Reglementierung durch den Gesetzgeber offen und kann von diesem nach durchaus unterschiedlichen Grundsätzen gestaltet werden. Das muß umso mehr für eine "Ersatzregelung" wie die des §139 Abs3 ABGB gelten, bei der es darum geht, den Familiennamen eines Kindes festzusetzen, dessen Eltern sich aus welchen Gründen auch immer außer Stande sahen, in freier Willensbildung einen solchen für ihre Kinder aus einer Reihe von Möglichkeiten - wie dies §93 iVm §139 ABGB vorsieht - auszuwählen. Da ein Kind trotz der gesetzlichen Festsetzung des Familiennamens bei Nichteinigung der Eltern nicht für immer an den Familiennamen des Vaters gebunden ist, sondern sich im Zuge einer Namensänderung gemäß den Bestimmungen des NamensänderungsG 1988, BGBl. 195 idF BGBl. 25/1995, für den Familiennamen der Mutter oder einen gänzlich anderen entscheiden kann, ist dem Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art8 EMRK durch den Gesetzgeber in ausreichendem Maß entsprochen worden.
Da der Gesetzgeber aleatorischen Mitteln von vornherein eine Absage erteilte und auch sonst eine geschlechtsneutrale Regelung seiner Ansicht nach nicht erreicht werden kann, konnte er in dieser "Ersatzregelung" lediglich einen der beiden Familiennamen der Eltern festlegen. In §139 Abs3 ABGB hat sich der Gesetzgeber letzten Endes für den Familiennamen des Vaters entschieden.
Der Gesetzgeber ist nicht gehalten, eine Losentscheidung herbeizuführen.
Ihm kann unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes deshalb nicht entgegengetreten werden, weil es aufgrund des elterlichen Naheverhältnisses nicht unsachlich sein kann, den Familiennamen eines der beiden Elternteile, im vorliegenden Fall jenen des Vaters, als Familiennamen des Kindes zu wählen.
Daß sich der Gesetzgeber für den Familiennamen des Vaters und nicht für den der Mutter entschieden hat, liegt - hierin geht der Verfassungsgerichtshof mit der Äußerung der Bundesregierung konform - im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers.
Schlagworte
Namensrecht, VfGH / Individualantrag, VfGH / Vertreter, VfGH / Prüfungsumfang, Privat- und Familienleben, geschlechtsspezifische Differenzierungen, Gleichheit Frau-MannEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1997:G124.1996Dokumentnummer
JFR_10028796_96G00124_01