RS Vfgh 1998/10/7 G51/97, G26/98

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Veröffentlicht am 07.10.1998
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Index

60 Arbeitsrecht
60/02 Arbeitnehmerschutz

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Allg
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
EMRK 7. ZP Art4
VStG §22
ArbeitnehmerInnenschutzG §130
StGB §80, §88

Leitsatz

Kein Verstoß von Strafbestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzG gegen das Doppelbestrafungsverbot des Art4 des 7. ZP der EMRK; verfassungskonforme Interpretation im Falle einer drohenden Doppelbestrafung geboten; Annahme einer Scheinkonkurrenz vom Gesetzgeber nicht ausgeschlossen

Rechtssatz

Denkmögliche Annahme der Präjudizialität des §130 Abs5 Z1 und §130 Abs1 Z15 und Z16 des ArbeitnehmerInnenschutzG sowie des §22 VStG durch die antragstellenden UVS.

Zurückweisung der Eventualanträge auf teilweise Aufhebung des §22 VStG wegen rechtskräftig entschiedener Sache (vgl VfSlg 14696/1996, E v 19.06.98, G275/96).

§130 Abs5 Z1 wie auch §130 Abs1 Z15 und Z16 ArbeitnehmerInnenschutzG - ASchG, BGBl 450/1994, sind - für den Fall einer drohenden Doppelbestrafung - einer verfassungskonformen, das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art4 7. ZP EMRK berücksichtigenden Interpretation zugänglich. Die Bestrafung nach §80 bzw §88 StGB schließt die Bestrafung wegen desselben Verhaltens nach §130 Abs5 Z1 bzw Abs1 Z15 und Z16 ASchG aus.

In Fällen, in denen wie hier eine Handlung gesetzt wird, die sowohl unter die Strafdrohung des §130 Abs5 Z1 bzw Abs1 Z15 oder Z16 ASchG als auch unter die des §80 bzw §88 StGB fällt, wird zwar in der Regel davon auszugehen sein, daß das Delikt der fahrlässigen Körperverletzung bzw Tötung gemäß §80 bzw §88 StGB den Unrechts- und Schuldgehalt des Delikts des §130 Abs5 Z1 bzw Abs1 Z15 oder Z16 ASchG vollständig erschöpft.

Weder aus dem Wortlaut des §130 ASchG noch aus dem Wortlaut der übrigen Bestimmungen des ASchG ergibt sich aber, daß bei der Ahndung der Delikte gemäß §130 ASchG die Annahme einer Scheinkonkurrenz vom Gesetzgeber ausgeschlossen wäre; diese ist vielmehr gegebenenfalls aus dem Erfordernis, eine Gesetzesbestimmung einer - soweit möglich - verfassungskonformen Auslegung zuzuführen, geboten.

Weder der bloße Wegfall der Subsidiaritätsklausel noch die von den UVS ins Treffen geführte offenbar bewußte Bedachtnahme auf mit der Verwaltungsübertretung zugleich auftretende Arbeitsunfälle oder Gesundheitsschäden in den Materialien zum ASchG (1590 und 1671 BlgNR, XVIII. GP) lassen eindeutig darauf schließen, daß der Gesetzgeber eine Doppelbestrafung normieren wollte.

Entscheidungstexte

  • G 51/97,G 26/98
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 07.10.1998 G 51/97,G 26/98

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, VfGH / Sachentscheidung Wirkung, Rechtskraft, res iudicata, Arbeitnehmerschutz, Verwaltungsstrafrecht, Strafe, Doppelbestrafungsverbot, Auslegung verfassungskonforme, Zusammentreffen strafbarer Handlungen, Kumulationsprinzip

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:G51.1997

Dokumentnummer

JFR_10018993_97G00051_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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