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60 ArbeitsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Abweisung des zulässigen Individualantrags eines Handelsbetriebes auf Aufhebung von Bestimmungen über die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Samstagen; keine Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit aufgrund der verfassungsrechtlich unbedenklichen Verfolgung gesundheits-, sozial- und familienpolitischer Ziele durch die angefochtene Regelung; Schutz des betroffenen Personenkreises nur durch ein generelles Verbot; keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung aufgrund der weitergehenden Ausnahmen vom Verbot der Wochenendarbeit für bestimmte Verkaufsstellen (zB Flughäfen, Bahnhöfe) und bestimmte ArbeitenRechtssatz
Zulässigkeit des Individualantrags ua eines Möbelhauses auf Aufhebung des §22d Abs2 bis Abs5 ArbeitsruheG idF BGBl I 5/1977; untrennbarer Zusammenhang der angefochtenen Bestimmungen, Legitimation gegeben.
Es ist offenkundig und keiner weiteren Darlegung bedürftig, daß das an den Arbeitgeber gerichtete Verbot der Beschäftigung von Arbeitnehmern in Verkaufsstellen während der Offenhaltezeit an bestimmten Samstagen in die Rechtssphäre der antragstellenden GesmbH im Verhältnis zu dem dazu bereiten antragstellenden Verkäufer eingreift, und daß dieses Verbot sich durch seinen Zweck und Inhalt auch auf die Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner (Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen) derart auswirkt, daß damit nicht nur ihre wirtschaftliche Lage, sondern auch ihre Rechtssphäre unmittelbar gestaltet wird.
Abweisung des Individualantrags auf Aufhebung des §22d Abs2 bis Abs5 ArbeitsruheG idF BGBl I 5/1977.
Keine Verletzung der Erwerbsfreiheit.
Der Verfassungsgerichtshof hat schon das Verbot des Offenhaltens an Samstag Nachmittagen angesichts der besonderen Funktion des Wochenendes für Freizeit, Erholung und soziale Integration als verfassungsmäßig erkannt (s VfSlg 12094/1989 und 13318/1992). Es ist nicht entscheidend, daß das gesundheitspolitische Anliegen des Gesetzgebers auch durch eine Wochenruhe erreicht werden kann, die den Samstag Nachmittag nicht einschließt.
Vorschriften über die Begrenzung der Arbeitszeit und die Gewährung einer Wochenruhe dienen ganz allgemein dem Schutz der Arbeitnehmer vor einer übermäßigen Beanspruchung durch den Arbeitgeber, dessen wirtschaftlich begründetem Verlangen sie regelmäßig keinen hinreichenden Widerstand entgegensetzen können. Ein solcher Schutz ist nur durch ein generelles Verbot möglich, und dieses Verbot wird jenen, die ein Interesse an der Arbeit an Samstag Nachmittagen haben, aus Gründen der Solidarität zugemutet (vgl VfSlg 13038/1992). Wie für die tägliche Ruhezeit ist aber auch für die Wochenruhe die Lage der Ruhezeit von Bedeutung. Die Interessen der Gewerbetreibenden und der Arbeitnehmer (sowie der Verbraucher) gegeneinander abzuwägen, ist jedoch - wie gleichfalls schon in der Rechtsprechung zum Ladenschluß betont wurde - nicht der Verfassungsgerichtshof, sondern der Gesetzgeber berufen (VfSlg 13328/1993). Das gilt auch für die Regelung der Arbeitsruhe, wobei zusätzlich ins Gewicht fällt, daß es dabei ohnedies nur um jenen Teil der Erwerbstätigkeit des Unternehmers geht, die er mit Hilfe von anderen (dem Gesetzgeber eben schutzbedürftig erscheinenden) Personen entfaltet.
Dem Umstand schließlich, daß die Abwägung durch die beteiligten Kreise in bezug auf die Lage der Wochenruhe vielleicht in bestimmten Wirtschaftszweigen zu einem anderen Ergebnis führen könnte, hat der Gesetzgeber ohnedies durch die Ermächtigung der Kollektivvertragspartner in §22d Abs5 ARG Rechnung getragen.
Keine Verletzung des Gleichheitssatzes.
Das Offenhalten von Verkaufsstellen an Samstag Nachmittagen steht jedem Unternehmer ohne besondere Voraussetzungen frei. In bezug auf die große Zahl der in Verkaufsstellen Beschäftigten, deren Einsatz an Samstag Nachmittagen anders als in der übrigen Wirtschaft zulässig ist, enthält §22d daher die Regel für die Arbeit an Samstag Nachmittagen. Läßt aber der Gesetzgeber in besonderen Ausnahmefällen eine Wochenendarbeit zu (so zB bei den Ausnahmen vom Verbot der Wochenendarbeit für Verkaufsstellen in Bahnhöfen und Autobusbahnhöfen, auf Flugplätzen und Schiffslandeplätzen und in Zollfreiläden (§18 ArbeitsruheG) sowie der durch Verordnung für bestimmte Tätigkeiten zugelassenen Wochenendarbeiten (§12 ArbeitsruheG)), so kann er doch für den Regelfall, in dem keine besonderen Gründe vorliegen brauchen, auf die Interessen der Arbeitnehmer stärker Rücksicht nehmen und den Arbeitgeber verhalten, einen Ausgleich zu gewähren.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, VfGH / Prüfungsumfang, Arbeitnehmerschutz, Arbeitsruhe, Erwerbsausübungsfreiheit, Rechtspolitik, LadenschlußEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1998:G439.1997Dokumentnummer
JFR_10018986_97G00439_01