TE Vfgh Erkenntnis 2005/3/9 V77/04

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Veröffentlicht am 09.03.2005
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Index

L3 Finanzrecht
L3703 Lustbarkeitsabgabe, Vergnügungssteuer

Norm

B-VG Art18 Abs2
F-VG 1948 §6 Abs2, §7 Abs5, §8 Abs1, Abs2
FAG 1997 §6 Abs1 Z3, §12, §14 Abs1 Z9, §15 Abs3 Z1
FAG 2001 §8 Z3, §14, §15 Abs1 Z8, §16 Abs3 Z1
Krnt VeranstaltungsG 1997 §1 Abs3 litd
Krnt VergnügungssteuerG 1982 §2 Abs4
VergnügungssteuerV 1996 der Stadt Villach vom 17.04.96 §2 Abs1 litd
VergnügungssteuerV 1997 der Stadt Villach vom 15.10.97 §2 Abs1 litd
VergnügungssteuerV 2001 der Stadt Villach vom 30.11.01 §2 Abs1 litd
VergnügungssteuerV 1997 der Stadtgemeinde St. Veit an der Glan vom 25.09.97 §2 Abs1 litd

Leitsatz

Keine finanzausgleichsrechtliche Ermächtigung der Gemeinde zur Besteuerung von Sportwetten in dem freien Beschlussrecht der Gemeinden unterliegenden Vergnügungssteuerverordnungen; Abgaben auf Wetten anlässlich sportlicher Veranstaltungen vom Finanzausgleichsgesetzgeber abschließend dem Typus der Zuschlagsabgabe zugeordnet; keine Ermächtigung der Gemeinden zur Besteuerung von Steuergegenständen außerhalb der Zuschlagsabgabe

Spruch

§2 Abs1 litd der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde St. Veit an der Glan vom 25. September 1997, mit der Vergnügungssteuern ausgeschrieben werden, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die als gesetzwidrig erkannte Bestimmung ist nicht mehr anzuwenden.

Die Kärntner Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu Zl. B1613/03 ein Verfahren über eine Beschwerde gemäß Art144 B-VG gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 13. Oktober 2003, Zl. 3-SV 60-82/1-2003, anhängig, mit dem die Vorstellung der Beschwerdeführer gegen die Vorschreibung von Vergnügungssteuer für den Zeitraum Februar 2001 bis Dezember 2001 für die gewerbsmäßige Vermittlung sowie den gewerbsmäßigen Abschluss von Wetten aus Anlass sportlicher Veranstaltungen als unbegründet abgewiesen wurde.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat anlässlich dieser Beschwerde beschlossen, gemäß Art139 Abs1 B-VG die Gesetzmäßigkeit des §2 Abs1 litd der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde St. Veit an der Glan vom 25. September 1997, mit der Vergnügungssteuern ausgeschrieben werden (künftig: VergnügungssteuerVO St. Veit/Glan), von Amts wegen zu prüfen.

3. Die Kärntner Landesregierung hat im Verordnungsprüfungsverfahren von einer meritorischen Äußerung förmlich Abstand genommen. Der Gemeinderat der Gemeinde St. Veit an der Glan hat auf die Erstattung einer Äußerung formlos verzichtet.

4. Zur Rechtslage:

4.1. Die im gegebenen Zusammenhang relevanten Vorschriften des Kärntner Vergnügungssteuergesetzes 1982, LGBl. 63, idF LGBl. 80/2001, haben folgenden Wortlaut:

"§1

Allgemeines

(1) Die Bestimmungen dieses Gesetzes gelten für Gemeinden, die mit Verordnung des Gemeinderates Vergnügungssteuern auf Grund bundesgesetzlicher Ermächtigung in Hundertsätzen des Eintrittsgeldes (§5 Abs1 und 2) ausschreiben.

(2) Die Gemeinden, die eine Verordnung nach Abs1 erlassen, werden ermächtigt, von den weitergehenden Ermächtigungen dieses Gesetzes Gebrauch zu machen.

(3) Die Ausschreibung und die Verwaltung der Vergnügungssteuern fallen in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde.

§2

Steuergegenstand

(1) Der Vergnügungssteuer unterliegen Veranstaltungen, für die das Kärntner Veranstaltungsgesetz 1997, LGBl. Nr. 95, in seiner jeweiligen Fassung gilt, und Filmvorführungen, die auf Grund des Kinogesetzes 1962, LGBl. Nr. 2/1963, in seiner jeweiligen Fassung einer Berechtigung bedürfen.

(2) Der öffentliche Empfang von Rundfunk- und Fernsehübertragungen und Veranstaltungen von Glücksspielen unterliegen der Vergnügungssteuer.

(3) ...

(4) Der Gemeinderat kann in der Verordnung, mit der die Vergnügungssteuern ausgeschrieben werden, bestimmte Veranstaltungen ausnehmen oder Veranstaltungen einbeziehen, die vom Veranstaltungsgesetz 1997 ausgenommen sind. Dies gilt sinngemäß auch für Filmvorführungen, die einer Berechtigung nach dem Kinogesetz 1962 bedürfen oder davon ausgenommen sind.

(5) Veranstaltungen von Theatern, die aus Mitteln des Bundes, eines Landes oder einer Gemeinde regelmäßige Zuschüsse erhalten, unterliegen der Vergnügungssteuer nicht.

...

§5

Ausmaß

(1) In der Verordnung über die Ausschreibung der Vergnügungssteuern auf Grund bundesgesetzlicher Ermächtigung ist ihr Ausmaß in Hundertsätzen des Eintrittsgeldes bis zum Höchstausmaß von 25 v. H. - bei Filmvorführungen bis zum Höchstausmaß von 10 v. H. - festzusetzen. ...

(2) Werden Eintrittskarten nicht ausgegeben, so gilt das für die Teilnahme an der Veranstaltung entrichtete Entgelt als Eintrittsgeld.

..."

4.2. §1 des Kärntner Veranstaltungsgesetzes 1997, LGBl. 95, idF LGBl. 67/1998, lautet auszugsweise:

"Anwendungsbereich

(1) Dieses Gesetz gilt für alle öffentlichen Theatervorstellungen, Schaustellungen, Darbietungen und Belustigungen (Veranstaltungen), sofern sie nicht ausdrücklich ausgenommen sind (Abs3).

(2) ...

(3) Dieses Gesetz gilt nicht für

a) Veranstaltungen, die in die ausschließliche Zuständigkeit des Bundes zur Gesetzgebung fallen, wie etwa ... Veranstaltungen, die dem Glücksspielmonopol des Bundes unterliegen, ...

b) ...

c) ...

d) Filmvorführungen, die der Bewilligungspflicht nach dem Kinogesetz unterliegen, die Erteilung von Tanzunterricht nach dem Tanzunterrichtsgesetz 1992, die gewerbsmäßige Vermittlung und den gewerbsmäßigen Abschluß von Wetten aus Anlaß sportlicher Veranstaltungen (Totalisateur- und Buchmacherwettengesetz);

..."

4.3. Gemäß §2 Abs1 der VergnügungssteuerVO St. Veit/Glan unterliegen der Vergnügungssteuer (die in Prüfung gezogene Vorschrift ist hervorgehoben):

"a) alle Veranstaltungen, für die das Kärntner Veranstaltungsgesetz, i.d.g.F. LGBl. Nr. 69/1997 gilt,

b) Filmvorführungen, die auf Grund des Kinogesetzes 1962, LGBl. Nr. 2/1963, zuletzt geändert durch LGBl. Nr. 69/1993, einer Berechtigung bedürfen, sowie Filmvorführungen, die ohne Erwerbsabsicht von Unternehmungen überwiegend zu Reklamezwecken für ihre Erzeugnisse oder zur Fremdenverkehrswerbung veranstaltet werden,

c) die Veranstaltung von Glücksspielen und anderen gesetzlich erlaubten Spielen,

d) die gewerbsmäßige Vermittlung sowie der gewerbsmäßige Abschluß von Wetten aus Anlaß sportlicher Veranstaltungen (§1 Abs1 des Gesetzes vom 28. Juli 1919, StGBl. Nr. 388, i.d.g.F.),

e) Veranstaltungen, die ausschließlich auf Straßen oder Plätzen mit öffentlichem Verkehr abgehalten werden und die nach straßenpolizeilichen Bestimmungen anzeigepflichtig oder bewilligungspflichtig sind,"

4.4. Mit Wirkung vom 1. Jänner 2002 wurde die VergnügungssteuerVO St. Veit/Glan von der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde St. Veit an der Glan vom 28. November 2001, mit der Vergnügungssteuern ausgeschrieben werden, abgelöst.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Es haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, die gegen die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes über die Zulässigkeit der Beschwerde und die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung sprechen würden. Das Verordnungsprüfungsverfahren ist daher zulässig.

2. Die in Prüfung gezogene Verordnungsbestimmung entspricht ihrem Inhalt nach §2 Abs1 litd der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Villach vom 17. April 1996, mit der Vergnügungssteuern ausgeschrieben werden, und deren Nachfolgeregelungen. Zu diesen Bestimmungen hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 29. November 2003 (B1239/02, ON 6) und vom 23. Februar 2004 (B1200/03, ON 6) von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung ihrer Gesetzmäßigkeit eingeleitet und mit Erkenntnis vom 15. Oktober 2004 in den gemäß §35 Abs1 VfGG iVm §187 ZPO zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Verfahren Zl. V4,5/04 u.a. ausgesprochen, dass diese Verordnungsbestimmungen als gesetzwidrig aufgehoben werden. Er hat dabei im Hinblick auf die maßgeblichen Regelungen des FAG 1997 bzw. 2001, wonach es sich bei den Gebühren auf Sportwetten um Zuschlagsabgaben handelt (vgl. §12 FAG 1997 bzw. §14 FAG 2001), die Auffassung vertreten, dass den Gemeinden nicht unabhängig davon im Rahmen der allgemein gehaltenen Ermächtigung zur Erhebung von Lustbarkeitsabgaben noch einmal die implizite Ermächtigung zur Besteuerung von Sportwetten erteilt worden sei. Dasselbe trifft auf die nunmehr in Prüfung gezogene Verordnungsbestimmung zu; in der Sache genügt es daher, auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses zu verweisen.

Die in Prüfung gezogene Bestimmung erweist sich daher als gesetzwidrig.

Da sie mit einem auf die Vergangenheit beschränkten zeitlichen Anwendungsbereich (weiterhin) in Geltung steht, war im Sinn der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Abgabengesetzen mit beschränktem zeitlichen Anwendungsbereich (siehe z. B. VfSlg. 8709/1979, S 417; 12.930/1991, S 683; 13.153/1992, S 48; 13.881/1994, S 215) mit einer Aufhebung nach Abs3 des Art139 B-VG und nicht mit einem Ausspruch nach Abs4 der eben genannten Verfassungsbestimmung vorzugehen.

3. Der Ausspruch, dass die als gesetzwidrig erkannte Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist, stützt sich auf Art139 Abs6

B-VG.

4. Die Kundmachungsverpflichtung gründet sich auf Art139 Abs5 B-VG.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.

Schlagworte

Finanzverfassung, Abgabenwesen, Abgaben Gemeinde-, Beschlußrecht, Finanzausgleich, Vergnügungssteuer, Wetten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:V77.2004

Dokumentnummer

JFT_09949691_04V00077_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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