RS Vfgh 1998/9/28 B1261/97

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Veröffentlicht am 28.09.1998
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
StGG Art5
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
DSt 1990 §1
RAO §9

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt; vertretbare Annahme der Berufspflichtenverletzung durch Erhebung des Vorwurfs der "Kostenschinderei" durch Anwaltskollegen betreffend eine Unterlassungsklage wegen Benützung eines Kanzleifaxgerätes für Werbung; keine Inanspruchnahme einer der Behörde nicht zukommenden Zuständigkeit durch Wahrnehmung der ihr gesetzlich eingeräumten Disziplinargewalt durch die belangte Behörde

Rechtssatz

Wenn die belangte Behörde das Gesetz dahin versteht, daß der Vorwurf standeswidrigen Verhaltens, für das jeder Anhaltspunkt fehlt, den Anordnungen des §9 RAO widerspreche, so wird damit weder dem Gesetz ein verfassungswidriger Inhalt unterstellt noch Willkür geübt, sondern von einer vertretbaren Rechtsansicht ausgegangen (vgl VfSlg 13787/1994, 14007/1995). Ebenso beruht es auf einer vertretbaren Rechtsansicht, im Vorwurf, die Kläger hätten ausschließlich aus Kostengründen gehandelt ("Kostenschinderei"), den eines standeswidrigen Verhaltens zu sehen (insoweit vergleichbar VfSlg 13606/1993).

Es liegt zwar auf der Hand, daß weder ein Rechtsanwalt noch sonst jemand stets und immer - wie dies die Formulierung im angefochtenen Bescheid im Ergebnis behauptet - nur danach zu beurteilen ist, was er gesagt hat, nicht aber uU danach, was er gemeint hat. Die Sinnbedeutung einer schriftlichen Äußerung ist ebenso wie die einer mündlichen auch unter Berücksichtigung der Absicht des Autors und mit Einbeziehung der Möglichkeit eines erkennbaren Wortüberschwanges sowie unter Bedachtnahme auf alle sonst wesentlichen (Begleit-)Umstände zu ermitteln (VfSlg 12022/1989).

Die belangte Behörde hat jedoch dem Beschwerdeführer ua auch vorgeworfen, daß sich aus der Klage, die auf die Abstellung einer die Kanzlei der Kläger arbeits- und kostenmäßig belastenden Vorgangsweise abzielte, nicht der geringste Hinweis darauf ergeben hat, daß sie (so der Vorwurf des Beschwerdeführers) ausschließlich aus Kostengründen erhoben worden wäre. Dem Beschwerdeführer mußte klar sein, daß die Werbung per Fax durch seine Mandantin die Kanzlei der Kläger mit den Kosten des Papierverbrauchs belastete und Arbeit verursachte sowie das Faxgerät der Kläger zeitweise blockierte. Dieser Effekt lag auf der Hand, sodaß es keiner weiteren Nachprüfungen durch den Beschwerdeführer bedurfte.

Die belangte Behörde hat Vorschriften angewandt, die ihr Disziplinargewalt verleihen. Sie hat daher nicht eine Disziplinargewalt in Anspruch genommen, für die im Gesetz jegliche Grundlage gefehlt hätte (vgl zur Strafbefugnis VfSlg 5498/1967, 10137/1984).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Erwerbsausübungsfreiheit, Berufsausübungsfreiheit, Rechtsanwälte Disziplinarrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B1261.1997

Dokumentnummer

JFR_10019072_97B01261_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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