Index
82 GesundheitsrechtNorm
B-VG Art140 Abs3 erster SatzLeitsatz
Aufhebung einer Bestimmung im ApothekenG betreffend die Bedarfsprüfung für eine Apothekenkonzession wegen Verstoß gegen die Erwerbsausübungsfreiheit; Verneinung eines Bedarfes mangels eines Mindestversorgungspotentials der neuen Apotheke kein im öffentlichen Interesse gebotener Eingriff in das Recht auf Erwerbsfreiheit; keine Aufhebung der Vorschriften betreffend eine Prüfung der Existenzgefährdung bestehender öffentlicher Apotheken durch eine neue Apotheke; klaglose Versorgung der Bevölkerung mit Heilmitteln im öffentlichen Interesse gelegenRechtssatz
Errichtet das Gesetz eine Schranke schon für den Zugang zu einer Erwerbstätigkeit, die der Betroffene, der alle subjektiven Voraussetzungen erfüllt, aus eigener Kraft nicht überwinden kann - eine Schranke, wie sie etwa die Bedarfsprüfung darstellt -, so liegt grundsätzlich ein schwerer Eingriff in die verfassungsgesetzlich gewährleistete Erwerbsausübungsfreiheit vor, der nur angemessen ist, wenn dafür besonders wichtige öffentliche Interessen sprechen und wenn keine Alternativen bestehen, um den erstrebten Zweck in einer gleich wirksamen, aber das Grundrecht weniger einschränkenden Weise zu erreichen (zB VfSlg. 11.483/1987, 11.749/1988, 12.643/1991, 13.023/1992).
Der Verfassungsgerichtshof ist der Meinung, daß Regelungen, die im Bereich der Heilmittelversorgung der Bevölkerung die Zulassung zur Erwerbsausübung (auch) von dem Umstand abhängig machen, ob eine Existenzgefährdung bestehender öffentlicher Apotheken eintritt, im öffentlichen Interesse liegen, zur Zielerreichung - nämlich der Sicherung einer bestmöglichen Heilmittelversorgung der Bevölkerung - geeignet sind und für sich allein auch nicht unverhältnismäßig in die Erwerbsausübungsfreiheit eingreifen. Die Regelungen des §10 Abs2 Z2 und Z3 ApothekenG, die den bestehenden öffentlichen Apotheken einen gewissen Existenzschutz gewähren, widersprechen daher nicht dem Art6 StGG. Der diesbezügliche Antrag des Verwaltungsgerichtshofes war sohin abzuweisen.
Aufhebung des §10 Abs2 Z1, Abs3 und der Wortfolge "3 oder" im Abs5 des §10 ApothekenG idF BGBl 362/1990.
Wenn der Gesetzgeber in §10 Abs2 Z1 ApothekenG einen Bedarf an einer neu zu errichtenden Apotheke verneint, sofern die Zahl der von der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke aus zu versorgenden Personen weniger als 5.500 beträgt, so wird damit primär eine Zutrittsschranke zu einer Erwerbstätigkeit errichtet.
Der Verfassungsgerichtshof kann nicht erkennen, warum das öffentliche Interesse an der Heilmittelversorgung durch die Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke gefährdet sein könnte, wenn die ordnungsgemäße Heilmittelversorgung durch die bisher bestehenden öffentlichen Apotheken infolge der Neuerrichtung nicht beeinträchtigt wird.
Die zitierte Regelung dient nicht etwa dem Interesse der Bevölkerung an einer klaglosen Versorgung mit Heilmitteln, sondern eher dem Schutz des Konzessionswerbers vor unrentablen Investitionen. Für einen solchen Schutz sind jedoch keine öffentlichen Interessen erkennbar.
Eine Aufhebung des §10 Abs2 Z1 ApothekenG führt auch nicht zu einer unsachlichen Differenzierung zwischen bestehenden und neu zu errichtenden Apotheken, sondern vielmehr zu einem Abbau der Unterschiede zwischen Konzessionsinhabern und Konzessionswerbern. Auch die neu errichtete Apotheke, deren Versorgungspotential unter
5.500 Personen liegt, genießt insoweit Bestandsschutz, als in ihrem Bereich eine weitere Errichtung nicht in Betracht kommt. Sie hat damit die gleiche Stellung wie eine bestehende öffentliche Apotheke, deren Versorgungspotential aus irgendeinem Grund unter die Zahl von
5.500 Personen gesunken ist. Eine solche Entwicklung berechtigt die Behörde nach der Regelung des §19 ApothekenG nicht zur Zurücknahme der Konzession.
Der Verfassungsgerichtshof kann nicht erkennen, daß die Substitution einer (oder auch mehrerer) ärztlicher Hausapotheken durch eine öffentliche Apotheke, mag diese auch ein Versorgungspotential von weniger als 5.500 Personen aufweisen, typischerweise eine Verschlechterung der Heilmittelversorgung insgesamt zur Folge haben müßte.
Ist die Regelung des §10 Abs2 Z1 ApothekenG wegen Verstoßes gegen Art6 StGG verfassungswidrig, dann ist auch die ausschließlich darauf Bezug nehmende Vorschrift des Abs3 dieser Bestimmung sowie die auf Abs3 Bedacht nehmende Wortfolge in Abs5 als verfassungswidrig aufzuheben.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Apotheken, Konzessionserteilung (Apotheken), Bedarfsprüfung, Erwerbsausübungsfreiheit, VfGH / VerwerfungsumfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1998:G37.1997Dokumentnummer
JFR_10019698_97G00037_01