RS Vfgh 1998/3/4 G330/97, G331/97

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 04.03.1998
beobachten
merken

Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
Stmk BauG §13 Abs4, Abs6

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit von Bestimmungen des Stmk BauG betreffend Abstände zum Nachbargebäude im Hinblick auf das Determinierungsgebot und den Gleichheitsgrundsatz; verfassungskonforme Auslegung möglich

Rechtssatz

Der Verwaltungsgerichtshof hat sowohl §13 Abs4 als auch §13 Abs6 Stmk BauG in den bei ihm anhängigen Beschwerdeverfahren anzuwenden.

Die Feststellung, daß ein bestimmter Sachverhalt nicht unter eine bestimmte Norm zu subsumieren ist, setzt eine Anwendung dieser Norm voraus.

Abweisung der Anträge des Verwaltungsgerichtshofes auf Aufhebung des §13 Abs4 und Abs6 Stmk BauG.

Der Wortlaut des §13 Abs6 Stmk BauG deutet darauf hin, daß auch nur ein Gebäudeteil - und damit auch ein Teil der Gebäudefront, der keine übliche Geschoßeinteilung aufweist - nach den Bestimmungen des §13 Abs6 Stmk BauG zu beurteilen ist, während der verbleibende Teil der Gebäudefront nach §13 Abs4 leg. cit. zu beurteilen ist.

Ergibt die Berechnung nach §13 Abs6 leg. cit. für einen Teil der Gebäudefront den gleichen Abstand wie die Berechnung nach §13 Abs4 Stmk BauG, so ist eine Kollisionsregel nicht erforderlich. Ergibt hingegen die Berechnung nach §13 Abs6 leg. cit. für jenen - höheren - Teil der Gebäudefront, der keine übliche Geschoßhöhe aufweist, beispielsweise einen größeren Abstand als die Berechnung nach Abs4 für den restlichen Teil der Gebäudefront, so ist der höhere Teil der Gebäudefront in einem größeren Abstand von der Grundgrenze zu situieren.

Da es sich beim Baubewilligungsverfahren um ein Projektgenehmigungsverfahren handelt, liegt es nahe, den unbestimmten Gesetzesbegriff "Geschosse, die voll ausgebaut sind" in §13 Abs4 Stmk BauG im Sinne von "Geschossen, die entsprechend dem Bauprojekt voll ausgebaut werden sollen" zu verstehen. Die Wortfolge "voll ausgebaut" ist aber nicht zwingend im Sinne von "zur Gänze (d.h. über die gesamte Geschoßfläche) ausgebaut" auszulegen, sondern es ist nicht ausgeschlossen, diese Bestimmung im Sinne von "für einen bestimmten Verwendungszweck ausgebaut" zu verstehen.

Durch die in §13 Abs4 leg. cit. gewählte Formulierung sollte als für den Abstand zur Grundstücksgrenze maßgeblich einerseits das Geschoß erfaßt werden, das bereits für einen bestimmten Verwendungszweck ausgebaut werden soll und andererseits das Geschoß - hier wird es sich im Regelfall um das Dachgeschoß handeln -, das noch für keinen bestimmten Verwendungszweck ausgebaut werden soll, aber zu Aufenthaltsräumen ausbaufähig ist.

Durch die Formulierung "unter Zugrundelegung einer fiktiven Geschoßeinteilung" in §13 Abs6 Stmk BauG ist es nicht ausgeschlossen, die Horizontalebenen, die für die Einteilung in fiktive Geschosse maßgebend sind, in einem Abstand von 3 m - ausgehend vom Schnittpunkt der Gebäudeecke mit dem natürlichen Gelände - über das ganze Gebäude zu legen, und zwar sowohl auf der Giebelseite als auch auf der Traufenseite.

Demnach wären so viele Geschosse bei der Berechnung des Seitenabstandes anzurechnen, als derartige Horizontalebenen eingezogen werden können. Dabei erscheint es nicht ausgeschlossen, daß eine höhere Anzahl von Horizontalebenen auch nur für einen Teil des Gebäudes maßgebend sein und zur Anrechnung einer höheren Geschoßzahl für diesen Teil führen könnte.

Entscheidungstexte

  • G 330,331/97
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 04.03.1998 G 330,331/97

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, Baurecht, Abstände (Baurecht), Auslegung verfassungskonforme, Determinierungsgebot, Rechtsbegriffe unbestimmte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:G330.1997

Dokumentnummer

JFR_10019696_97G00330_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten