TE Vfgh Erkenntnis 2005/3/8 G42/04 ua

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Veröffentlicht am 08.03.2005
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Allg
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art130 Abs2
FremdenG 1997 §18 Abs1 Z2
FremdenG 1997 §23 Abs2
VfGG §62 Abs1

Leitsatz

Keine Unbestimmtheit und kein Widerspruch zum Rechtsstaatsprinzip durch die Regelungen des Fremdengesetzes 1997 über die Quotenpflicht für den Aufenthaltszweck "selbständige Erwerbstätigkeit"; Ermessensentscheidung der Behörde bei Verteilung der zur Verfügung stehenden Quotenplätze im Sinne des Gesetzes sowie dem Gleichheitssatz genügend zu treffen

Spruch

Die Anträge werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. §18 Abs1 Fremdengesetz 1997, BGBl. I 75 (künftig: FrG), regelte die Erlassung einer Verordnung, mit welcher für jeweils ein Jahr die Anzahl der Niederlassungsbewilligungen (als Höchstzahl) für jeweils bestimmte Aufenthaltszwecke festgelegt und auf die Bundesländer aufgeteilt wird. Dabei ist auch die Entwicklung eines geordneten Arbeitsmarktes zu berücksichtigen. Wollen sich Fremde auf Dauer in Österreich niederlassen und erfüllen sie die Voraussetzungen iSd. §§5 bis 16 FrG (ua. Vorliegen entsprechender Einreise- und Aufenthaltstitel bei Sichtvermerkspflicht, Nichtvorliegen von Versagungsgründen), ist eine (Erst-)Niederlassungsbewilligung im Rahmen der Niederlassungsverordnung - bei Vorhandensein eines "Quotenplatzes" - zu erteilen. §18 Abs1 und 2 FrG lauteten in der Stammfassung (die als verfassungswidrig bekämpfte Norm ist hervorgehoben) wie folgt:

"§18. (1) Die Bundesregierung hat im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates mit Verordnung für jeweils ein Jahr die Anzahl der Niederlassungsbewilligungen festzulegen, die

1. Führungs- und Spezialkräften (Abs6) und deren Ehegatten und minderjährigen unverheirateten Kindern,

2. anderen Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit sowie deren Ehegatten und minderjährigen unverheirateten Kindern, sowie

3. Familienangehörigen Drittstaatsangehöriger, die sich vor dem 1. Jänner 1998 in Österreich niedergelassen haben, höchstens erteilt werden dürfen (Niederlassungsverordnung). Die Bundesregierung hat dabei die Entwicklung eines geordneten Arbeitsmarktes sicherzustellen und in der Verordnung die Bewilligungen so auf die Länder aufzuteilen, wie es deren Möglichkeiten und Erfordernissen entspricht.

(2) Vor Erlassung der Verordnung gemäß Abs1 sind die Wirtschaftskammer Österreich, die Bundesarbeitskammer, die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs, der Österreichische Gemeindebund, der Österreichische Städtebund, der Österreichische Gewerkschaftsbund, die Österreichische Industriellenvereinigung und das Österreichische Wirtschaftsforschungsinstitut zu hören. Den Ländern ist die Möglichkeit zu geben, konkrete Vorschläge für die Zahl der im jeweiligen Bundesland benötigten Niederlassungsbewilligungen zu erstatten (Abs1 Z1 bis 3); die Länder haben hiefür die bestehenden Möglichkeiten im Schul- und Gesundheitswesen sowie - nach Anhörung der maßgeblichen Gemeinden - die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt und - nach Anhörung der Interessenvertretungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer auf Landesebene - die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zu berücksichtigen."

§23 Abs1 FrG sieht vor, dass Fremden, die nach Ablauf ihrer Niederlassungsbewilligung auf Dauer niedergelassen bleiben und die oben erwähnten Voraussetzungen der §§5 bis 16 FrG weiterhin erfüllen, auf Antrag eine weitere Niederlassungsbewilligung mit demselben Zweckumfang zu erteilen ist. Beabsichtigen Fremde nach Ablauf oder während der Gültigkeitsdauer ihrer Niederlassungsbewilligung (erstmals) eine quotenpflichtige unselbständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen und damit den Zweck ihres Aufenthalts zu ändern, ist ihnen auf Antrag eine Niederlassungsbewilligung abgesehen von den sonstigen Voraussetzungen nur zu erteilen, wenn ein Quotenplatz verfügbar ist. §23 Abs1 und 2 FrG in der Stammfassung lauteten (die als verfassungswidrig bekämpfte Norm ist hervorgehoben):

"§23. (1) Fremden, die nach Ablauf der Gültigkeitsdauer ihrer Niederlassungsbewilligung auf Dauer niedergelassen bleiben, ist - sofern die Voraussetzungen des 2. Abschnittes weiterhin gesichert scheinen - auf Antrag eine weitere Niederlassungsbewilligung mit demselben Zweckumfang zu erteilen. Waren die Fremden bisher im Besitz einer Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck und erklären sie nunmehr der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung zu stehen (§7 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 - AlVG, BGBl. Nr. 609), so ist ihnen auf Antrag eine weitere Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck, ausgenommen unselbständige Erwerbstätigkeit, zu erteilen. Die Gültigkeitsdauer der weiteren Niederlassungsbewilligung beginnt mit dem Tag der Erteilung.

(2) Beabsichtigen Fremde in Österreich - nach Ablauf oder während der Gültigkeitsdauer des ihnen zuletzt erteilten Aufenthaltstitels oder nach einer Einschränkung gemäß Abs1 neuerlich - eine quotenpflichtige unselbständige Erwerbstätigkeit auszuüben, so ist ihnen auf Antrag eine weitere Niederlassungsbewilligung dann zu erteilen, wenn für sie eine Sicherungsbescheinigung oder eine Beschäftigungsbewilligung ausgestellt wurde oder sie über eine Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein verfügen; die Erteilung dieser weiteren Niederlassungsbewilligung verringert jedoch die in der Niederlassungsverordnung festgelegte Anzahl an Bewilligungen gemäß §18 Abs1 Z1 oder 2 um eine. Solchen Fremden steht der Familiennachzug gemäß §21 offen. §22 gilt mit der Maßgabe, daß der Antrag bei Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Bewilligungen abzuweisen ist. Für sonstige quotenpflichtige Aufenthaltszwecke gelten die nicht auf das Ausländerbeschäftigungsgesetz bezogenen Bestimmungen dieses Absatzes mit der Maßgabe, daß die Erteilung der weiteren Niederlassungsbewilligung die in der Niederlassungsverordnung festgelegte Anzahl an Bewilligungen gemäß §18 Abs1 Z2 oder Abs4 verringert."

2. Mit der FrG-Novelle 2002, BGBl. I 126, in Kraft getreten mit 1. Jänner 2003, wurden auch die zitierten Bestimmungen geändert:

§18 Abs1 Z2 FrG wurde ersatzlos aufgehoben. Die Änderung des §23 Abs2 FrG hat für dieses Verfahren keine Auswirkungen.

II. 1. Der Verwaltungsgerichtshof hat aus Anlass der bei ihm zu den Zlen. 2002/12/0089, 2003/18/0107, 2003/18/0106, 2003/18/0010 und 2002/18/0013, anhängigen Verfahren wegen Abweisung von Anträgen auf Erteilung von Niederlassungsbewilligungen für den Aufenthaltszweck "selbständige Erwerbstätigkeit" wegen Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Bewilligungen ("Quote") gemäß §23 Abs2 FrG beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 B-VG Anträge gestellt, festzustellen, dass §18 Abs1 Z2 und §23 Abs2 letzter Satz des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I 75, (jeweils in der Stammfassung dieser Absätze) verfassungswidrig waren. Mit diesem Hauptantrag sind Eventualanträge verbunden.

Begründend wird ausgeführt, dass die Erwägungen des Verfassungsgerichtshofes zu §18 Abs1 Z3 iVm. §22 FrG, wie im Erkenntnis vom 8. Oktober 2003, G119, 120/03 dargelegt, auch auf das Zusammenspiel von §23 Abs2 und §18 Abs1 Z2 FrG zutreffen würden, wobei vornehmlich die Überlegungen zu §22 FrG interessieren. Dazu führt der Verwaltungsgerichtshof näher aus:

"[D]er Gesetzgeber [habe] - auch wenn man die Notwendigkeit eines gewissen Ermessensspielraumes in diesem Bereich berücksichtige - nicht im ausreichenden Maß geregelt, wie über zu vergebende Quotenplätze verfügt werden solle. Insofern erweise sich die Regelung auch als unbestimmt.

[...] Der Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes über die Verfassungswidrigkeit des §22 FrG in der Stammfassung im vorgenannten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 8. Oktober 2003 hat keine Auswirkungen auf den im Beschwerdefall anzuwendenden §23 Abs2 FrG; allerdings erklärt dessen letzter Satz u.a. §23 Abs2 vorletzter Satz leg. cit. für anwendbar, dieser wiederum den an sich für andere Verfahren, nämlich solche zur Erteilung von Erstniederlassungsbewilligungen, konzipierten §22 FrG.

Die Erwägungen des Verfassungsgerichtshofes zu §18 Abs1 Z. 3 im Zusammenspiel mit §22 FrG treffen nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes auch auf §23 Abs2 leg.cit. im Zusammenspiel mit §18 Abs1 Z. 2 FrG zu. Der Umstand, dass bei Nichtvorhandensein eines Quotenplatzes die Bescheiderlassung nicht zurückzustellen, sondern der Antrag abzuweisen ist, vermag an der Unbestimmtheit des Kriteriums für die Reihenfolge der Vergabe der Quotenplätze nichts zu ändern. Diese Bestimmung dürfte daher aus denselben Erwägungen verfassungswidrig sein."

2. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung und beantragt, die Anträge als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise festzustellen, dass die angefochtenen Bestimmungen nicht verfassungswidrig waren.

2.1. Sie führt zunächst zu den Prozessvoraussetzungen wie folgt aus:

"Den Anträgen des Verwaltungsgerichtshofes ist ... nicht mit der hinreichenden Deutlichkeit und Ausdrücklichkeit zu entnehmen, mit welcher verfassungsrechtlichen Bestimmung der §18 Abs1 Z2 und die in den Anträgen näher genannten Teile des (bzw. der gesamte) §23 Abs2 FrG 1997 in Konflikt zu stehen scheinen. Der Verwaltungsgerichtshof verabsäumt es auch, eingehend auszuführen, welche Bedenken im Hinblick auf eine Verfassungswidrigkeit der genannten Regelung entstanden sind.

...

In jenem Erkenntnis, auf welches der Verwaltungsgerichtshof zur Darlegung seiner Bedenken zu verweisen beabsichtigt, wurde festgestellt, dass die Bestimmungen des §18 Abs1 Z3 und des §22 FrG 1997, jeweils in der Stammfassung BGBl. I Nr. 75/1997, verfassungswidrig waren (die erstgenannte Bestimmung bis 31. Dezember 2002).

Schon ein Vergleich des Wortlautes der nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof angefochtenen Bestimmungen des §18 Abs1 Z2 und des §23 FrG 1997 zeigt, dass nicht vom Vorliegen der im Erkenntnis VfSlg. 8308/1978 ausgesprochenen Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Verweisung auf (frühere) Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes zur gem. §62 Abs1 VfGG erforderlichen Darlegung der Bedenken ausgegangen werden kann.

§18 Abs1 Z3 FrG 1997, BGBl. I Nr. 75 regelte die Ermächtigung der Bundesregierung (im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates), durch Verordnung die Anzahl der Niederlassungsbewilligungen für 'Familienangehörige Drittstaatsangehöriger, die sich vor dem 1. Jänner 1998 in Österreich niedergelassen haben' während die nunmehrige Z2 die Anzahl der Niederlassungsbewilligungen für 'andere Drittstaatsangehörige zur Ausübung einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit sowie deren Ehegatten und minderjährigen unverheirateten Kindern' zum Inhalt hat.

Soweit in §23 Abs2 FrG 1997 auf die vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig festgestellte Regelung des §22 verwiesen wird, ist festzuhalten, dass diese Bestimmung im Zusammenhang mit der Erteilung weiterer Niederlassungsbewilligungen mit der Maßgabe anzuwenden ist, 'daß der Antrag bei Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Bewilligungen abzuweisen ist'. Da es im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof - dem §23 Abs2 FrG 1997 entsprechend - zu einer Abweisung des Antrages und nicht zu einem Aufschub kam, sind auch die vom Verfassungsgerichtshof im Verfahren G119,120/03 geäußerten Erwägungen im Hinblick auf eine allfällige 'Reihung der aufgeschobenen Anträge' auf das nunmehrige Verfahren G42/04 nicht übertragbar.

Falls mit 'aus den selben Erwägungen' gemeint sein sollte, dass §22 FrG 1997 im Hinblick auf den Aufschub dem rechtsstaatlichen Entscheidungsgebot und im Hinblick auf eine allfällige Reihung dem Bestimmtheitsgebot widersprochen wird, so vermag der Antrag nicht einen Bezug zwischen diesen Gegebenheiten und dem konkreten Sachverhalt herzustellen. Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof unter Punkt 5. selbst einräumt, dass jener Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes zu §22 FrG keine Auswirkungen auf den im Beschwerdefall anzuwendenden §23 Abs2 FrG 1997 habe."

2.2. In der Sache äußert sich die Bundesregierung wie folgt:

"Der Antrag lässt nicht erkennen, warum und inwiefern dieser - zutreffendermaßen hier nicht anwendbare - Kettenverweis auf den (in der Stammfassung verfassungswidrigen) §22 FrG 1997 eine Verfassungswidrigkeit für den konkreten Fall bewirken soll. Ebenso lässt der Antrag offen, welche verfassungsgesetzlich gewährleistete Norm dadurch verletzt sein sollte.

In der Folge begründet der Verwaltungsgerichtshof die Stellung des Haupt- und der Eventualanträge zwar nach dem Kriterium des geringst möglichen Eingriffes (in die gesetzliche Norm), liefert jedoch abermals keine Erklärungen dem Grunde nach.

...

Der dem Verwaltungsgerichtshof vorliegende Anlassfall weist keinerlei Implikationen in familiärer Hinsicht auf und ist schon daher mit der dem VfGH-Erkenntnis zu Grunde liegenden Konstellation nicht vergleichbar.

...

§23 Abs2 FrG (letzter und vorletzter Satz) sieht aber gerade vor, dass es in Fällen wie jenem vom Verwaltungsgerichtshof vorgelegten nicht zu einem Aufschub der Entscheidung und damit auch nicht zur Anwendung dieser problematischen Komponente des §22 FrG kommt. Weder wurde im konkreten Fall die Entscheidung aufgeschoben, noch wurde der Antrag nach bestimmten Kriterien auf einer Warteliste gereiht. Vielmehr hat der Antragsteller eine anfechtbare Behördenentscheidung erhalten. Die Wendung des §23 Abs2 FrG, vorletzter Satz '§22 gilt mit der Maßgabe, dass der Antrag bei Ausschöpfung der vorhandenen Quoten abzuweisen ist' lässt insofern nur noch für die Anwendung jenes Teils des §22 FrG Raum, der - verfassungsrechtlich unbedenklich - ganz allgemein bestimmt, dass eine quotenpflichtige Erstniederlassungsbewilligung nur erteilt werden darf, wenn (...) ein entsprechender Quotenplatz (...) noch zur Verfügung steht. In der Praxis bedeutsam ist dies insbesondere dann, wenn ein Fremder, der über einen 'quotenfreien' Aufenthaltstitel und/oder Aufenthaltszweck verfügt, auf eine quotenpflichtige Niederlassungsbewilligung umsteigen will. In jenen Fällen muss nämlich gewährleistet sein, dass die generellen Kriterien für eine ordnungsgemäß geregelte Zuwanderung nicht unterlaufen werden können. Ansonsten würde es zu unerwünschten sekundären Zuwanderungseffekten kommen können, indem sich potentielle Zuwanderer vorerst zB als Studenten deklarieren und eine entsprechende Aufenthaltserlaubnis erhalten, dann jedoch eine Erwerbstätigkeit als Hauptzweck ihres Aufenthaltes verwirklichen und die Zuwanderungsbehörde unter Berufung auf diese Erwerbstätigkeit vor vollendete Tatsachen stellen würde[n].

Erwähnenswert erscheint weiters der Umstand, dass in den Fällen des §23 Abs2 FrG 1997 eine 'weitere Niederlassungsbewilligung' vorliegt, auch wenn tatsächlich das erste Mal eine Niederlassungsbewilligung beantragt wird. Diese gesetzliche Fiktion findet sich auch an anderer Stelle des FrG (vgl. §23 Abs6). Die Sonderbestimmung des §23 Abs2 FrG legt jedoch fest, dass weitere Niederlassungsbewilligungen bei einem Wechsel des Aufenthaltszweckes der Quotenpflicht unterliegen (vgl. die Erkenntnisse des VwGH vom 19. Jänner 2001, Zl. 2000/19/0163, und vom 21. Dezember 2001, Zl. 2001/19/0086). Diese Regelung verdrängt als speziellere Norm die Grundregel des §22 FrG, wonach nur Erstniederlassungsbewilligungen quotenpflichtig sind.

Die unterschiedliche Behandlung im §22 FrG, insofern bei Familiennachzugsfällen (§18 Abs1 Z3 FrG) die Entscheidung bei nicht vorhandenem Quotenplatz aufgeschoben wird, während bei einer Änderung des Aufenthaltszweckes mangels Quotenplatz (§18 Abs1 Z2 FrG) eine Abweisung erfolgt, ist sachlich gerechtfertigt. Während im ersten Fall ein 'Ankerfremder' bereits rechtmäßig in Österreich niedergelassen ist, und der allenfalls nachfolgenden Familie die Niederlassung aus familiären Gründen ebenfalls - nach Maßgabe der durch die Quote reflektierten Aufnahmekapazität - ermöglicht werden soll, kommt es im zweiten Fall zu einer Neuzuwanderung eines Fremden, der sich zwar bereits im Bundesgebiet aufhält, der jedoch zumindest erschließbar zu erkennen gegeben hat, dass er bislang eben noch nicht zugewandert ist (oder zumindest nicht zu einem Zweck, welcher der Quotenpflicht unterliegt). Insofern ist es konsequent, auf das Kriterium der Aufnahmekapazität nicht zu verzichten, wenn der Entschluss zur Zuwanderung erst später gefaßt (oder offengelegt) wird."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat die Gesetzesprüfungsverfahren in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm. §35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden.

IV. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Anträge erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

1.1. Der Ansicht der Bundesregierung, wonach die Anträge des Verwaltungsgerichtshofes nicht konkret darlegen, "aus welchen Gründen den bekämpften Normen eine Verfassungswidrigkeit anzulasten ist", ist nicht zu folgen. Es ist ihr auch nicht zuzustimmen, wenn sie unter Hinweis auf das Erkenntnis VfSlg. 8308/1978 sinngemäß darzutun sucht, dass sich diese Anträge in einer unzulässigen Verweisung auf das Erkenntnis vom 8. Oktober 2003, G119, 120/03, erschöpfen.

Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis VfSlg. 8308/1978 ausgeführt, dass die bloße Verweisung auf eine Vorentscheidung dem Erfordernis des §62 Abs1 VfGG dann gerecht wird, "wenn die seinerzeit aufgehobene und die nunmehr bekämpfte Rechtsvorschrift in den maßgeblichen Bestimmungen und auch in Ansehung des ihnen zugrunde liegenden Lebenssachverhaltes offenkundig gleich sind und [...] die Gründe, die seinerzeit zur Aufhebung der Rechtsvorschrift geführt haben, ohne weiteres zur Gänze als Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der nunmehr bekämpften Rechtsvorschrift übertragen werden können".

Die (im Wesentlichen gleichlautenden) Anträge des Verwaltungsgerichtshofes beschränken sich keineswegs auf die bloße Verweisung auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes. Der Verwaltungsgerichtshof macht vielmehr ausdrücklich geltend, dass die angefochtenen Normen zu unbestimmt seien. Er nimmt dabei zwar auf die Erwägungen des Verfassungsgerichtshofes im zitierten Erkenntnis Bezug, geht aber zusätzlich auf den wesentlichen Unterschied zwischen den damals angefochtenen Normen und den nunmehr angefochtenen ein. Angesichts dieser konkreten Fallkonstellation wäre es - iSd. im Erkenntnis VfSlg. 8308/1978 angestellten Überlegungen - "überspitzter Formalismus", wollte man in diesem Vorbringen des Verwaltungsgerichtshofes insgesamt nicht eine deutliche und hinlänglich klare Darlegung der Bedenken iSd. §62 Abs1 VfGG sehen (so VfSlg. 11859/1988). Die Anträge erfüllen damit die Voraussetzungen des §62 Abs1 VfGG.

1.2. Da der Verfassungsgerichtshof nicht berechtigt ist, durch seine Präjudizialitätsentscheidung den antragstellenden Gerichtshof an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, darf er einen Antrag iSd. Art140 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückweisen, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die - angefochtenen - generellen Normen eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtshofes im Anlassfall bildet (VfSlg. 9811/1983, 12189/1989, 14512/1996 ua.).

Die Bundesregierung bestreitet nicht, dass der Verwaltungsgerichtshof in den bei ihm anhängigen Verfahren sowohl §18 Abs1 Z2 FrG, mit welchem die (bundesweite) Teilquote für Niederlassungsbewilligungen zum Zweck der selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeit festgelegt wird, als auch §23 Abs2 FrG, der die Erteilung weiterer Niederlassungsbewilligungen regelt, anzuwenden hat (vgl. insbesondere zum Prüfungsumfang VfGH 8.10.2003, G119, 120/03). Da keine sonstigen Prozesshindernisse vorliegen, sind die Anträge zulässig.

2. In der Sache:

2.1. Der Verwaltungsgerichtshof nimmt unter Hinweis auf die vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 8. Oktober 2003, G119, 120/03, angestellten verfassungsrechtlichen Überlegungen an, dass diese auch §18 Abs1 Z2 iVm. §23 Abs2 letzter Satz FrG verfassungswidrig erscheinen lassen. Dieser verfassungsrechtliche Mangel liegt daher nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes in der Unbestimmtheit der Regelung und gleichzeitig im Widerspruch zum Rechtsstaatsprinzip, "weil nicht im Voraus festgelegt werde, wie die freien Quotenplätze auf die offenen Anträge zu verteilen sind und weder über den Aufschub der Entscheidung noch über die Berücksichtigung der Reihenfolge eine bescheidmäßige Erledigung erfolge".

Vorausgeschickt sei, dass die Anträge der Niederlassungswerber im Falle der Erschöpfung der Quote nach §23 Abs2 FrG - anders als bei Anwendung des vom Verfassungsgerichtshof als rechtsstaatswidrig erachteten §22 FrG - bescheidmäßig abgewiesen werden, sodass die Antragsteller diesfalls eine im Rechtsmittelweg anfechtbare Entscheidung und gleichzeitig eine Begründung für die Versagung des Quotenplatzes erhalten.

Der Verwaltungsgerichtshof wendet nun ein, dass "[d]er Umstand, dass bei Nichtvorhandensein eines Quotenplatzes die Bescheiderlassung nicht zurückzustellen, sondern der Antrag abzuweisen ist, ... an der Unbestimmtheit des Kriteriums für die Reihenfolge der Vergabe der Quotenplätze nichts zu ändern [vermag]".

2.2. Dieser Behauptung vermag der Verfassungsgerichtshof nicht zu folgen:

Für eine zutreffende Sicht der Rechtslage, die im Erkenntnis vom 8. Oktober 2003, G119, 120/03, letztlich zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit des §18 Abs1 Z3 und des §22 FrG führte, muss davon ausgegangen werden, dass der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 14191/1995 das "System der zahlenmäßigen Beschränkung (Quotensystem)" für die Steuerung der Einwanderungspolitik unter Sachlichkeitsaspekten billigte, so zwar, dass jährlich bloß einer beschränkten Zahl von Fremden die Bewilligung erteilt wird, in Vsterreich den Hauptwohnsitz zu begründen. Der Gerichtshof sprach ferner aus, dass es dieses System "geradezu notwendig mit sich [bringt], daß ein bestimmter Teil grundsätzlich gleich gelagerter Einwanderungsfälle unterschiedlich behandelt, also je nachdem positiv oder negativ erledigt wird, ob die ... in Betracht kommende Quote schon ausgeschöpft ist oder nicht". Die bereits vorher außerhalb des Fremdenrechts vom Verfassungsgerichtshof entwickelte Judikatur zur Verteilung von Kontingenten (VfSlg. 12281/1990, 12878/1991, 13329/1993) stellt im Übrigen darauf ab, dass dabei der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz dahin beachtet wird, "daß die Verteilung nach objektiven, sachgerechten Kriterien vorzunehmen ist, die eine nicht durch Unterschiede im Bereich des Tatsächlichen begründete Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Bewilligungswerber vermeidet".

Im Erkenntnis vom 8. Oktober 2003, G119, 120/03 wurde es dann vom Verfassungsgerichtshof als rechtsstaatswidrig bezeichnet, wenn die Rechtmäßigkeit der Zurückstellung des Abspruchs über den Antrag auf Niederlassungsbewilligung nicht überprüft und nicht im Rechtsmittelweg bekämpft werden kann, sowie ungeregelt bleibt, "wie über zu vergebende Quotenplätze verfügt werden soll". Die insofern gerügte und als verfassungswidrig festgestellte Unbestimmtheit der Regelung des §22 FrG verstieß aber, wie der Verfassungsgerichtshof ausdrücklich dargetan hat, nur deswegen gegen das Rechtsstaatsprinzip, weil durch die unbestimmte Regelung "gleichzeitig" verhindert wird, "dass die Antragsteller in einer einem rechtsstaatlichen Verfahren entsprechenden Weise die Kriterien für die Reihung in der ... Warteliste durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts überprüfen lassen können". Die Unbestimmtheit als seinerzeitige Verfassungswidrigkeit des §22 FrG kann angesichts der unterschiedlichen Verfahrensgestaltung - anders als der Verwaltungsgerichtshof meint - der Regelung des §23 Abs2 letzter Satz FrG nicht zur Last gelegt werden.

Wie vielmehr ganz allgemein der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu Kontingentierungen zu entnehmen ist (vgl. VfSlg. 12281/1990, 13329/1993 und 14191/1995), kommt der Behörde bei der Verteilung von Kontingenten "zwangsläufig" (VfSlg. 13329/1993, S 45) ein Auswahlermessen zu, sofern die Zahl der Anträge, die alle rechtlichen Voraussetzungen erfüllen, die Quote übersteigt. Wenn aber bei der Aufteilung eines Kontingents auf eine vergleichsweise größere Zahl von Antragstellern eine Auswahlentscheidung zu treffen ist, so muss deren ermessensweise Handhabung gemäß Art130 Abs2 B-VG vom Sinn des Gesetzes und der Beachtung des Sachlichkeitsgebotes getragen sein (also zB von der Entwicklung des Arbeitsmarktes, den Möglichkeiten im Schul- und Gesundheitswesen sowie auf dem Wohnungsmarkt). Auch dem rechtsstaatlichen Prinzip kann für derartige Auswahlentscheidungen kein Gebot einer erschöpfenden gesetzlichen Vorherbestimmung entnommen werden, sondern nur, dass jede derartige Entscheidung bescheidförmig und damit im Hinblick auf ihre dem Sinn des Gesetzes entsprechende Begründung kontrollfähig getroffen werden muss.

Wenn daher gemäß §23 Abs2 FrG eine Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "selbständige Erwerbstätigkeit" beantragt wurde und wegen Übersteigens der beantragten im Vergleich zu den kraft Quote zur Verfügung stehenden "Plätzen" eine Auswahlentscheidung zu treffen ist, so darf diese iSd. Gesetzes sowie dem Gleichheitssatz genügend nur getroffen werden, wenn ausgehend von der Reihenfolge des Einlangens der Bewilligungsanträge über diese nach Maßgabe und auf Grund der beispielhaft angedeuteten Auswahlkriterien entschieden wird.

3. Die vom Verwaltungsgerichtshof als Bedenken vorgetragene verfassungswidrige Unbestimmtheit der Regelung liegt sohin nicht vor. Den Anträgen des Verwaltungsgerichtshofes war keine Folge zu geben.

V. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Determinierungsgebot, Ermessen, Fremdenrecht, Rechtsschutz, Rechtsstaatsprinzip, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Bedenken

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:G42.2004

Dokumentnummer

JFT_09949692_04G00042_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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