RS Vfgh 1998/6/17 G372/97, G373/97, G374/97, G375/97, G376/97, G377/97, G378/97, G379/97, G380/97, G

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Veröffentlicht am 17.06.1998
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Index

20 Privatrecht allgemein
20/13 Sonstiges

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
EisenbahnenteignungsG §7 Abs3 idF StrukturanpassungsG 1995
EisenbahnenteignungsG §44
BStG 1971 §20
AVG §74

Leitsatz

Keine sachliche Rechtfertigung der Benachteiligung des in einem Enteignungsverfahren obsiegenden Enteignungsgegners gegenüber dem Enteigneten beim Ersatz der Verfahrenskosten; keine sachliche Rechtfertigung auch der unterschiedlichen Bemessungsregelung bei teilweiser Stattgabe eines Enteignungsantrags; unterschiedliche Regelung des Verfahrenskostenersatzes im Enteignungsverwaltungsverfahren und im daran anschließenden gerichtlichen Entschädigungsverfahren hingegen nicht unsachlich

Rechtssatz

Anwendung des §7 Abs3 EisenbahnenteignungsG idF StrukturanpassungsG 1995 auch bei Prüfung der Beschwerden, die sich gegen Bescheide richten, mit denen ein pauschalierter Kostenersatz für Vertretungshandlungen zuerkannt (und gemäß §7 Abs3 EisenbahnenteignungsG der Höhe nach beschränkt) wurde, die vor dem Inkrafttreten des §7 Abs3 EisenbahnenteignungsG geleistet worden waren. Zwar teilt der Verfassungsgerichtshof die von den Beschwerdeführern zu B2818/95 im Gesetzesprüfungsverfahren neuerlich vertretene Auffassung, daß es bei verfassungskonformer Auslegung "wegen des Rückwirkungsverbotes zu keiner Anwendung des §7 Abs3 EisenbahnenteignungsG auf den gegenständlichen Sachverhalt" kommen durfte, weil er anders auch entsprechende zusätzliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen §7 Abs3 EisenbahnenteignungsG in seinen Prüfungsbeschluß aufgenommen hätte. Gleichwohl hat der Verfassungsgerichtshof schon mit Rücksicht auf die von der belangten Behörde in jenem Beschwerdeverfahren vertretene Rechtsmeinung, wonach §7 Abs3 EisenbahnenteignungsG auch für Vertretungshandlungen in Enteignungsverfahren Anwendung findet, die vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmung am 05.05.95 geleistet wurden, auch selbst jene Gesetzesbestimmung in Wahrnehmung seiner Kontrollaufgabe gemäß Art144 B-VG in den bei ihm anhängigen, oben angeführten Beschwerdefällen anzuwenden.

§44 Abs1 EisenbahnenteignungsG ist auf Grund seiner Ergänzung durch

§7 Abs3 sowie §44 Abs2 EisenbahnenteignungsG im Wege des

Strukturanpassungsgesetzes, BGBl 297/1995, dahin zu verstehen, daß dem Enteigneten der Ersatz "der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen, durch das Gerichtsverfahren verursachten Kosten seiner rechtsfreundlichen Vertretung und sachverständigen Beratung" im gerichtlichen Verfahren durch §44 Abs2 EisenbahnenteignungsG verheißen ist, die "Abgeltung von Aufwendungen, die ihm durch rechtsfreundliche Vertretung oder sachverständige Beratung im Verwaltungsverfahren entstehen", jedoch abschließend in §7 Abs3 EisenbahnenteignungsG geregelt ist. Entsprechend der Intention des StrukturanpassungsG 1995 ist §7 Abs3 EisenbahnenteignungsG dahin auszulegen, daß zusätzlich zur Pauschalvergütung von 1,5 vH der Enteignungsentschädigung, mindestens aber von 5 000 S, der Enteignete keinen Ersatz für die Kosten rechtsfreundlicher Vertretung oder sachverständiger Beratung im Verwaltungsverfahren gegenüber dem Enteigner beanspruchen kann.

Der Verwaltungsgerichtshof geht in E v 03.10.96, Z95/06/0246, davon aus, daß dem in der Sache erfolgreichen Enteignungsgegner infolge der lediglich für den "Enteigneten" geltenden Regelung des §7 Abs3 EisenbahnenteignungsG kein Kostenersatzanspruch zukommt.

§7 Abs3 EisenbahnenteignungsG stellt für den Kostenersatzanspruch primär auf die im Bescheid bestimmte Enteignungsentschädigung ab, die jedoch bei Abwehr der Enteignung durch Abweisung des Enteignungsbegehrens gerade nicht bestimmt wird.

Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner ständigen Rechtsprechung, wonach aus einem Vergleich unterschiedlicher verfahrensrechtlicher Regelungen im Prinzip unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes nichts zu gewinnen ist, weil es dem Gesetzgeber offensteht, sich in unterschiedlichen Verfahrensbereichen für durchaus eigenständige Ordnungssysteme zu entscheiden, die deren jeweiligen Erfordernissen und Besonderheiten Rechnung tragen, sofern nur die betreffenden Verfahrensgesetze in sich gleichheitskonform gestaltet sind (vgl zB VfSlg 9965/1984, 10084/1984, 10770/1986, 13420/1993). Insbesondere widersprechen auch differenzierende Kostenersatzregelungen in verschiedenen Verfahrensbereichen, mögen diese auch miteinander eine gewisse Verwandtschaft aufweisen, (noch) nicht dem Gleichheitssatz (vgl insbesondere VfSlg 9875/1983, 13455/1993). Es widerspricht auch nicht dem Gleichheitssatz, die Kostenersatzregelungen des EisenbahnenteignungsG lediglich einer Partei zugute kommen zu lassen, wenn diese als wirtschaftlich schwächere Partei eines Verfahrens dadurch in die Lage versetzt wird, "den formal vorgesehenen Rechtsschutz auch tatsächlich in Anspruch zu nehmen" (VfSlg 14610/1996).

Es ist nicht unsachlich, den Verfahrenskostenersatz für das Enteignungsverwaltungsverfahren anders zu regeln als im daran anschließenden gerichtlichen Entschädigungsverfahren. Die Bundesregierung verweist zurecht darauf, daß die besondere prozeßtechnische Verzahnung, die den Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg 10367/1985 veranlaßte, die unterschiedlichen Voraussetzungen für die Einbringung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach dem VwGG einerseits und nach dem VfGG andererseits als gleichheitswidrig zu erkennen, zwischen dem verwaltungsbehördlichen Enteignungsverfahren und dem gerichtlichen Entschädigungsverfahren nicht besteht. Schon mit Rücksicht auf §20 Abs3 BStG 1971, demzufolge die verwaltungsbehördliche Entscheidung über die Höhe der Entschädigung mit Anrufung des Gerichtes außer Kraft tritt, kann von der für einen Vergleich der Kostenersatzregelungen unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes notwendigen prozeßtechnischen Verzahnung zwischen dem Enteignungs(verwaltungs-)verfahren und dem gerichtlichen Verfahren über die Höhe der Entschädigung keine Rede sein.

§7 Abs3 EisenbahnenteignungsG 1954, BGBl 71, idF des ArtXVIII Z1 StrukturanpassungsG 1995, BGBl 297, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, den in einem Enteignungsverfahren obsiegenden Enteignungsgegner dadurch zu benachteiligen, daß ihm kein Verfahrenskostenersatz zuerkannt werden darf, während §7 Abs3 EisenbahnenteignungsG dem Enteigneten einen Kostenersatz zugesteht. Es ist von der Sache her schlechterdings nicht einzusehen, daß dem - womöglich unter Zuhilfenahme rechtsfreundlicher Vertretung - im Enteignungsverfahren dadurch obsiegenden Eigentümer, daß der Enteignungsantrag abgewiesen und ihm demgemäß eine Entschädigung nicht zugesprochen wird, dem §7 Abs3 EisenbahnenteignungsG zufolge der Verfahrenskostenersatz vorenthalten wird und somit der Wert des Streitgegenstandes unberücksichtigt bleibt, während dem Enteigneten bei möglicherweise viel geringerem Verfahrenskostenaufwand eine Vergütung nach Maßgabe der festgesetzten Enteignungsentschädigung zuzuerkennen ist. Darüber hinaus ermangelt es auch an jedweder sachlichen Rechtfertigung, im Fall einer teilweisen Stattgabe eines Enteignungsantrags den Verfahrenskostenersatz ausschließlich anhand des Wertes des enteigneten Teiles bemessen, die teilweise Abweisung des Enteignungsantrags und damit den Wert der Sache, deren Enteignung insgesamt beantragt wurde, hingegen beim Verfahrenskostenersatz nicht berücksichtigen zu lassen.

Auch die allgemeine Vorschrift des §74 Abs1 AVG, wonach jeder Beteiligte die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenden Kosten einschließlich der Kosten rechtsfreundlicher Vertretung selbst zu bestreiten hat, vermag keine sachliche Rechtfertigung für die Schlechterstellung des obsiegenden Eigentümers im Vergleich zu dem im Enteignungs(verwaltungs)verfahren gleichsam unterliegenden Enteigneten zu bilden. Unsachlich ist es ferner, im Fall einer nur teilweisen Enteignung die Höhe des Verfahrenskostenersatzes lediglich am Maßstab der Enteignungsentschädigung zu bemessen und damit das teilweise Obsiegen des Enteignungsgegners durch teilweise Abweisung des Enteignungsantrags bei der gesetzlichen Regelung des Maßstabs für den Verfahrenskostenersatz nicht zu berücksichtigen.

(Anlaßfälle: E v 26.06.98, B2818/95, B221/96, B2506/96, B 3361-3366/96, B 3385-3392/96, B 3463-3467/96, B14/97; Quasi-Anlaßfälle: E v 24.06.98, B3490/95, B3497/95, B3736/95, B3114/96; E v 29.09.98, B2780/96, B3204/96 - Aufhebung der angefochtenen Bescheide zumindest hinsichtlich der Abweisung des die zuerkannnte Pauschalvergütung übersteigenden Kostenersatzbegehrens).

Entscheidungstexte

  • G 372-394/97
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 17.06.1998 G 372-394/97

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, Eisenbahnrecht, Enteignung, Verfahren, Verwaltungsverfahren, Kostenersatz, Rechtsschutz, Straßenverwaltung, Sparpaket

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:G372.1997

Dokumentnummer

JFR_10019383_97G00372_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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