RS Vfgh 1998/6/15 B626/97

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Veröffentlicht am 15.06.1998
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Index

L9 Sozial- und Gesundheitsrecht
L9200 Altenheime, Pflegeheime, Sozialhilfe

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
Wr SozialhilfeG §26

Leitsatz

Verletzung im Eigentums- und im Gleichheitsrecht durch rückwirkende Anwendung einer erst später in Kraft getretenen Fassung einer Gesetzesbestimmung betreffend Ersatz von Pflegekosten (Sozialhilfe); Verletzung des Vertrauens der Rechtsunterworfenen auf die im Zeitpunkt des Abschlusses der Schenkungsverträge geltende Rechtslage

Rechtssatz

Die Rechtsunterworfenen konnten im Zeitpunkt des Abschlusses von Schenkungsverträgen vor Inkrafttreten der 5. Novelle zum Wr SozialhilfeG aufgrund der im Schenkungszeitpunkt geltenden Rechtslage darauf vertrauen, daß diese Rechtshandlung allein selbst im Fall ihrer späteren Hilfebedürftigkeit infolge einer Unterbringung in einem Pflegeheim der Stadt Wien keine Kostenersatzverpflichtung gegenüber dem Land Wien als Sozialhilfeträger begründen konnte. Der Verfassungsgerichtshof hegt keinen Zweifel, daß §26 Abs1 Wr SozialhilfeG idF LGBl. für Wien Nr. 50/1993 - wenn er den von der belangten Behörde hinsichtlich seines zeitlichen Anwendungsbereiches angenommenen normativen Gehalt hätte - insoweit einen Eingriff in die Rechtsposition der betroffenen Rechtsunterworfenen von beträchtlichem Gewicht darstellen würde, als er rechtsgeschäftliche Verfügungen, die in der Zeit vor dem Inkrafttreten des genannten Gesetzes im Vertrauen auf die damalige Rechtslage vorgenommen wurden, im nachhinein durch Statuierung einer umfassenden Ersatzpflicht für zunächst auf Kosten der Sozialhilfe erbrachte Pflegeleistungen pönalisiert.

Der Verfassungsgerichtshof vermag Gründe, die diesen schwerwiegenden Eingriff in eine bestehende Rechtsposition unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes als gerechtfertigt erscheinen lassen, nicht zu erkennen.

Der Gerichtshof ist jedoch der Ansicht, daß die in Rede stehende Gesetzesbestimmung einer verfassungskonformen Interpretation dergestalt, daß sie sich nur auf jene zur Mittellosigkeit der Betroffenen führenden Rechtshandlungen bzw. Unterlassungen bezieht, die nach ihrem Inkrafttreten eingetreten sind, zugänglich ist (idS auch VwGH 1.7.1997 Z95/08/0124). Von dieser Interpretation ausgehend ist §26 Abs1 Wr SozialhilfeG idF LGBl. für Wien Nr. 50/1993 auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Sozialhilfe, Vertrauensschutz, Rückwirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B626.1997

Dokumentnummer

JFR_10019385_97B00626_2_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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