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L0 Verfassungs- und OrganisationsrechtNorm
B-VG Art26 Abs1Leitsatz
Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Wahlrecht zum Landtag durch rechtswidrige Streichung eines Wahlberechtigten aus dem Wählerverzeichnis; unzulängliche Bescheidbegründung und grob mangelhaftes Ermittlungsverfahren in der hier maßgebenden WohnsitzfrageRechtssatz
Das in Art95 Abs1 iVm Art26 Abs1 B-VG verfassungsgesetzlich gewährleistete Wahlrecht zum Landtag wird ua. durch eine rechtswidrige Streichung eines Wahlberechtigten aus dem Wählerverzeichnis verletzt. Das ist auch dann der Fall, wenn das zur Streichung führende Verwaltungsverfahren an wesentlichen Mängeln leidet (s. VfSlg. 8845/1980, vgl. VfSlg. 5148/1965, 6303/1970, 7017/1973, 7766/1976, 10.668/1985, 11.676/1988).
Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, das Vorbringen des Berufungswerbers, wonach er in der M Straße ... eine Wohnmöglichkeit habe, sich dort regelmäßig aufhalte und sich somit dort sein ordentlicher Wohnsitz befinde, entsprechend zu erörtern und zu würdigen. Gerade bei einem Abgeordneten zum Nationalrat (wie dem Beschwerdeführer), der am Stichtag ein dem Wahlkreis 3 (Niederösterreich) zugeordnetes Mandat innehatte, entspricht es der Lebenserfahrung, davon auszugehen, dass er - neben seiner beruflichen Betätigung am Sitz des Nationalrates in Wien - seinen mit der Ausübung des Mandates verbundenen Aufgaben auch im betreffenden Wahlkreis nachgeht.
Diese Umstände im Zusammenhang mit der unzulänglichen Bescheidbegründung, die sich mit den Einlassungen des Beschwerdeführers teils überhaupt nicht befasste, kennzeichnen aber die von der belangten Behörde eingehaltene Prozedur (selbst unter Berücksichtigung der geringeren Anforderungen, die an das Ermittlungsverfahren von Wahlbehörden schon angesichts der kurzen zur Verfügung stehenden Fristen zu stellen sind (VfSlg. 8845/1980)) - unter dem Aspekt der maßgebenden Frage des ordentlichen Wohnsitzes - als derart grob mangelhaft und ergänzungsbedürftig (s. etwa auch VfSlg. 7017/1973, 7766/1976, 8845/1980, 11.676/1988, 11.962/1989), dass von einer Verfassungswidrigkeit gesprochen werden muss.
Schlagworte
Wahlen, Wahlrecht aktives, Ermittlungsverfahren, BescheidbegründungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1998:B786.1998Dokumentnummer
JFR_10018799_98B00786_01