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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Verletzung einer Gemeinde im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und im Gleichheitsrecht durch Versagung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung der Änderung eines örtlichen Raumordnungsprogrammes betreffend die Umwidmung von Grundstücken von Grünland-Landwirtschaft in Bauland-Betriebsgebiet; keine Verletzung im Selbstverwaltungsrecht; keine Bedenken gegen Bestimmungen des Nö Gewerbe- und Industrie-Raumordnungsprogrammes; kein ausdrückliches Verbot für Nicht-Standort-Gemeinden, bei der Widmung von Betriebsgebiet auf einen über die Gemeinde hinausreichenden Arbeitsplätzebedarf Bedacht zu nehmenRechtssatz
Die Versagung der Genehmigung des örtlichen Raumordnungsprogrammes würde das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Selbstverwaltung nur dann verletzen, wenn der belangten Behörde der Vorwurf der Verneinung des Selbstverwaltungsrechtes gemacht werden müßte (VfSlg. 9156/1981, 11.633/1988). Ein solcher Fall liegt jedoch hier nicht vor.
Keine Bedenken gegen §5 Abs2 und Abs3 iVm §3 des Nö Gewerbe- und Industrie-Raumordnungsprogrammes, LGBl 8000/28-0 (GuI-ROP).
Der Wortlaut des §5 Abs2 GuI-ROP enthält kein ausdrückliches Verbot für Gemeinden, die keine §3-Standorte sind, bei der Ausweisung von "Betriebsgebiet" auf ein Flächenausmaß Bedacht zu nehmen, das für die Deckung des Arbeitsplätzebedarfes eines über die Gemeinde hinausreichenden Einzugsbereiches erforderlich ist.
Vielmehr trifft diese Bestimmung nur eine Aussage bezüglich der §3-Standortgemeinden, wobei die Formulierung: "Bei der Festlegung der Nutzungsart ... soll ... auf ... Bedacht genommen werden" den Schluß nahelegt, daß der Verordnungsgeber eine die Gemeinde bei Erlassung des Flächenwidmungsplanes bindende und im Falle der Nichteinhaltung zur Versagung der aufsichtsbehördlichen Bewilligung führende Anordnung vermeiden wollte.
§5 Abs2 GuI-ROP enthält keine die Gemeinde bindende Anordnung, sondern entfaltet seine Wirkung in Verbindung mit den vom Land zu treffenden Förderungsmaßnahmen.
Die Versagung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung bezog sich nicht nur auf TOP 12 der Gemeinderatssitzung vom 19.06.96 (2. Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes), sondern auch auf TOP 13 (3. Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes), wobei die 3. Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes bereits aufsichtsbehördlich genehmigt war.
Der belangten Behörde kam daher infolge res iudicata keine Zuständigkeit mehr zu, die aufsichtsbehördliche Genehmigung der Verordnung des Gemeinderates vom 19.06.96, TOP 13, zu versagen.
Der belangten Behörde war es verwehrt, aus §5 Abs2 GuI-ROP abzuleiten, die beschwerdeführende Gemeinde dürfe bei der Widmung von Betriebsgebiet auf einen über die Gemeinde hinausreichenden Arbeitsplätzebedarf nicht Bedacht nehmen.
Aus dem Fehlen der Nutzungsart "Betriebsgebiet" im §5 Abs3 GuI-ROP kann nicht der Schluß gezogen werden, die Ausweisung der Nutzungsart "Betriebsgebiet" finde "in der vorgenannten Bestimmung keine Deckung".
Aus dem Schweigen des Verordnungsgebers kann nicht auf ein Verbot der Ausweisung von Betriebsgebieten geschlossen werden. Eine solche Interpretation - die vom Gedanken getragen scheint, die Gemeinde dürfe nur jene Nutzungsart vorsehen, die das überörtliche Raumordnungsprogramm ihr auszuweisen ausdrücklich erlaubt - verbietet sich vor dem Hintergrund des Selbstverwaltungsrechtes der Gemeinde.
Schlagworte
Gemeinderecht, Selbstverwaltungsrecht, Aufsichtsrecht (Gemeinde), Genehmigung (für Gemeindeverordnung), Raumordnung, Flächenwidmungsplan, res iudicataEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1998:B1548.1997Dokumentnummer
JFR_10019375_97B01548_01