RS Vfgh 1998/10/17 G4/97, G5/97, G6/97, G7/97, G221/97, G248/97, G249/97, G250/97, G251/97, G252/97,

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Veröffentlicht am 17.10.1998
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Index

L9 Sozial- und Gesundheitsrecht
L9440 Krankenanstalt, Spital

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
Nö KAG 1974 §45
Nö KAG 1974 §49
Nö KAG 1974 ArtII, ArtIII der 8. KAG-Nov. LGBL 9440-9

Leitsatz

Keine Verletzung des Vertrauensschutzes durch rückwirkende Inkraftsetzung einer Novelle zum Nö KAG 1974 betreffend Vereinbarungen zwischen den Rechtsträgern von Krankenanstalten und den Spitalsärzten bezüglich der Honoraranteile der Ärzte an den von der BVA und der VAE (Eisenbahner) geleisteten Sondergebühren; sachliche Rechtfertigung aufgrund geänderter Rechtsprechung; fragliche Entgelte keine ärztlichen Honorare im Sinne des Nö Krankenanstaltengesetzes; Annahme eines dienstrechtlichen Anspruchs aufgrund des Gebots verfassungskonformer Interpretation ausgeschlossen

Rechtssatz

Präjudizialität des ArtII und ArtIII Abs2 der 8. Novelle zum Nö KAG 1974.

Auch die Verwendung der Vergangenheitsform ("Wurden Vereinbarungen abgeschlossen...") in ArtII leg. cit. in Verbindung mit der das rückwirkende Inkrafttreten anordnenden Bestimmung des ArtIII Abs2 leg.cit. schließt nicht aus, die Bestimmung (insoweit auch verfassungskonform) dahin zu verstehen, daß solche Vereinbarungen, wann immer sie abgeschlossen wurden, das Rechtsverhältnis zwischen den Vertragsparteien rechtswirksam gestalten, bei vor dem 01.01.90 abgeschlossenen Vereinbarungen ab diesem Zeitpunkt.

Abweisung der Anträge auf Aufhebung des ArtII und ArtIII Abs2 der 8. Novelle zum Nö KAG 1974, LGBl. 9440-9.

Eine Änderung der Rechtsprechung kann - wie im E v 25.06.98, G384/96, näher ausgeführt wurde - auch für eine rückwirkende Reaktion des Gesetzgebers einen sachlichen Grund darstellen.

Der Verwaltungsgerichtshof ist in seinem Judikat vom 29.06.94, 93/12/0279, aufgrund der von ihm angenommenen Nichtigkeit der Arztverträge zur Rechtsauffassung gelangt, den Ärzten stünden höhere Abgeltungen ihrer ärztlichen Leistungen zu, als sie aus den von ihnen mit den Krankenhausträgern geschlossenen Verträgen (Aufteilungsschlüssel: 40 % für den Rechtsträger, 60 % für den Abteilungsvorstand) ableiten könnten. Diese Entscheidung (mag sie auch von einem Höchstgericht stammen) begründet aber für sich allein genommen noch kein verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen auf den auch künftig unveränderten Fortbestand der sich aus dieser Entscheidung ergebenden Rechtslage. Aus dem Argument eines möglichen "Unterlaufens" der Fortsetzung dieser Rechtsprechung durch einen Akt des Gesetzgebers läßt sich daher - mit dem zitierten Vorerkenntnis des VfGH vom 25.06.98 - eine Verfassungswidrigkeit der getroffenen Regelung nicht ableiten.

Diese Entgelte sind (unabhängig davon, aus welchen Komponenten sie sich aufgrund dieser Kassenverträge zusammensetzen und wie sie darin bezeichnet sind) nicht mit "ärztlichen Honoraren" iSd §49 Abs5 Nö KAG 1974 gleichzusetzen.

Normen dienstrechtlicher Natur, deren Geltungsbereich mit jenem des jeweiligen Landes-Krankenanstaltengesetzes ident ist, sind verfassungswidrig, weil dem Landesgesetzgeber nicht hinsichtlich aller in Betracht kommender Krankenhausträger die Kompetenz zur Regelung des Dienstrechtes zukommt. Sowohl das Gebot verfassungskonformer Interpretation von Rechtsnormen, aber auch der offenkundige Antwortcharakter des §45 Abs2 Nö KAG 1974 idF der 1. Nov zum Nö KAG 1974, LGBl. Nr.9440-1, auf das Erkenntnis VfSlg. 7285/1974 schließen es aus, die Norm auch in ihrer jetzigen Fassung noch als Rechtsgrundlage für dienstrechtliche Ansprüche anzusehen.

Bei dieser auch verfassungsrechtlich gebotenen Deutung der Rechtslage ist es die offenkundige Absicht der Vertragspartner der Ärzteverträge gewesen, die Ärzte an diesen zusätzlichen Einnahmen der Krankenhausträger in der im Vertrag vorgesehenen Weise und in dem darin genannten Ausmaß zu beteiligen, d.h. ihnen einen Rechtsanspruch auf einen Anteil an diesen Einnahmen einzuräumen, der ohne diese Vereinbarung nicht bestünde.

Es kann jedenfalls nicht verfassungswidrig sein (und nur darauf kommt es in den vorliegenden Verfahren an), wenn der Landesgesetzgeber in Reaktion auf das wiederholt genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes diesen Verträgen die vom Verwaltungsgerichtshof vermißte Rechtsgrundlage (und zwar im Rahmen seines Kompetenzbereichs, d.h. beschränkt auf Ärzte, die in einem Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich, einer Gemeinde oder einem Gemeindeverband stehen) zu verschaffen suchte.

Der schließlich vom Verwaltungsgerichtshof weiters geltend gemachte Umstand, daß vor dem Inkrafttreten der angefochtenen Bestimmungen der eine oder andere gleichartige Fall bereits im Sinne der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes rechtskräftig entschieden worden sein könnte, vermag diese Normen - die im übrigen in bereits rechtskräftig entschiedene Fälle nicht eingreifen - nicht mit Verfassungswidrigkeit zu belasten.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, Krankenanstalten, Arztgebühren, Sondergebühren, Vertrauensschutz, Rückwirkung, Kompetenz Bund - Länder Dienstrecht, Auslegung verfassungskonforme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:G4.1997

Dokumentnummer

JFR_10018983_97G00004_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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