RS Vfgh 1997/12/9 G17/97, G18/97, G266/97, G267/97, G268/97, G269/97, G270/97, G271/97, G272/97, V4/

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Veröffentlicht am 09.12.1997
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Index

30 Finanzverfassung, Finanzausgleich
30/02 Finanzausgleich

Norm

Oö Verkehrsverbund-KostenG
Verordnung der Oö Landesregierung vom 27.11.95, LGBl 102, betr Änderung des Beitrags der Gemeinden zum Gesamtabgang an Ab- und Durchtarifierungsverlusten im Oö Verkehrsverbund
Verordnung der Oö Landesregierung vom 28.08.95, LGBl 82, über den Anteil der einzelnen Gemeinden an den Ab- und Durchtarifierungsverlusten im Oö Verkehrsverbund
F-VG 1948 §2
F-VG 1948 §4

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit des Oö Landesgesetzes über den Kostenbeitrag der Gemeinden zum Oö Verkehrsverbund; Übernahme einer öffentlichen Gemeinschaftsaufgabe durch Vereinbarung zwischen Bund und Land zur Einrichtung eines Verkehrsverbundes; Landesgesetzgeber als zuständiger Finanzausgleichsgesetzgeber zur Kostenabwälzung auf die Gemeinden ermächtigt; keine exzessive Benachteiligung der an der reibungslosen Durchführung des Verkehrsverbundes interessierten Gemeinden; keine Bedenken gegen die Aufteilung der Gemeindeanteile im Gesetz; keine Gesetzwidrigkeit der die konkreten Anteile der Gemeinden festsetzenden Verordnungen

Rechtssatz

Der Grundsatz der Selbstträgerschaft der Kosten (§2 F-VG) bezieht sich nicht nur auf die Aufgaben, die in hoheitlicher Form erfüllt werden, sondern auch auf solche, bei deren Besorgung sich die Gebietskörperschaften privatrechtlicher Handlungsformen bedienen. Er gilt überdies nicht nur für Aufgaben, deren Erfüllung durch Gesetz vorgeschrieben ist (Pflichtaufgaben), sondern auch für Aufgaben, die von den Gebietskörperschaften freiwillig übernommen wurden. Eine Aufgabe iSd §2 F-VG liegt daher auch dann vor, wenn eine Gebietskörperschaft auf privatrechtlicher Basis die finanzielle Förderung von im öffentlichen Interesse liegenden Vorhaben oder Verhaltensweisen übernommen hat.

Geht man davon aus, daß im Fall von Gemeinschaftsaufgaben die Aufgabenbesorgung auf mehrere Gebietskörperschaften verteilt ist, dann ist die durch §2 F-VG gebotene - und auch von der Sache her naheliegende - Schlußfolgerung, daß auch die Finanzierung durch die beteiligten Gebietskörperschaften gemeinschaftlich, und zwar entsprechend ihrem Interesse oder ihrer Beteiligung an der fraglichen Aufgabe zu erfolgen hat.

§2 F-VG beinhaltet nicht nur eine Ermächtigung zur Normierung von Kostenabwälzungs- oder Kostenübernahmeregelungen, sondern ermächtigt den zuständigen Gesetzgeber auch, Regelungen über den Ersatz von Aufwendungen zu treffen, wenn der Aufwand für die Besorgung der Aufgabe einer Gebietskörperschaft zunächst von einer anderen Gebietskörperschaft getragen (vorfinanziert) wurde.

Kostenabwälzungen kommen im Hinblick auf §4 F-VG nur in Betracht, wenn die Beteiligung einer Gebietskörperschaft an den Kosten von Aufgaben, die eine andere Gebietskörperschaft besorgt, sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach sachlich gerechtfertigt ist.

Das Oö Landesgesetz vom 29.03.95, LGBl 51, über den Kostenbeitrag der Gemeinden zum Oö Verkehrsverbund (Oö Verkehrsverbund-KostenG) war nicht verfassungswidrig.

Das Land Oberösterreich hat mit dem Bund im sog Grund- und Finanzierungsvertrag die Einrichtung eines Verkehrsverbundes vereinbart. Die damit verbundenen Kosten (Abdeckung der Einnahmenausfälle der Verkehrsunternehmen) sind nach dem Vertrag zu einem Drittel vom Bund und zu zwei Drittel vom Land Oberösterreich zu tragen. Mit diesem Vertrag hat das Land - verfassungsrechtlich unbedenklich - eine öffentliche Aufgabe übernommen.

Im Hinblick auf die zugrundeliegende vertragliche Vereinbarung, die offenbar auf kooperativem Weg zustandegekommen ist, geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, daß der Finanzierungsschlüssel Aufschluß über die Zuordnung der Aufgaben zum Land bzw. zum Bund gibt bzw. - anders gewendet - daß die getroffene Finanzierungsvereinbarung genau dem Grundsatz der Selbstträgerschaft der Kosten nach §2 F-VG entspricht.

Betrachtet man den Oö Verkehrsverbund im Sinn des §2 F-VG als Gemeinschaftsaufgabe des Bundes und des Landes Oberösterreich, so hat der Verfassungsgerichtshof keine Bedenken, hinsichtlich des Teiles der Gemeinschaftsaufgabe, der dem Land Oberösterreich zuzurechnen ist, den Landesgesetzgeber als zuständigen (Finanzausgleichs-)Gesetzgeber anzusehen, der nach §2 F-VG berechtigt ist, den Aufwand für den Aufgabenanteil des Landes Oberösterreich abweichend vom Grundsatz der Selbstträgerschaft zu regeln.

Die Regelung des Oö Verkehrsverbund-KostenG stellt sich als Regelung finanzausgleichsrechtlichen Inhaltes dar, mit der der Oö Landesgesetzgeber als zuständiger Gesetzgeber kompetenzmäßig unbedenklich (§2 F-VG) eine Kostenabwälzung auf die Gemeinden vorgenommen hat.

§4 F-VG enthält (auch) das Gebot, bei der Aufteilung der Kosten einen entsprechenden Konsultationsmechanismus einzuhalten. Die Gemeinden hatten (über den Oö Gemeindebund) die Gelegenheit erhalten, sich zur Kostenbeteiligung zu äußern.

Die Förderung des öffentlichen Nahverkehrs ist als gemeinsame Aufgabe des Bundes, der Länder und der Gemeinden anzusehen. Eine Beteiligung der Gemeinden an den Kosten dieser Aufgabe ist daher dem Grunde nach sachgerecht. Die mit der vertraglichen Regelung (Grund- und Finanzierungsvertrag zwischen Bund und Land Oberösterreich) einerseits und der Regelung des Oö Verkehrsverbund-KostenG andererseits für die fraglichen Jahre bewirkte Aufteilung der Verlustabdeckung (im wesentlichen Drittelung zwischen dem Bund, dem Land Oberösterreich und den Gemeinden dieses Bundeslandes ohne Linz) erscheint dem Verfassungsgerichtshof angesichts des gemeinsamen Interesses an der Einrichtung des Verkehrsverbundes vertretbar. Eine exzessive Benachteiligung der Gemeinden, die an der reibungslosen Durchführung eines Verkehrsverbundes ein besonderes Interesse haben (müssen), ist jedenfalls nicht anzunehmen.

Die auf das Oö Verkehrsverbund-KostenG gestützten, den konkreten Anteil der einzelnen Gemeinden an den Ab- und Durchtarifierungsverlusten im Oö Verkehrsverbund festsetzenden Verordnungen LGBL 82/1995 und LGBl 102/1995 waren nicht gesetzwidrig.

(Anlaßfälle B1527/96 ua, B4989/96, beide E v 10.12.97, Abweisung der Beschwerden betroffener Gemeinden).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Finanzverfassung, Finanzausgleich, Verkehrsverbund

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:G17.1997

Dokumentnummer

JFR_10028791_97G00017_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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