RS Vfgh 1998/10/5 G117/98

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Veröffentlicht am 05.10.1998
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Index

L9 Sozial- und Gesundheitsrecht
L9200 Altenheime, Pflegeheime, Sozialhilfe

Norm

B-VG Art10 - 15
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
B-VG Art140 Abs7
Sbg SozialhilfeG §8 Abs6
BundespflegegeldG §13

Leitsatz

Verfassungswidrigkeit der Einbeziehung des nach dem Bundespflegegeldgesetz gewährten Taschengeldes bei der Berechnung des Einkommens Behinderter anläßlich der Vorschreibung von Kostenbeiträgen zur Heimunterbringung nach dem Sbg Sozialhilfegesetz; Widerspruch zu den auf eine Erleichterung des Mehraufwandes behinderter Menschen gerichteten Intentionen des Bundesgesetzgebers

Rechtssatz

Zulässigkeit des Verfahrens zur Prüfung des §8 Abs6 Sbg SozialhilfeG; kein untrennbarer Zusammenhang mit §13 BundespflegegeldG.

Der Prüfungsbeschluß ist insoweit nicht zu eng gefaßt, als er §13 BundespflegegeldG nicht in Prüfung zieht, steht doch diese Bestimmung mit der hier in Prüfung gezogenen Wendung in keinem solchen Abhängigkeitsverhältnis, welches es ausschlösse, die eine Bestimmung ohne die andere zu prüfen: Anders als im Falle der im Verfahren VfSlg 10292/1984 geprüften Bestimmungen des Forst- bzw Jagdrechtes wäre es hier vom Regelungsinhalt der beiden Bestimmungen her durchaus denkbar, daß sie - §13 BundespflegegeldG in Fällen wie dem vorliegenden freilich mit eingeschränkter Wirkung - nebeneinander bestehen.

Die Wendung "bundes- oder" im §8 Abs6 Sbg SozialhilfeG, LGBl für Salzburg Nr 19/1975 idF LGBl 49/1996, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Der Verfassungsgerichtshof hält zunächst an seiner in VfSlg 10292/1984 begründeten und seither (VfSlg 13052/1992, 14403/1996 ua) fortgeführten Rechtsprechung fest, wonach es die der Bundesverfassung innewohnende Rücksichtnahmepflicht dem Gesetzgeber der einen Gebietskörperschaft verbietet, die vom Gesetzgeber der anderen Gebietskörperschaft wahrgenommenen Interessen zu negieren und dessen gesetzliche Regelungen zu unterlaufen.

Im Gesetzesprüfungsverfahren ist von keiner Seite angezweifelt worden, daß die in Prüfung gezogene Wendung in §8 Abs6 Sbg SozialhilfeG zu §13 BundespflegegeldG in einem derartigen Verhältnis steht.

Der Anordnung der Berücksichtigung des Pflegegeld-Taschengeldes nach dem BundespflegegeldG in §8 Abs6 Sbg SozialhilfeG als Einkommen (und seine daraus folgende Anrechnung auf Ansprüche nach dem Sbg SozialhilfeG zu 80%) liegt die Überzeugung zugrunde, die in §13 BundespflegegeldG getroffene Vorkehrung sei aus der Sicht der in Salzburg angebotenen Unterbringung für pflegebedürftige Personen überflüssig, daß also maW die in Prüfung gezogene Wendung direkt auf die bundesgesetzliche Norm und ihre Zielsetzungen gerichtet ist.

Im Hinblick darauf, daß sich die Länder im Gliedstaatsvertrag, BGBl 866/1993, auch verpflichtet haben, Landesgesetze und Verordnungen mit gleichen Grundsätzen und Zielsetzungen wie der Bund zu erlassen (Art2 Abs2 zweiter Satz der Vereinbarung BGBl 866/1993), besteht kein Anlaß daran zu zweifeln, daß in dieser Übereinkunft zwischen Bund und Ländern ein angemessener Interessenausgleich zum Ausdruck kommt und daher auch im besonderen §13 BundespflegegeldG Teil dieses Interessenausgleichs ist.

Es ist grundsätzlich Sache der Wertung des zuständigen Gesetzgebers, darüber zu befinden, ob und inwieweit (bei Geldleistungen auch: in welchem Ausmaß) eine Regelung rechtspolitisch erforderlich ist (wobei dem zuständigen Gesetzgeber bei seiner Einschätzung ein weiter Spielraum zusteht).

Der Ausspruch, daß die aufgehobene Bestimmung (hier: Teil des §8 Abs6 Sbg SozialhilfeG) nicht mehr anzuwenden ist, soll dem Umstand Rechnung tragen, daß sich die auf ihrer Grundlage erforderliche Erlassung von Leistungsbescheiden in den in Betracht kommenden Pflegefällen nach der - auf dem Beschwerdeeinlauf beruhenden - Wahrnehmung des Verfassungsgerichtshofes über einen längeren Zeitraum zu erstrecken scheint; mit dem Ausspruch sollen Härtefälle, die sich aus solchen manipulativen Umständen ergeben könnten, vermieden werden.

(Anlaßfall: E v 05.10.98, B2659/97 - Aufhebung des angefochtenen Bescheides; Quasi-Anlaßfälle: E v 07.10.98, B2859/97 ua; E v 14.10.98, B2870/97 ua; E v 16.12.98, B288/98 ua; E v 23.02.99, B1593/98; uvm).

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Prüfungsumfang, Behinderte, Pflegegeld, Sozialhilfe, Kompetenz Bund - Länder, Rechtspolitik, VfGH / Aufhebung Wirkung, Berücksichtigungsprinzip

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:G117.1998

Dokumentnummer

JFR_10018995_98G00117_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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