TE Vfgh Erkenntnis 2005/3/9 B1477/04

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.03.2005
beobachten
merken

Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

B-VG Art83 Abs2
AsylG 1997 §24a, §25, §36b, §37b

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung der Berufung der Rechtsberaterin eines unbegleiteten minderjährigen Asylwerbers gegen die Abweisung seines Asylantrages; keine Zuweisung des Beschwerdeführers an eine Betreuungsstelle im Zeitpunkt der Berufungserhebung an den Unabhängigen Bundesasylsenat; Rechtsberater gesetzlicher Vertreter des Minderjährigen bis zu dessen Zuweisung an eine solche Betreuungsstelle

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit Euro 1.962,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer, ein minderjähriger, nigerianischer Staatsangehöriger, reiste am 10. Mai 2004 illegal in das Bundesgebiet ein und beantragte am selben Tag Asyl, im Wesentlichen mit der Begründung, dass er von einem Orakel ausgewählt worden sei und geopfert werden solle.

2. Der Asylantrag des Beschwerdeführers wurde vom Bundesasylamt mit Bescheid vom 28. Mai 2004 gemäß §§7 und 8 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG) abgewiesen.

3. Dieser Bescheid wurde der Rechtsberaterin des Beschwerdeführers bei der Erstbehörde am 28. Mai 2004 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 7. Juni 2004 brachte diese unter Berufung auf das Bestehen eines Vertretungsverhältnisses gemäß §25 Abs2 AsylG für den minderjährigen Beschwerdeführer eine Berufung gegen den Bescheid der Erstbehörde ein.

4. Die belangte Behörde ersuchte mit Schreiben vom 23. Juni 2004 die Bezirkshauptmannschaft Baden um Mitteilung, ob die Rechtsberaterin von dieser Behörde zur Einbringung des Berufungsschriftsatzes bevollmächtigt gewesen ist oder ob die Einbringung der Berufung mit der Wirkung gebilligt wird, dass diese als ursprünglich richtig eingebracht gilt.

5. Die Bezirkshauptmannschaft Baden nahm in ihrem Schreiben vom 5. Juli 2004 Stellung und legte dar, dass eine Billigung nicht erforderlich sei, da der Beschwerdeführer noch keiner Betreuungsstelle zugewiesen worden sei und der Zuständigkeitsübergang der gesetzlichen Vertretung vom Rechtsberater auf den Jugendwohlfahrtsträger erst mit Rechtskraft des (Zulassungs-)Bescheides erfolge.

6. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 17. August 2004 wurde die Rechtsberaterin aufgefordert, entweder eine Vollmacht der Bezirkshauptmannschaft Baden als Organ des zuständigen Jugendwohlfahrtsträgers für die Einbringung der Berufung oder eine Genehmigung einer allenfalls durch den Minderjährigen an die Einschreiterin erteilten Vollmacht durch die Bezirkshauptmannschaft Baden als Organ des zuständigen Jugendwohlfahrtsträgers binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Aufforderung vorzulegen.

Die Rechtsberaterin des Beschwerdeführers legte in ihrer Stellungnahme vom 24. August 2004 im Wesentlichen dar, dass ihr im gegenständlichen Fall die Rechtsmittellegitimation auch nach Zulassung bis zur Zuweisung an eine Betreuungsstelle zukomme. Sie wies darauf hin, dass auch der zuständige Jugendwohlfahrtsträger grundsätzlich Rechtsberater als zuständig für die Einbringung von Berufungen minderjähriger Asylwerber erachte und aus diesem Grund nicht bereit sei, Vollmachten auszustellen, weshalb eine Vollmacht auch nicht vorgelegt worden sei.

7. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 7. Oktober 2004 wird die Berufung gemäß §10 Abs2 iVm §13 Abs3 AVG im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Rechtsberater nur für die Dauer des Zulassungsverfahrens gesetzlicher Vertreter unbegleiteter Minderjähriger werde, nach Zulassung des Verfahrens die Zuständigkeit der gesetzlichen Vertretung jedoch auf den Jugendwohlfahrtsträger jenes Bundeslandes übergehe, in dessen Vollzugsbereich der Asylwerber einer Betreuungseinrichtung zugewiesen werde. Im Falle des Beschwerdeführers sei das Zulassungsverfahren nicht durch eine Mitteilung gemäß §24a Abs3 Z1 AsylG beendet worden, sondern die Entscheidung im Zulassungsverfahren gemäß §24a Abs8 zweiter Satz durch den angefochtenen erstinstanzlichen Bescheid ersetzt worden. Mit Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an die Rechtsberaterin sei das Zulassungsverfahren gemäß §24a Abs8 AsylG und damit auch die Zuständigkeit der Rechtsberaterin zur Vertretung des minderjährigen Beschwerdeführers beendet worden.

II. 1. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher die Verletzung des Rechts auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (BVG BGBl. 390/1973) sowie die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes gerügt und die Aufhebung des Bescheides beantragt wird. Dies wird im Wesentlichen damit begründet, dass entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde der maßgebliche Zeitpunkt für den Übergang der Zuständigkeit zur gesetzlichen Vertretung eines minderjährigen Asylwerbers nicht der Moment der Beendigung des Zulassungsverfahrens sei, sondern gemäß §25 Abs2 letzter Satz AsylG jener Zeitpunkt, zu dem der Asylwerber einer Betreuungsstelle zugewiesen worden sei.

2. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und brachte in der Gegenschrift vom 28. Dezember 2004 ua. Folgendes vor:

"Entgegen den Beschwerdeausführungen stützt sich die Beurteilung des angefochtenen Bescheides, dass die Funktion der seinerzeitigen Einschreiterin als gesetzliche Vertreterin des nunmehrigen Beschwerdeführers mit Zustellung des Bescheides des Bundesasylamtes vom 28.05.2004 geendet hat, nicht auf eine den Grad der Willkür erreichende fehlerhafte Anwendung von §25 Abs2 AsylG, sondern die im angefochtenen Bescheid auf Seiten 8, 9 dargestellten Erwägungen über den Zeitpunkt der Beendigung des Zulassungsverfahrens und die sich aus §39 a AsylG ergebende Beschränkung der Vertretungsbefugnis der Rechtsberater auf das Zulassungsverfahren.

Weiters wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides (Seiten 11, 12) der Unterschied zwischen der von der belangten Behörde als gegeben erachteten gesetzlichen Vertretung des Jugendwohlfahrtsträgers aus dem Titel der Obsorge nach §§211 ff ABGB und der gesetzlichen Vertretung nach 'Zuweisung zu einer Betreuungsstelle' nach §25 Abs2 AsylG unterschieden. Da im vorliegenden Fall unbestrittenermaßen keine derartige Zuweisung an eine Betreuungsstelle erfolgt ist und dies im angefochtenen Bescheid auch nicht zugrunde gelegt wurde, kann eine fehlerhafte Handhabung von §25 Abs2. letzter Satz AsylG durch die belangte Behörde wohl nicht in Betracht gezogen werden.

Beigefügt wird, dass die im vorliegenden - und auch in anderen - Verfahren entstandene Problematik allerdings durchaus darauf zurückzuführen ist, dass aufgrund der aus der Medienberichterstattung bekannten Probleme bei der Handhabung der Bund-Ländervereinbarung über die Grundversorgung (Grundversorgungsvereinbarung - Art15a B-VG) derartige Zuweisungen mangels Umsetzbarkeit kaum getroffen wurden. Deshalb ist es in solchen Fällen nicht zum Entstehen der Vertretungsbefugnis des Jugendwohlfahrtsträgers nach §25 Abs2 AsylG gekommen, während das Entstehen der Vertretungsbefugnis nach §9 AVG i. V. m. §§211 ABGB von Behörden und Rechtsberatern nicht erkannt wurde. Dabei mag es eine Rolle gespielt haben, dass insbesondere die mit der AsylG - Novelle 2003 eingeführte perpetuierte Zuständigkeit des Jugendwohlfahrtsträgers nach §25 Abs2 AsylG zu einer Zurückhaltung der Inanspruchnahme auch der Vertretungsbefugnis nach §9 AVG i. V. m. §§211 ABGB durch Jugendwohlfahrtsträger geführt hat, weil deren nicht anhaltende Ausgestaltung nicht erkannt wurde.

Zu Abschnitt V.2.1. der Beschwerde:

Die Beschwerdeausführungen stehen nicht im Einklang mit dem Wortlaut des Gesetzes. Wie bereits im angefochtenen Bescheid ausgeführt, enthält das Asylgesetz in §24 Abs3 Z1, §24 Abs4 und §24 Abs8 sowie §24 b Abs1 ausdrückliche Vorschriften über das Ende des Zulassungsverfahrens. Damit bleibt kein Raum für eine 'konkludente Mitteilung' der Beendigung des Zulassungsverfahrens. Die Beschwerdeausführungen, dass sich aus der 'unklaren und auslegungsbedürftigen' Formulierung 'ersetzt' in der Bestimmung des §24 a Abs8 vorletzter Satz AsylG 'offenkundig' ergebe, dass diese Mitteilung auch konkludent erfolgen kann, sind nicht schlüssig, da unklare und auslegungsbedürftige Formulierungen wohl naturgemäß keine offenkundigen Regelungen zum Ausdruck bringen können; nicht einmal über Konkludentes. Eine derartige Auslegung wäre auch aus systematischer Sicht als höchst zweifelhaft anzusehen, da sie dem §24 a Abs8 vorletzter Satz wohl nur für jene Fälle einen normativen Anwendungsbereich zuweisen würde, in denen die Behörde es entgegen einer nicht unmittelbar aus dem Gesetz ersichtlichen Verpflichtung unterlassen hat, dem Asylwerber konkludent, also in für ihn nicht notwendig eindeutig erkennbarer Weise, mitzuteilen, dass das Verfahren zulässig ist. Die Möglichkeit einer konkludenten Beendigung des Zulassungsverfahren würde überdies zu Unsicherheit bezüglich des Eintrittes von mit der Zulassung verbundenen Rechtsfolgen, insbesondere im Rahmen der gesetzlichen Vertretung sowie hinsichtlich des Zeitpunktes des Entstehens der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung des Asylwerbers führen.

Zu Abschnitt V.2.2. der Beschwerde:

Nach Auffassung der belangten Behörde ist den Beschwerdeausführungen zur Bedeutung der Wortfolge '; Abs4 gilt.'

nicht zu folgen. Aus dem Wortlaut des vorletzten Satzes von §24a Abs8, wonach die Abweisung des Asylantrages gemäß §6 oder eine Entscheidung gemäß der §§7 oder 10 die Entscheidung im Zulassungsverfahren ersetzt, ergibt sich eindeutig, dass damit auch die in §24 a Abs4 festgelegten Rechtsfolgen einer solchen Entscheidung eintreten sollen, ohne dass es eines weiteren ausdrücklichen Verweises bedarf. Die Beschwerdeausführungen, dass in Fällen des §24 a Abs8 vorletzter Satz AsylG die in §24 a Abs4 AsylG vorgesehenen Rechtsfolgen nicht eintreten sollen, würde allerdings auch nicht im Einklang mit §19 Abs2 AsylG stehen und überdies dem Gesetz auch einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellen, da demgemäß ohne sachliche Rechtfertigung hinsichtlich der Einräumung der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zwischen Asylwerbern, denen gern. §24 a Abs3 Z1 AsylG mitgeteilt wurde, dass das Asylverfahren zulässig ist, und solchen Asylwerbern, denen gegenüber diese Entscheidung durch Abweisung des Asylantrages gemäß §6 oder eine Entscheidung gemäß der §§7 oder 10 ersetzt wird, zu differenzieren wäre, indem der zuletzt genannten Fallgruppe konsequenterweise auch bei Einbringung einer Berufung gegen eine negative Entscheidung des Bundesasylamts keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zukommen würde.

Die weiteren Beschwerdeausführungen in diesem Abschnitt zeigen ebenfalls keine Fehlerhaftigkeit des angefochtenen Bescheides auf, da die der Beurteilung der belangten Behörde zugrunde liegende Feststellung, dass die gesetzliche Vertretung der Rechtsberaterin nach Beendigung des Zulassungsverfahrens geendet hat, nicht auf das Vorliegen einer Zuweisung an eine Betreuungsstelle iSd §25 Abs2 AsylG gestützt wurde.

Zu Abschnitt V.2.3. der Beschwerde:

Die Beschwerdebehauptungen, dass der im angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Zeitpunkt des Überganges der Befugnis zur gesetzlichen Vertretung des minderjährigen Beschwerdeführers von der Rechtsberaterin an den Jugendwohlfahrtsträger zu Unklarheiten hinsichtlich der jeweiligen Verantwortlichkeiten der Vertreter, zu einer Verkürzung der Rechtsmittelfrist und Unklarheiten hinsichtlich des genauen Zeitpunktes des Zuständigkeitsüberganges selbst führen würde, wird nicht geteilt, da der Zeitpunkt der Bescheiderlassung an den Rechtsberater einen klaren Anknüpfungspunkt darstellt. Dem gegenüber würde - was bei der Erstellung der Beschwerde offenbar nicht bedacht wurde - die Anknüpfung an die Zuweisung an eine Betreuungsstelle gem. §25 Abs2 AsylG zu weit schwieriger aufzuklärenden Feststellungsproblemen sowohl für die Asylbehörden als auch für den Asylwerber und seinen Rechtsberater führen. Das Asylgesetz selbst enthält keine Regelungen darüber, wer eine derartige Zuweisung an die Betreuungsstelle eines Bundeslandes vorzunehmen hat und in welcher Rechtsform eine solche Zuweisung zu erfolgen hat. Ebenso fehlen Vorschriften darüber, wem gegenüber eine derartige Zuweisung zu ergehen hat. Bei der Zuweisung handelt es sich anscheinend - wie auch die Bezirkshauptmannschaft Baden in ihrer Stellungnahme vom 05.07.2004 (OZ 2) angesprochen hat - um die 'Zuteilung' durch die Koordinationsstelle des Bundes im Sinne von Art3 Abs2 Z1 der Grundversorgungsvereinbarung - Art15a B-VG gemäß BGBl. I Nr. 80/2004. Auch die Grundversorgungsvereinbarung - Art15a B-VG enthält allerdings keine näheren Vorschriften über Rechtsform und Adressaten dieser Zuteilung, sodass die in den Beschwerdeausführungen vertretene Auslegung noch zu weit unklareren und dem angesprochenen Schutzbedürfnis unbegleiteter minderjähriger Asylwerber noch abträglicheren Ergebnissen führen würde.

Zu Abschnitt V.2.4. der Beschwerde:

Der Vorwurf, die belangte Behörde habe sich durch Erlassung des angefochtenen Bescheides über den eindeutigen Wortlaut des §25 Abs2 AsylG hinweg gesetzt, da sie den Zuständigkeitsübergang (ergänzt: der gesetzlichen Vertretung von der Rechtsberaterin auf den Jugendwohlfahrtsträger) mit Zulassung des Verfahrens, nicht erst mit Zuweisung an eine Betreuungsstelle annimmt, erscheint nicht berechtigt. Wie dem angefochtenen Bescheid entnommen werden kann, stützt sich die Beurteilung, dass die Befugnis der Rechtsberaterin zur gesetzlichen Vertretung des minderjährigen Beschwerdeführers mit Zustellung des Bescheides des Bundesasylamtes am 28.05.2004 geendet hat, auf §24 a Abs8 und §39 a AsylG. Die Vorschrift des §25 Abs2 AsylG wird dazu nicht herangezogen. Dem gegenüber wird auch im angefochtenen Bescheid die Auffassung vertreten, dass eine - anhaltende, von weiteren Verlegungsmaßnahmen unberührte - Zuständigkeit des Jugendwohlfahrtsträgers erst nach erstmaliger Zuweisung des Asylwerbers an die Betreuungsstelle des entsprechenden Bundeslandes erfolgt. §25 Abs2 AsylG trifft seinem Wortlaut nach keine Regelung über die Endigung der Vertretungsbefugnis der Rechtsberaterin, wohl aber über den Beginn der perpetuierten Vertretungsbefugnis des Jugendwohlfahrtsträgers.

Die weiteren Beschwerdeausführungen, wonach die von der Rechtsberaterin eingebrachte Berufung deshalb nicht schwebend unwirksam gewesen sei, weil aus der Stellungnahme der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 05.07.2004 sich bereits ergeben habe, dass eine nachträgliche Genehmigung nicht erfolgen konnte, ist unzutreffend. Aus der Stellungnahme der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 05.07.2004 ergibt sich, dass diese Behörde die Rechtsfolge einer Entscheidung gem. §24 a Abs8 vorletzter Satz AsylG und das allfällige Vorliegen ihrer Zuständigkeit gem. §§211 ff ABGB nicht in Betracht gezogen hat. In einem nach Einlangen dieser Stellungnahme beim Unabhängigen Bundesasylsenat vom zuständigen Mitglied mit dem Sachbearbeiter der Bezirkshauptmannschaft Baden geführten Telefongespräch wurde die eventuelle Inanspruchnahme einer solchen Zuständigkeit nicht ausgeschlossen. Daraufhin ist der Verbesserungsauftrag vom 17.08.2004 an die Rechtsberaterin des nunmehrigen Beschwerdeführers ergangen. Es wird darauf hingewiesen, dass die in den Beschwerdeausführungen anscheinend anheim gestellte Zurückweisung der Berufung ohne Erlassung eines solchen Verbesserungsauftrages an die Rechtsberaterin einen Verfahrensfehler dargestellt hätte."

III. 1. Die Beschwerde, deren meritorischer Erledigung Verfahrenshindernisse nicht entgegenstehen, erweist sich als gerechtfertigt.

2. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg. 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002) oder wenn sie in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 16.079/2001, 16.737/2002).

3. Die relevanten Bestimmungen lauten wie folgt:

§24a. Abs3, 4 und 8:

"(3) Nach Abschluss der Ersteinvernahme ist dem Asylwerber mitzuteilen, dass

1. das Verfahren zulässig ist;

2. beabsichtigt ist, seinen Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen oder

3. beabsichtigt ist, seinen Asylantrag abzuweisen.

(4) Nach Mitteilung gemäß Abs3 Z1 endet der faktische Abschiebeschutz, dem Asylwerber wird die Aufenthaltsberechtigungskarte ausgehändigt und er kann einer Betreuungseinrichtung (§37b) zugewiesen werden.

(8) Entscheidet das Bundesasylamt nicht binnen zwanzig Tagen nach Einbringung des Antrages, dass der Asylantrag als unzulässig gemäß der §§4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, ist der Antrag zugelassen, es sei denn es werden Konsultationen gemäß der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18. Februar 2003 geführt; Abs4 gilt. Die Abweisung des Asylantrages gemäß §6 oder eine Entscheidung gemäß der §§7 oder 10 ersetzt die Entscheidung im Zulassungsverfahren. Satz 1 gilt nicht, wenn sich der Asylwerber dem Verfahren entzieht und das Verfahren eingestellt oder als gegenstandslos abgelegt wird."

§25. Abs2 lautet:

"(2) Mündige Minderjährige, deren Interessen von ihren gesetzlichen Vertretern nicht wahrgenommen werden können, sind berechtigt, Anträge zu stellen und einzubringen. Gesetzlicher Vertreter wird mit Einleitung des Zulassungsverfahrens der Rechtsberater in der Erstaufnahmestelle; nach Zulassung des Verfahrens der örtlich zuständige Jugendwohlfahrtsträger jenes Bundeslandes, dessen Betreuungsstelle der Minderjährige zuerst zugewiesen wird."

§36b. Abs1 lautet:

"(1) Asylwerbern, deren Verfahren zugelassen sind, ist eine Aufenthaltsberechtigungskarte auszustellen. Die Gültigkeitsdauer dieser Karte ist bis zur Rechtskraft des Verfahrens befristet."

§37b lautet:

"(1) Betreuungseinrichtungen sind

a) Betreuungsstellen (Abs2) und

b) die Erstaufnahmestellen, soweit in diesen die Versorgung der Grundbedürfnisse von Asylwerbern, in deren Verfahren noch keine Zulassungsentscheidung getroffen wurde, faktisch gewährleistet wird.

(2) Betreuungsstelle ist jede außerhalb der Erstaufnahmestelle gelegene Unterbringung, in der die Versorgung der Grundbedürfnisse eines Asylwerbers faktisch gewährleistet wird. Die Einrichtung der Betreuungsstellen in den Bundesländern, die Zuteilung von Asylwerbern und deren tatsächliche Unterbringung in allen Bundesländern richtet sich unbeschadet der kompetenzrechtlichen Zuständigkeiten nach der Volkszahl der Bundesländer.

(3) Abs2 zweiter Satz gilt mit der Maßgabe, dass die Asylwerber, die sich in Erstaufnahmestellen befinden, in die Gesamtzahl der auf die Bundesländer zu verteilenden Asylwerber anzurechnen sind."

4. Der gesetzliche Vertreter eines mündigen Minderjährigen, dessen Interessen von ihren gesetzlichen Vertretern nicht wahrgenommen werden können (unbegleitete Minderjährige), ist ab Einleitung des Zulassungsverfahrens der Rechtsberater. Seine Vertretungsbefugnis endet, wie der zweite Halbsatz des zweiten Satzes des §25 Abs2 AsylG zeigt, sobald zwei Kriterien erfüllt sind, nämlich dass erstens das Zulassungsverfahren zu Ende ist und dass zweitens der Minderjährige einer Betreuungsstelle zugewiesen wurde. Solange eines der beiden Kriterien nicht erfüllt ist, ist der Rechtsberater weiterhin der gesetzliche Vertreter des Minderjährigen.

Wenngleich der Gesetzestext an Klarheit zu wünschen übrig lässt, ist dem Gesetzgeber nicht zusinnbar, zwischen Beendigung des Zulassungsverfahrens (§24a Abs8 AsylG) und Zuweisung an eine Betreuungseinrichtung eine zeitliche Lücke zu schaffen, in der der Minderjährige ohne gesetzliche Vertretung ist, sodass nicht gewährleistet ist, dass für den minderjährigen Asylwerber rechtzeitig Berufung erhoben werden kann. Auch kann dem Gesetz nicht unterstellt werden, dass der Minderjährige in der Zeit zwischen der Beendigung des Zulassungsverfahrens und der Zuweisung an eine Betreuungseinrichtung, die unter Umständen nur wenige Tage dauern kann, vom Jugendwohlfahrtsträger des Aufenthaltsortes (§§211 ff. ABGB) vertreten wird, sodass der Minderjährige innerhalb kurzer Zeit drei unterschiedliche gesetzliche Vertreter hätte.

Wie der Beschwerdeführer unbestritten ausführt, war der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Berufungserhebung an den UBAS (noch) keiner Betreuungsstelle zugewiesen.

Die belangte Behörde hat demnach durch die Zurückweisung eine Sachentscheidung verweigert und den Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

Der Bescheid ist daher aufzuheben.

IV. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG; vom zugesprochenen Kostenbetrag entfallen Euro 327,-- auf die Umsatzsteuer.

V. Diese Entscheidung wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen.

Schlagworte

Asylrecht, Jugendfürsorge, Verwaltungsverfahren, Vertreter, Zivilrecht, Rechts- und Handlungsfähigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:B1477.2004

Dokumentnummer

JFT_09949691_04B01477_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten