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10 VerfassungsrechtNorm
EMRK Art11 Abs2Leitsatz
Verletzung im Recht auf Versammlungsfreiheit durch vollständige Untersagung aller vom Beschwerdeführer angezeigten Versammlungen während des Staatsbesuches des Regierungschefs der Volksrepublik ChinaRechtssatz
Die besonderen Sicherheitsrisken, die mit dem Besuch des Regierungschefs der Volksrepublik China verbunden waren, das öffentliche Interesse an einem ungefährdeten Aufenthalt des Staatsgastes und seiner Begleitung und die völkerrechtlichen Verpflichtungen (Übereinkommen über die Verhütung, Verfolgung und Bestrafung von Straftaten gegen völkerrechtlich geschützte Personen, BGBl. 488/1977) rechtfertigen auch eine relativ weitgehende Einschränkung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit. Diese Einschränkung darf aber nicht so weit gehen, daß mit der gänzlichen Untersagung den Veranstaltern der geplanten Versammlungen jede Möglichkeit genommen wird, das an sich nicht zu beanstandende Ziel der Versammlung, dem Gast gegenüber mit friedlichen Mitteln die Kritik und Ablehnung gegenüber der Haltung der Verantwortlichen der Volksrepublik China zu den Menschenrechten zum Ausdruck zu bringen, zu erreichen, ohne daß sich die Behörde mit den konkreten, an den einzelnen in Aussicht genommenen Versammlungsorten bestehenden (unterschiedlichen) Sicherheitsrisken ausreichend auseinandergesetzt hätte.
Die Untersagung war offensichtlich vom Bestreben getragen, den Gästen auch den Anblick demonstrierender Menschengruppen zu ersparen und sie dadurch vor einer Konfrontation mit politischen Meinungen zu bewahren, die den politischen Ansichten und Praktiken der Gäste kritisch gegenüberstehen.
Zu einer so weit gehenden Einschränkung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit ermächtigt §6 VersammlungsG in der durch Art11 Abs2 EMRK gebotenen verfassungskonformen Interpretation nicht.
Schlagworte
Versammlungsrecht, Auslegung verfassungskonformeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1998:B2322.1997Dokumentnummer
JFR_10019390_97B02322_01